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Andere Perspektiven

Erstmals sind die Werke der Gewinner des Wettbewerbs "gute aussichten – junge deutsche fotografie" im Marta Herford zu sehen. Der Wettbewerb bietet Absolventen des Fotografiestudiums einen Rahmen, um ihre Arbeiten einer internationalen Öffentlichkeit vorzustellen.

Von Katja Lückert | 18.11.2009
    Aufgebrochene große schwarze Rohre liegen in einem Gewirr aus Plastikfolien am Boden. Ein dunkler Raum, dessen Wände offenbar mit verschiedenen Tüchern abgehangen sind. So wird ein sonst bewohntes Zimmer nachts zu einem befremdlichen, mystischen Ort.

    Schnell ist klar: Hier geht es nicht darum, was auf diesem fotografischen Still-Leben eigentlich zu sehen ist, bedeutender sind die Farben: dunkles Rot, viel Schwarz, blasses Gelb – ein düsteres Ensemble, das die Leipziger Fotografin Sonja Kälberer "Bel composto" getauft hat. Sie habe auch Malerei studiert, betont die junge Frau, und weicht vor dem Mikrofon zurück, wie als ob sie sich vor der neuerlichen, zu raschen Fixierung ihres Ausdrucks ängstige.

    "Was zu sehen ist, sind ja Interieurs … ich glaub, ohne das Mikrofon, wär’ mir lieber …"

    Fotografie, wenn sie sich als Kunst versteht, kommt von jeher von dem Vorurteil nicht los, dass man sich für sie nicht besonders anstrengen müsse. Ein Klick und ein neues Foto ist entstanden. Vielleicht ist es auch aus diesem Grund den Finalisten des diesjährigen Wettbewerbs "Gute Aussichten" so wichtig, zu beziffern, wie lange die Vorbereitungen für ihre Bilder gedauert haben.

    Die einen haben wochenlang ihr Zimmer oder ihr Atelier ausgestaltet, umgerüstet und auf jede erdenkliche Weise dekoriert, Andere haben ein Ensemble auf der Grundlage eines Bildes aus der Renaissance mühsam nachgestellt und wieder Andere haben monatelang in Kuriositätenkabinetten und Wunderkammern geforscht.

    Bei Shigeru Takato entstehen die Bilder fast nur im Auge des Betrachters, denn, was man sieht, sind merkwürdige menschenleere, wüstenartige Gegenden, in blassen Farben, fast wie mittelmäßig gelungene Urlaubsfotos, die der Absolvent der Kölner Kunsthochschule für Medien zu Triptychien arrangiert hat. Das hier sei ein Bild von einer Gegend auf der Insel Teneriffa, wo der Science Fiction-Klassiker "Der Planet der Affen" gedreht worden sei, und hier: Island, wo die Nasa noch immer Forschungen zur Geschichte des Mars anstelle. Muss man ja wissen, denkt, die Betrachterin - müsse man aber immer wissen, erklärt der Fotograf.

    "Ich war immer enttäuscht. Also wenn man dieses Bild vom Mars sieht, sind die sehr ähnlich, wie die Landschaft auf der Erde und ich habe immer gedacht: Warum? Sie sind vom Mars, warum sind sie so ähnlich und irgendwie bekannt. Die sind tatsächlich ähnlich, aber wir sehen es nicht."

    Sicher entsteht durch jedes Abbilden auch Täuschung und möglicherweise verfügt gerade die Fotografie über vergleichsweise viele Werkzeuge, solche Trugbilder zur Perfektion zu führen. Trotzdem kommt es doch auch darauf an, dass das Bild, für sich allein stehen kann, ganz ohne Erklärung. Nur bei Ute Klein scheint dann plötzlich alles klar. Hier umarmen sich zwei Menschen.

    Mann und Frau, ineinander verschlungen versuchen sie fast in einander hinein zu kriechen, umfangen sich – meist leicht bekleidet – im Stehen oder auf einem Bett. Ästhetisch gelungene Bilder, die den Formenkreis des Paarseins umspielen.

    "Ich denke, was ja bei so etwas mitschwingt, das sind ja echte Paare, also keine Schauspieler oder Tänzer und Liebe und Miteinander kommt hier wirklich zum Tragen, weil es tatsächlich stattfindet."

    Bestimmt zeigen die Bilder Menschen in sehr intimen Posen, doch von deren Wirkkraft ist dann weniger zu sehen, als die Fotografin meint, denn die Gesichter sind durchweg dem Betrachter abgewandt. Kein Wunder, denn auch Ute Klein glaubte sich bei der Arbeit an diesen Bildern einer anderen Kunstgattung näher als der Fotografie.

    "Tatsächlich habe ich mich eher als Bildhauer gefühlt in dieser Zeit. Diese Paare waren wie Material mit dem ich gearbeitet habe, die haben alle ihre eigenen Körpergefühle mitgebracht ihrer eigenen Qualitäten, überhaupt ein Potential miteinander spielerisch umzugehen. Gefragt habe ich die vor allem wegen Äußerlichkeiten, wegen Statur, wegen Haut oder Haaren, weil was hier ja auch sehr wichtig ist, ist die Materialität der Stoffe. Die verschiedenen Qualitäten von Stofflichkeit."

    Unter den Fotografen also viele Bildhauer, Maler, und Designer, die bewiesen haben, dass vor dem Foto ein gutes Stück Arbeit lag. Diesmal sind dabei nur wenige unangestrengte, leichte Bilder herausgekommen, denen man das nicht mehr ansieht. Eigentlich schade, denn dies ist vermutlich die schönste Form der Täuschung, die die Fotografie zu bieten hat.