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Assams Zitrusbauern in Sorge
Rätselhaftes Sterben der Mandarinenbäume

In der indischen Region Assam sterben seit einiger Zeit die Mandarinenbäume ab - und keiner weiß, warum. Forscher stellen die verschiedensten Theorien auf: Vom Wurzelfäuleerreger bis hin zum Citrus Tristeza Virus. Politiker hingegen schieben den Bauern die Schuld zu.

Von Marleen Halbach | 13.02.2017
    Ein Mandarinenbaum mit vielen Früchten in dem touristischen Vorzeigedorf Sirince bei Selcuk.
    Die Bauern haben wegen der Ernteausfälle finanzielle Engpässe. (dpa / picture-alliance / Frank Baumgart)
    Die Blätter werden gelb und vertrocknen, die Wurzeln verfaulen und schließlich stirbt der ganze Mandarinenbaum. Dieses Trauerspiel beobachten indische Bauern seit einiger Zeit auf ihren Plantagen in der Region Assam. Sie bauen die sogenannte Khasimandarine Citrus reticulata an und leben vom Verkauf der Früchte. Momentan reift auf 13 Quadratkilometern im Osten Indiens aber kaum eine Mandarine dieser besonders saftigen Art. Viele Bauern kämpfen deshalb mit finanziellen Problemen.
    Bhadeshawr Boro ist Mitarbeiter im staatlichen Exzellenzzentrum für den Anbau von Zitrusfrüchten in Boko in Assam. Er kommentiert den aktuellen Fall in einem indischen Medienbericht so:
    "Die Bedrohung hat bereits schwere Ausmaße angenommen und es bedarf einer eingehenden Erforschung, um eine weitere Verbreitung zu verhindern. Wir müssen sofort Maßnahmen zur Erhaltung dieser hochwertigen Mandarinenart unseres Landes ergreifen."
    Bonner Forscher vermutet Wurzelfäuleerreger
    Dr. Joachim Hamacher ist Dozent an der Universität Bonn und leitet ein Testlabor für Pflanzenkrankheiten. Für ihn sind die verfaulenden Wurzeln der sterbenden Mandarinenbäume ein Anhaltspunkt für eine Theorie.
    "Wenn so was ist, dann sind das meist Wurzelfäuleerreger, Wurzelpathogene. Wenn die Bäume verdorren und gelb werden, ganz insgesamt, dann kann es ein, dass auch noch irgendein anderes Bakterium eine Welke hervorruft oder auch ein Pilz – das müsste man dann noch genauer untersuchen."
    Neben Bakterien und Pilzen fällt dem Biologen bei Zitruspflanzen aber noch ein anderer möglicher Übeltäter ein: Das Citrus Tristeza Virus.
    "Tristeza kommt aus dem Spanischen und heißt so viel wie Traurigkeit. Das ist das wichtigste Virus, das in Zitrus vorkommt oder das am meisten verbreitete. Und dann kommt es zum sogenannte Quick Decline, das heißt, die ganze Krone stirbt relativ schnell, innerhalb von Wochen oder Monaten, ab."
    Das Programm zur Überwachung aufkommender Krankheiten ProMED berichtet über viele verschiedene Zitruskrankheiten in der Assam Region und anderen Teilen Indiens. Darunter auch der Tristeza-Virus, Würmer, Pilze oder die sich weltweit verbreitende Krankheit namens Citrus greening.
    Exzellenzzentren zur Ursachenforschung
    Um die Ernte zu sichern und die Arten zu erhalten, etablieren sich in Indien seit ein paar Jahren staatliche Exzellenzzentren für den Anbau von Zitrusfrüchten. Seit September 2016 gibt es so ein Zentrum auch in der aktuell betroffenen Region in Assam. Allzu weit scheint die Ursachenforschung dort aber noch nicht vorangekommen zu sein, was die zielgerichtete Bekämpfung des Pflanzensterbens erschwert.
    "Man muss schon die Pflanzen, gerade bei Bäumen wichtig, identifizieren, die infiziert sind. Ich will ja nicht gesunde Bäume roden, da hab ich ja nix davon, das wäre dumm."
    Das Landwirtschaftsministerium von Assam schiebt die Schuld den Bauern zu. Sie würden ihre Mandarinenhaine falsch bewirtschaften, heißt es in einem Medienbericht. Die Böden seien zu nährstoffarm und alte Pflanzen würden nicht aussortiert, um Krankheiten zu vermeiden. Die Farmer wehren sich gegen diese Vorwürfe. Sie würden viel Geld dafür ausgeben, die Plantagen auf Vordermann zu halten. Ohne Erfolg.
    "Naja gut, das ist immer so eine betriebswirtschaftliche Sache, wie ich das sehe. Wenn die älteren Bäume gut tragen, wieso sollte ich die wegschneiden? Nur aus Prävention? Bestimmt nicht. Da würde ich mir keinen Gefallen mit tun. Das ist auch nur eine billige Ausrede irgendwie. Also die Politiker sind da oft ahnungslos wie man in der Phytopathologie vorgeht und im Pflanzenschutz. Da muss man wirklich die exakte Diagnose machen und sagen: Hier, die und die Bäume sind befallen. Das ist aber kostspielig."
    Viele Bauern satteln um
    Dr. Ashis macht mehrere Faktoren für das Absterben der Mandarinenbäume verantwortlich. Er arbeitet als Pflanzenpathologe am Nationalen Forschungszentrum für Zitrus in Zentralindien. Auf eine Anfrage per Mail antwortet er:
    "Sowohl Umweltfaktoren wie schlechtes Wassermanagement als auch Krankheitserreger spielen eine Rolle beim Zitrussterben. In Assam werden die Haine meist der Natur überlassen, die Landwirte managen sie kaum aktiv. Außerdem sind die Obstgärten sehr nährstoffarm und sind damit besonders anfällig für die Launen von Insektenschädlingen und -krankheiten."
    Klar ist damit zumindest eines: Indien hat mit starken Problemen im Zitrusanbau zu kämpfen. Viele der Pflanzenkrankheiten sind bekannt und werden erforscht. Im aktuellen Fall in Assam hilft das den Bauern aber nicht. Sie suchen sich derzeit alternative Einkommensquellen und satteln um: auf den Anbau von Betelnuss, Ananas oder Bananen. In Deutschland braucht man sich deshalb aber keine Sorgen um einen Mandarinen-Engpass zu machen. In unseren Supermärkten kommen sie meist aus dem Mittelmeerraum.