Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


An Land, nicht im Wasser

Paläontologie. - Nichts gegen Seeschlangen, aber anscheinend sind sie doch nicht die Urahnen von Boa constrictor, Schwarze Mamba und Co.. Fossilienfunde aus Wyoming deuten vielmehr darauf hin, dass der Urahn aller modernen Schlangen an Land lebte. In der aktuellen "Nature" wird er vorgestellt.

Von Dagmar Röhrlich | 26.07.2012
    Fast 3000 Schlangenarten leben auf der Erde, und zwar in den unterschiedlichsten Lebensräumen. Sie kommen fast überall zurecht. Allerdings ist ihre Evolution kaum erforscht, denn bislang sind nur wenige Übergangsformen gefunden und wissenschaftlich untersucht worden. Doch in den naturkundlichen Museen schlummern etliche Schätze - auch in dem der Yale Universität in New Haven. Einen dieser Schätze hat der Paläontologe Nicholas Longrich nun gehoben:

    "Diese Coniophis getauften Fossilien sind schon vor mehr als 100 Jahren entdeckt worden, aber es gab so wenige Überreste, dass man nicht so genau wusste, wo sie im Stammbaum der Schlangen eingeordnet werden sollten. Wir hatten nur ein paar Wirbel. Dann jedoch 'stolperten' wir in den Museumsbeständen über einige Schädelknochen, und damit konnten wir ihre verwandtschaftlichen Beziehungen klären: Coniophis erwies sich als die primitivste Schlange, die bislang gefunden worden ist."

    Während der Ursprung der Schlangen irgendwann vor 150 oder 100 Millionen Jahren zu suchen ist, lebte Coniophis viel später, nämlich erst vor 70 Millionen Jahren - zusammen mit T-rex. Seinerzeit war Coniophis schon ein lebendes Fossil, also ein Relikt aus längst vergangener Tage, so wie heute ein Nautilus oder ein Quastenflosser. Longrich:

    "Das ist deshalb so interessant, weil Coniophis als fehlendes Bindeglied ganz nahe am Ursprung der Schlangen steht. Bei diesen war bislang eine der offenen Fragen, ob der lange Körper ohne Gliedmaßen eine Anpassung an ein Leben an Land oder im Wasser ist. Coniophis nun war etwa 60 Zentimeter lang, besaß einen Schlangenkörper und konnte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit graben. Damit stammen die Schlangen wohl von wühlenden Eidechsen ab."

    Die Fundorte der Fossilien zeigen, dass Coniophis an Land lebte, wenn auch in der Nähe von Flüssen und Seen. Anpassungen an eine Fortbewegung im Wasser weist sein Skelett nicht auf. Dafür ähnelt die Wirbelsäule denen moderner Echsen oder Schlangen, die die meiste Zeit in Löchern unter der Erde leben. Longrich:

    "Als erstes haben sich die Ahnen der Schlangen also auf den grabenden Lebensstil spezialisiert."

    Und zwar, um sich auf der Jagd in unterirdischen Gängen besser fortbewegen zu können. Diese Spezialisierung begann bei Armen und Schultergürtel: Sie wurden zurückgebildet. Dadurch konnten die Tiere ihren Brustkorb erweitern, um größere Beute zu verschlingen. Später reduzierten sie dann auch ihre Beine.

    "Von seinem Kopf her glich Coniophis aber immer noch einer Eidechse: Sein Unterkiefer war noch nicht flexibel. Moderne Schlangen können ja ihren Kiefer aushängen und so Beute verschlingen, die größer ist als sie selbst. Das konnte Coniophis noch nicht."

    Diese flexiblen Kiefer seien wohl der Trick, der die späteren Schlangen so erfolgreich gemacht hat, glaubt Nicholas Longrich. Erst nachdem sie diesen Schritt in der Evolution geschafft hatten, explodierte ihre Artenvielfalt regelrecht. Als lebendes Fossil war Coniophis jedoch auch erfolgreich: Kaum eine Art übersteht Dutzende von Millionen Jahren. Seine großen, fast wie Klauen geformten Zähne, werden ihm dabei geholfen habe: Mit ihnen konnte er seine Beute packen. Und das waren wohl Frösche oder Eidechsen.