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Antibiotika-Resistenzen breiten sich über Kläranlagen-Abwässer aus

Belebtschlamm – das klingt nicht besonders appetitlich. Belebtschlamm-Becken sind aber das Herz moderner Kläranlagen. Milliarden Bakterien machen sich über das Abwasser her, ernähren sich von dem, was Haushalte und Kleinbetriebe via Abfluss und Toilette los werden – oder auch Krankenhäuser. Und das, so zeigen Untersuchungen von Genetikern der Universität Bielefeld, führt zu einer unliebsamen Veränderung der Bakterienflora. Professor Alfred Pühler:

Von Renate Ell | 10.04.2003
    Genau aus Krankenhäusern kennt man natürlich, dass es dort eine Menge an infektiösen Keimen gibt, die dann freigesetzt werden. Und durch den enormen Antibiotikaeinsatz, den man im Krankenhäusern hat, kennt man natürlich auch, dass diese infektiösen Bakterien Antibiotikaresistenzen tragen. Und diese Antibiotikaresistenzen kommen auf diese Art und Weise in die Kläranlagen.

    In der Kläranlage selbst ist das noch kein Problem – eher im Gegenteil, es wäre problematisch, wenn die nützlichen, Abwasser reinigenden Bakterien dort durch Antibiotika zugrunde gingen.

    Einige Bakterien haben auf ihren Chromosomen Informationen, die sie gegen Antibiotika resistent machen. Wenn diese genetische Information aus der Kläranlage in die Umwelt gelangt, ist das problematisch. Und genau das ist der Fall. Die Krankenhaus-Bakterien tauschen die Gen-Abschnitte mit der Information zum Abbau der Antibiotika mit allen möglichen anderen Bakterien aus. Sie machen das mit Hilfe von Plasmiden. Plasmide sind kleine, ringförmige DNA-Moleküle, die Bakterien leicht an andere Bakterien weitergeben können.

    Es ist mehr oder weniger eine Bücherei, wo man das Wissen lagern kann, und wenn das Wissen abgefragt wird, dann wird es unter den Bakterien verteilt. Und das ist das Plasmid-Konzept, das man bei Bakterien findet, dadurch wird die genetische Information von Bakterien sehr gering gehalten, aber es gibt eine große Anzahl von zusätzlichen Informationen, die häppchenweise verteilt in unterschiedlichen Organismen vorhanden ist. Man findet nicht nur gegen Antibiotika, wir finden auch Quecksilber-Resistenz, Schwermetall-Resistenz, also auf diesen Resistenz-Plasmiden sind im Prinzip dann auch schon Resistenz-Marker, die unter Umständen ein Bakterium braucht, um in der Umwelt zu überleben. Und das ist mit Quecksilber-Resistenz und Schwermetall-Resistenz ja sehr deutlich gesagt.

    Um die Antibiotika-Resistenz-Plasmide zu finden, arbeiteten die Genetiker der Universität Bielefeld mit einem Breitband-Antibiotikum aus der Gruppe der Tetracycline, das die meisten von uns schon einmal geschluckt haben. Alfred Pühler war überrascht, wie schnell gerade die Plasmide mit der Antibiotika-Resistenz-Information sich verbreiten.

    Es gibt unterschiedliche Plasmidtypen, die sich verschiedene Mechanismen zugelegt haben, wie sie sich selbst transferieren. Wir haben genau die Gruppe an Plasmiden gefunden, die das höchste Transferpotenzial haben.

    Selbst wenn die Forscher noch nicht ermittelt haben, wie hoch der Anteil der Antibiotika resistenten Bakterien in einer Kläranlage ist – die Untersuchungen zeigen ohne jeden Zweifel: Kläranlagen sind eine wichtige Brutstätte für die Ausbreitung der Antibiotika-Resistenz in Gewässern. Und von dort gelangen die Resistenz-Plasmide womöglich auch zu Bakterien, die beim Menschen Krankheiten verursachen können – kein Wunder, dass die Waffe Antibiotikum immer wieder versagt. Besonders problematisch ist vor diesem Hintergrund die Trinkwassergewinnung aus Uferfiltrat.

    Denn wenn man aus Fließgewässer dann wieder Trinkwasser regeneriert, was an vielen Stellen natürlich dann passiert, dann wird man nie die Bakterien als solche zurückhalten, sondern die wird man im Trinkwasser wiederfinden. Und man kann Antibiotika-Resistenz-Gene im Trinkwasser wirklich auch als solches aufzeigen.

    Will man die Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen via Kläranlage vermeiden, gibt es wahrscheinlich nur einen Weg: Das Wasser, das aus einer Kläranlage in den nächsten Fluss fließt, müsste auf spezielle Weise gefiltert werden.

    Und so etwas hört man an verschiedenen Stellen, ganz speziell auch in Asien, Japan, habe ich Hinweise, dass man damit schon wirklich beginnt, dass man also Filter einbaut, und an diesen Filtern im Prinzip die bakterielle Last sammelt und das, was man dann wirklich entlässt, ist mehr oder weniger keimfrei.