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Angst vor Erbschaftsteuerreform
Minderjährige Firmenerben erhalten laut DIW-Studie millionenschwere Schenkungen

Familienunternehmer in Deutschland schenken aus Sorge vor der Erbschaftsteuerreform große Vermögen an ihre Kinder – oft an Minderjährige. Das geht aus eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin hervor. Wegen dieser Vorzieheffekte dürfte das Aufkommen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer langfristig nicht steigen.

08.09.2016
    Symbolbild Erbschaftsteuer.
    Bundesverfassungsgericht: Die Erbschaftsteuer ist in zentralen Punkten verfassungswidrig. (picture alliance/dpa/Jens Büttner)
    Laut der DIW-Studie, die im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt wurde, gab es in den Jahren 2011 bis 2014 rund 144 Milliarden Euro steuerfreie Firmenübertragungen. Die Forscher berufen sich auf Zahlen der Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik, in denen auch das Alter der Begünstigten genannt wird. Demnach gingen allein fast 30 Milliarden Euro an rund 90 Kinder im Alter von unter 14 Jahren. Durchschnittlich erhielten sie ein Vermögen im Wert von 327 Millionen Euro. Erfasst wurden in der Statistik nur höhere Übertragungen. Denn der Freibetrag für Kinder liegt bei 400.000 Euro.
    Günstige Bedingungen ausgenutzt
    "Die Vermögensübertragungen in den vergangenen Jahren haben stark zugenommen", erläutert Stefan Bach vom DIW. Unternehmerfamilien hätten vor allem die günstigen Rahmenbedingungen seit dem Jahr 2009 genutzt, um Firmenbeteiligungen an ihre Kinder weiterzugeben.
    Mit der letzten Erbschaftsteuerreform wurde nicht nur die Unterbewertung von Grund- und Betriebsvermögen beseitigt, sondern auch weitreichende Begünstigungen für Unternehmensvermögen eingeführt. Voraussetzung: die Steuerpflichtigen führen das Unternehmen fort und erhalten die Arbeitsplätze. Nach Einschätzung des DIW "handelten wohl viele nach dem Motto: so günstig wie jetzt wird es nie wieder."
    53 Milliarden Euro Steuerausfälle
    In Zahlen ausgedrückt sieht das so aus: Die geschätzten Steuerausfälle im Zeitraum 2011 bis 2014 dürften bei 40 Milliarden Euro liegen, 2015 könnten es noch einmal 13 Milliarden Euro sein. Nach Ansicht des DIW wurden mit der bisherigen Regelung Personen begünstigt, die "sich nicht aktiv" im Unternehmen engagieren, sondern reine Anteilseigner sind. Es würden hohe Steuervorteile gewährt, "ohne dass die Existenz dieser Firmen unmittelbar bedroht wäre. Das Fazit der Forscher lautet:
    "Die weitgehende Steuerfreiheit von Unternehmensübertragungen in dreistelliger Millionenhöhe oder sogar im Milliardenbereich untergräbt die Begründung der Erbschaft-und Schenkungsteuer".
    In Berlin kommt am Donnerstagabend der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zusammmen, um eine Lösung im Streit um die Erbschaftsteuerreform zu finden. Ende 2014 erklärte das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Verschonungsregeln als unangemessen und forderte eine gesetzliche Neueregelung bis Mitte dieses Jahres. Umstritten sind vor allem die steuerlichen Privilegien für Firmenerben, wenn sie Unternehmen und Arbeitsplätze erhalten. Die Länderkammer hatte Anfang Juli auf Druck von SPD, Grünen und Linken zu dem vom Bundestag bereits verabschiedeten Gesetz ein Vermittlungsverfahren angerufen.
    (rei/fwa)