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Arthrose
Neue Forschungsstelle soll Ursachen klären

Arthrose ist eine Volkskrankheit, doch obwohl der Gelenkverschleiß so verbreitet ist, sind ihre Ursachen bisher kaum erforscht. Das soll sich nun ändern. An der Berliner Charité wollen Wissenschaftler unter anderem herausfinden, ob man die knorpelbildenden Zellen positiv beeinflussen kann.

Von Christina Satori | 05.04.2016
    Ein Mann hält sein Knie.
    Knieschmerzen können bedeuten, dass der Knorpel verschlissen ist. (imago/stock&people)
    Arthrose, das ist nicht eine Krankheit, sondern das sind viele, erläutert Professor Andreas Radbruch, wissenschaftlicher Direktor des deutschen Rheumaforschungszentrums DRFZ:
    "Zum Beispiel solche, die durch Fehlstellungen des Gelenkes verursacht werden, solche die durch Sportverletzungen verursacht werden, die durch Übergewicht verursacht werden oder solche durch Altern des Gelenkes. Und wir verstehen heute zu wenig von dem Verschleiß des Gelenkes und den Folgen."
    Von Arthrose betroffen sein kann jedes Gelenk, das belastet wird. Knie, Finger, Hüfte, und so weiter. Durch Übergewicht, Narben, falsche Belastung oder andere Faktoren schreitet die Arthrose im Laufe der Zeit voran und führt dazu, dass der schützende Knorpel immer weiter abgebaut wird. Professor Andreas Radbruch beschreibt die beiden bisherigen Behandlungsmethoden:
    "Die eine ist eben Gelenkersatz in der Behandlung der Arthrose, also einfach neue Gelenke einbauen. Die andere Methode – noch sehr avantgardistisch – ist eben mit Stammzellen zu arbeiten, in der Hoffnung dass diese sich dann zu Chondrozyten entwickeln, die ihren Platz im Knorpel finden, selbst Knorpel aufbauen und von alleine wieder alles ins Lot kommt."
    Chondrozyten, die Knorpelzellen, die das Knorpelgewebe bilden, stehen auch im Mittelpunkt der Forschung, die jetzt neu in Berlin auf dem Campus der Charité beginnen soll. Denn unter bestimmten Bedingungen verändern sich Chondrozyten und erfüllen ihre Aufgabe nur noch fehlerhaft, sagt Professor Max Löhning, Leiter der neuen Forschungsgruppe. Was genau zu dieser Veränderung führt, das will er mit seinem Team herausfinden:
    "Wir erhoffen uns daraus Erkenntnisse zu erzielen über molekulare Schalter, die dafür verantwortlich sind, dass manche knorpelbildenden Zellen in Arthrose-Patienten sich umwandeln und ein anderes Entwicklungsstadium annehmen, sodass sie nur noch schwach tragenden Knorpel produzieren oder sogar Knorpel abbauende Substanzen ausschütten."
    Knorpelzellen positiv beeinflussen
    Die Idee, die dahinter steckt: Wenn man erst einmal herausgefunden hat, wodurch die knorpelbildenden Zellen dazu gebracht werden, nur noch "schlechten" Knorpel zu produzieren, dann könnte man hier ansetzen, um die Knorpelzellen zu korrigieren. Prof. Max Löhning stellt sich das folgendermaßen vor:
    "Wir denken ganz konkret über Umprogrammierungen von denjenigen Knorpelzellen nach, die eben diese knorpelschädigenden Eigenschaften angenommen haben. Wir wollen diese Zellen also in ihrer Entwicklung wieder aktivieren und weiterentwickeln. Dahin, dass sie wieder langfristig tragenden Knorpel herstellen."
    Denkbar wären da zwei Wege: Positive Signale – oder hemmende Signale, sagt Löhning:
    "In dem wir entweder der Zelle positive Signale geben, dass sie wieder die Produktion von langfristig tragendem Knorpel aufnimmt. Oder das wir hemmende Signale einführen, also die Signale, die die Knorpelzelle dazu veranlassen eben nur noch diesen schlechten Knorpel zu produzieren oder sogar Knorpel abzubauen, dass wir diese zum Beispiel Entzündungssignale gezielt blockieren."
    Knorpelbildende Zellen besser erforschen
    Dazu sollen nun erst einmal die knorpelbildenden Zellen besser erforscht werden, derzeit weiß die Wissenschaft nämlich recht wenig über sie. Das liegt unter anderem daran, dass man so schwer an sie herankommt, meint Prof Radbruch vom DRFZ:
    "Die Leben halt im Knorpel in so kleinen Höhlen, vereinzelt, und sobald man den Knorpel aufschneidet, verändern sie sich sofort. Und die Herausforderung ist, die Zellen quasi funktionell einzufrieren in ihrer Situation in dem Knorpel und das müssen sie erst noch schaffen, das geht bisher noch nicht."
    Grundlagenforschung braucht Zeit
    Dass dies möglich ist, davon sind Radbruch und Löhning überzeigt. Aber die beiden Wissenschaftler wissen auch, dass solche Grundlagenforschung Zeit braucht. Daher schätzt Max Löhning:
    "Bis aber eine denkbare Therapie dann wirklich einsetzbar ist, wird es deutlich länger dauern. Da sind wir wahrscheinlich im Bereich von Jahrzehnten, zumindest zehn bis 20 Jahre."
    Gut Ding will eben Weile haben.