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Altmaier: Grundprinzip ist, die Preise zu stabilisieren

Die Energiewende soll die Verbraucher nicht jährlich mit unerwartet hohen Strompreissteigerungen belasten, sagt Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Um dies zu erreichen müssten Einsparungen in Milliardenhöhe gemacht werden. Altmaier will daher unter anderem die EEG-Umlage einfrieren.

Peter Altmaier im Gespräch mit Dirk Müller | 05.02.2013
    Dirk Müller: Immerhin: die weitaus meisten Bürger dürfte er auf seiner Seite haben, Peter Altmaier mit seiner Forderung, die ständig steigenden Strompreise an die Kandare zu nehmen. Ansonsten gibt es jedoch nur Kritik an den Plänen des Umweltministers: vonseiten der Opposition, vonseiten der Industrie, vonseiten der Gewerkschaften und auch vonseiten der FDP, also des eigenen Koalitionspartners.
    In Berlin ist nun Bundesumweltminister Peter Altmaier für uns am Telefon. Guten Morgen!

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Altmaier, die Ökoumlage einfrieren, ein Punkt Ihrer Forderungen. Wollen Sie der Totengräber der deutschen Solarindustrie sein?

    Altmaier: Nein, überhaupt gar nicht, sondern ich will erreichen, dass die Energiewende endlich in einen berechenbaren, verlässlichen Kurs kommt, und das geht nur, wenn wir die Verbraucher in Deutschland nicht jedes Jahr mit exorbitant steigenden Strompreisen belasten. Das ist übrigens der Punkt, wo es auch gegen meine Vorschläge keinen Widerstand gibt. Ich habe ja gesagt, die Stromumlage ist heute schon so hoch, dass wir die Grenze der Belastungsfähigkeit erreicht haben. Das hat bisher niemand in Frage gestellt. Ich sehe von Herrn Trittin bis Herrn Gabriel niemanden, der möchte, dass die EEG-Umlage in der nächsten Zeit weiter stark ansteigt.

    Müller: Aber Sie haben schon, Herr Altmaier, auch in der eigenen Koalition nach Fehlern gesucht, denn Sie haben die Energiewende zu verantworten?

    Altmaier: Die Energiewende haben wir alle gemeinsam zu verantworten. Von den zehn Jahren, über die wir reden, waren immerhin neun Jahre grüne und SPD-Umweltminister, vier Jahre CDU-Umweltminister, also 13 Jahre insgesamt seit Erlass des EEG. Ich denke aber, es sollte niemand versuchen, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Ich habe meine Tätigkeit übernommen vor rund acht Monaten. Ich habe seither intensiv versucht, in Gesprächen mit allen Beteiligten den richtigen Weg zu ermitteln, und jetzt lege ich zum ersten Mal Vorschläge vor, die dazu angetan sind, die Preisentwicklung so zu bremsen, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht überfordern.

    Müller: Es gibt ja so etwas, Herr Altmaier, wie Bestandsschutz, also Garantieumlagen oder finanzielle Zuweisungen, auf die sich viele verlassen. Das machen viele private Bürger in vielen Bereichen ja auch. Wenn jetzt auf die Industrie, Solarindustrie, Windindustrie wie auch immer, plötzlich Kürzungen zukommen, wie sollen die damit umgehen?

    Altmaier: Zunächst einmal: Alle verfassungsrechtlichen Grenzen sind in meinem Vorschlag respektiert. Das ist selbstverständlich. Zweitens: Wenn wir den Stromzahler schützen wollen vor unerwartet hohen Preissteigerungen, dann müssen wir versuchen, die Ausgaben zu dämpfen. Das geht nur durch ein Bündnis von verschiedenen Maßnahmen. Auch das räumt die Oppositionen inzwischen ein. Es geht um Beträge von vier bis sechs Milliarden Euro pro Jahr. Und da ist es so, dass der Ausbau, das Ausbautempo der erneuerbaren Energien ja nicht beliebig schnell sein kann. Es muss auch technisch verkraftet werden, es muss finanziell verkraftet werden. Wir haben im Augenblick etwa im Bereich von Biogasanlagen ein doppelt so schnelles Ausbautempo wie vorgesehen. Im Bereich von Solaranlagen war das Ausbautempo in den letzten drei Jahren fast dreimal so schnell wie vorgesehen. Das heißt, wir haben überall ein sehr, sehr hohes Tempo, und ich denke, wenn man dieses Tempo auf ein vernünftiges Maß zurückführt oder begrenzt, dann wird der Ausbau trotzdem weitergehen, schneller als in allen anderen europäischen Ländern, aber wir bekommen eine bessere Perspektive für die finanzielle Ausgestaltung.

    Müller: Herr Altmaier, wir befürchten, dass die Energie Ihres Handys, Ihres Telefons inzwischen ausgeht. Wir legen jetzt einmal auf, schlage ich vor, spielen ein paar Takte Musik, rufen Sie noch mal an, in der Hoffnung, dass wir eine bessere Verbindung bekommen. Peter Altmaier bislang – Deutschlandfunk, 7:22 Uhr.
    Eine Minute hat das jetzt gedauert. Noch einmal der Versuch nach Berlin. Guten Morgen, Peter Altmaier.

    Altmaier: Ja guten Morgen.

    Müller: Das hört sich schon etwas besser an. Vielleicht sollten wir eher über die Mobilfunknetze in Deutschland reden als über die Strompreise. Nun hatten wir uns aber auf die Strompreise geeinigt. – Die Frage ist: Wie reagiert die Opposition, SPD und Grüne? Sie haben gesagt, ein bisschen kriegen wir sie ins Boot. Wir hatten gestern bei uns im Deutschlandfunk dazu SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. Wir hören ihn mal an – versuchen wir zumindest.

    O-Ton Ulrich Kelber: "So wie er es macht ist es falsch. Ausnahmsweise hat da Herr Rösler mal Recht in seiner Beurteilung. Der Eindruck ist ziemlich eindeutig, dass es Altmaier nicht um wirkliche Lösungen von Problemen geht, sondern um selber gut dazustehen, um nachher sagen zu können, ich habe doch Vorschläge gemacht, die anderen haben abgelehnt. Aber wir sind hier nicht beim schwarze Peter Spiel."

    Müller: Das hört sich nicht so an, als würde die SPD jetzt mitfahren auf dem Zug?

    Altmaier: Nein es hört sich so an, dass die SPD im Augenblick ziemlich hin- und herschlingert und nicht weiß, was sie tun will. Es haben ja einige bei der SPD vorgeschlagen, die Stromsteuer zu senken; das hat heftigen Protest bei den Grünen hervorgerufen, dem angeblich künftigen Koalitionspartner. Die Grünen haben Vorschläge gemacht, die bei der SPD nicht gut ankommen. Das zeigt alles, dass die Opposition auf diese Debatte nicht vorbereitet war, und ich ziehe daraus einen Schluss, dass wir, wenn überhaupt, jetzt die Möglichkeit haben, vor der Bundestagswahl, in einem parteiübergreifenden Konsens zu einer Lösung zu kommen. Ich habe die Kritik auch nicht so verstanden, dass sie gegen das Grundprinzip gerichtet ist, nämlich die Preise zu stabilisieren, und deshalb werde ich auf die Opposition zugehen. Ich werde ein ganz klares Eckpunktepapier vorlegen, das gemeinsam mit dem Koalitionspartner erarbeitet ist, und auf dieser Grundlage können wir im übrigen über Detailänderungen jeder Zeit sprechen. Es muss nur klar sein: Am Ende muss ein Einsparvolumen in einer deutlichen Milliardenhöhe herauskommen. Nur dann können wir die Preise stabilisieren. Wer sich dem verweigert, der riskiert in der Tat, dass wir im nächsten Herbst einen Preisanstieg von rund zehn Prozent wieder haben.

    Müller: Herr Altmaier, bevor Sie mit der SPD und den Grünen ins Scherbengericht gehen, müssten Sie sich ja auch erst einmal – Sie haben das Stichwort genannt – in der Koalition einigen. Philipp Rösler, wenn wir ihn richtig verstanden haben, wenn er richtig zitiert wird, hat gesagt, Umlage für den Ökostrom einfrieren – das ist das, was Sie wollen -, ist eine Scheinlösung. Was hat der Mann gegen Sie?

    Altmaier: Nein, das ist erst schon mal falsch zitiert. Das ist ein angebliches Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Philipp Rösler hat sich mehrfach, auch heute Morgen noch mal in einer großen deutschen Zeitung, grundsätzlich positiv zu den Vorschlägen geäußert. Wir sind im Augenblick dabei, in Gesprächen mit dem Wirtschaftsministerium diese Punkte zu konkretisieren, und ich gehe davon aus, dass wir dies bis Mitte Februar schaffen werden.

    Müller: Also die FDP will jetzt fördern? Die FDP will jetzt die Umlage stärker fördern?

    Altmaier: Nein, die FDP teilt mein Ziel, dass wir die EEG-Umlage stabilisieren müssen, dass wir ihren Anstieg stabilisieren müssen. Philipp Rösler hat gesagt, er will darüber hinaus grundlegende Reformen des EEG. Da bin ich jeder Zeit daran interessiert, konkrete Vorschläge zu vernehmen. Ich bin persönlich überzeugt, was wir vor der Bundestagswahl schaffen können ist die Preisstabilisierung, und wir haben die Verantwortung, das zu tun. Darauf kann ich mich mit ihm einigen. Ich denke, dass wir das schaffen werden. Ich bin dann am 14. Februar vereinbart mit den Umwelt- und Energieministern der Bundesländer und am 21. März spricht die Kanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, sodass wir mehrere Gelegenheiten haben, meine Vorschläge zu einem gemeinsamen Konsens zusammenzuführen.

    Müller: Aber können wir das als Neuigkeit schon mal vermelden, dass Sie sich schon, wenn ich Sie richtig verstanden habe, mit Philipp Rösler geeinigt haben und Philipp Rösler (FDP), der Wirtschaftsminister, akzeptiert, dass die staatlichen Förderungen weiterhin so laufen, wie sie laufen?

    Altmaier: Nein, das haben Sie jetzt aber falsch verstanden. Ich empfehle Ihnen: Lesen Sie das Interview, was Philipp Rösler heute in der Zeitung mit den vier Buchstaben gegeben hat. Dann werden Sie feststellen, dass er meinen Ansatz, mein Ziel teilt und dass auch Philipp Rösler der Auffassung ist, dass sich Wirtschafts- und Umweltministerium in absehbarer Zeit auf ein gemeinsames Konzept einigen können.

    Müller: Also Sie beide sind im Grunde schon d’accord, jetzt geht es um die Opposition?

    Altmaier: Wir sind in allen Detailfragen noch nicht d’accord. Darüber reden wir ja. Das ist bei einer Regierungsabstimmung auch so üblich, in allen anderen Bereichen der Politik auch. Entscheidend ist, dass wir zu einer gemeinsamen Position in allen Punkten gelangen, und das halte ich in sehr absehbarer Zeit für möglich.

    Müller: Noch einen Punkt haben wir, bevor wir zum Schluss kommen müssen, Herr Altmaier. Steuersenkungen sind immer gut in Wahljahren. Wir haben ein Wahljahr. Kommen Steuersenkungen?

    Altmaier: Es gibt die Forderung der SPD, die im Grunde das Problem nicht löst, denn mit den Vorschlägen der SPD würde der Bürger trotzdem mit zwei Drittel des Preisanstieges belastet werden. Das kann die Lösung nicht sein und deshalb ist das ein Element von Vorschlägen, die gemacht werden, nicht mehr und nicht weniger. Wir müssen viel weitergehen und wir müssen auch die Ausgaben kürzen und reduzieren, und darüber will ich mit Sigmar Gabriel und der SPD reden.

    Müller: Also Sie wollen noch keine Steuersenkungen?

    Altmaier: Ich will zum jetzigen Zeitpunkt keine Scheinlösung, die am Ende den Beteiligten steigende Preise bringt.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.

    Altmaier: Ich danke Ihnen – auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.