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Anzeichen der Umkehr

Nur im engen Zusammenspiel von staatlichen Rahmenbedingungen und marktorientierter Innovation ist die Trendwende in der Umweltpolitik und damit der Erhalt der Lebensgrundlagen zu schaffen. Das ist eine der zentralen Thesen im Bericht "Zur Lage der Welt 2008", den die Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit Germanwatch und dem Washingtoner Worldwatch Institute in Berlin präsentiert hat.

Von Philip Banse | 22.04.2008
    "Das Motto dieses Buches könnte ein Hölderlin-Zitat sein, nämlich: Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch."

    Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, die den Bericht "Zur Lage der Welt" gemeinsam mit Germanwatch und dem Washingtoner Worldwatch Institute herausgeben hat. Die Autoren schreiben, die Welt müsse in den nächsten 10 bis 15 Jahren die ökologische Trendwende schaffen, um den Kollaps abzuwenden. Aber wichtige Anzeichen dieser grünen industriellen Revolution seien bereits zu erkennen, sagte der Präsident des Worldwatch Institute, Chris Flavin:

    "Die gute Nachricht ist, dass es eine unglaubliche Innovationswelle gibt, um den ökologischen Herausforderungen zu begegnen. Jedes Jahr werden in grüne und nachhaltige Techniken über 100 Millionen Euro investiert. Besonders hoffnungsvoll macht mich, dass Risikokapitalisten einsteigen. Viele Investoren, die vor zehn Jahren IT-Firmen finanzierten, lenken erhebliche Teile ihres Geldes um und stecken es in grüne Technologien. Umwelttechnologien sind das Thema im Silicon Valley. Die Kräfte, die Apple und Google groß gemacht haben, investieren jetzt in Umwelttechnologien."

    Ein wichtiger Grund für diesen beginnenden Wirtschaftswandel seien staatliche Vorgaben: CO2-Steuern, Emissionshandel, vorbildliche Regelungen wie das deutsche Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien. Doch dieses Zusammenspiel von staatlichen Rahmenbedingungen und marktorientierter Innovation, das muss stark verbessert werden, so eine zentrale These des Lageberichts. Der weltweite wirtschaftliche Ordnungsrahmen müsse umgestaltet werden, damit die Preise die ökologische Wahrheit sagen, Luft, Wasser, Artenvielfalt müssten ein Preisschild bekommen, damit die Umweltkosten nicht länger verschwiegen und auf kommende Generationen abgewälzt werden. Daher sei es falsch, wenn die Bundesregierung in Brüssel strengere CO2-Vorgaben für die deutsche Autoindustrie verhindern will, sagte Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, es dürfe auch nicht weiter Kohle verfeuert werden, um Strom zu erzeugen. Agrar-Treibstoffe bezeichnet Fücks als eine Art Betriebsunfall. Die Suche nach dem richtigen Weg in eine nachhaltige Zukunft sei eben auch von Fehlern begleitet, die aber schnell korrigiert werden müssten:

    "Man muss den Innovationsdruck auf die Industrie erhöhen, damit wir innerhalb weniger Jahrzehnte diese ökologische Wende auch erreichen. Dazu gehört Fortsetzung der ökologischen Steuerreform, dazu gehört ein effizientes CO2-Emissionshandelssystem, dazu gehört auch eine konsequent auf ökologische Innovation ausgerichtete Forschungspolitik, eine Stärkung von Verbraucherrechten und wir müssen einen Transfer gewährleisten von Innovationstechnologien in Entwicklungs- und Schwellenländer mit ihren enormen wirtschaftlichen Wachstumsraten."

    Die Entwicklungsländer bekomme man nur ins Boot, wenn die Industrieländer mit gutem Beispiel vorangingen. Doch die Entwicklungsländer hätten auch ein eigenes Interesse an einer ökologischen Energiewende, sagte der Präsident des Worldwatch Institute, Chris Flavin:

    "Wenn diese Länder den Wandel verpassen, vergeben sie riesige wirtschaftliche Möglichkeiten und die Chance, Jobs aufzubauen. Und es gibt überhaupt keinen Grund, warum erneuerbare Energien nicht gleichzeitig in den Entwicklungsländern und in den Industrieländern aufgebaut werden können. Schwellenländer bauen heute schon Kohlkraftwerke, und die Technik ist genauso komplex wie die von erneuerbaren Energien. Grüne Techniken können sofort globale Techniken werden und könnten große wirtschaftliche Vorteile bringen für viele Teile der Welt."

    Die Weltwirtschaft sei an einer Wendemarkte, sagte Flavin, und er wisse nicht, ob die Welt die Kurve kriegt. Was er aber wisse, sei, dass es möglich ist und dass jetzt die letzte Chance zum Umsteuern ist.