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Auf der Suche nach der blauen Rose

Die Züchtung von Rosen ist seit Jahrhunderten eine Herausforderung für Blumenfreunde weltweit. Jedoch sind der konventionellen Züchtung durch Kreuzungsbarrieren Grenzen gesetzt. Der Traum von einer blauen Rose - das Sinnbild für das Unerreichbare - hatte bis zum Einzug der Gentechnik in die Gewächshäuser Bestand.

Von Michael Stang | 12.02.2006
    Teemu Teeri: " Alles beginnt damit, dass man wirklich versteht, wie etwas funktioniert. Was zum Beispiel einer Petunie fehlt, weil sie nicht orange ist oder was einer Rose fehlt, da sie nicht blau sein kann. Und sobald man die verschiedenen Gründe dafür erforscht und versteht, dann kann man einen Plan erstellen und das fehlende Stück einfügen. Und wenn man das System richtig verstanden hat, kann man bestimmen, was passieren wird und man wird orange Petunien und blaue Rosen bekommen."

    Wenn man die perfekte Rose schaffen könnte, wie würde sie aussehen? Natürlich muss sie schön sein und leuchtende Farben haben. Sie muss gegen Schädlinge resistent sein, darf nicht zu viele Stacheln haben, sie sollte lange haltbar sein und unwiderstehlich duften. Der wichtigste Aspekt einer perfekten Rose ist aber ihre Farbe. Rote Rosen haben nicht umsonst den Ruf, Türöffner zum Herzen einer Frau zu sein. Oder können sie sich einen Rosenkavalier vorstellen, der seiner Angebeteten graue Rosen als Zeichen seiner Zuneigung schenken würde? Bei der perfekten Rose müssen deshalb in erster Linie die Blütenblätter in ihrer Farbe überzeugen.

    Dabei stehen Rosenzüchtern viele Hürden im Weg. Nicht alle Farben sind durch einfache Kreuzungsexperimente machbar. Obwohl Rosenzüchter seit Jahrhunderten intensiv an allen nur erdenklichen Farbkombinationen züchten, ist eine Farbe unmöglich: ein reines Blau. Diese Blütenfarbe ist mithilfe konventioneller Kreuzungsmethoden unmöglich. Die niedrigen pH-Werte in den Rosen verhindern diese Farbe und geben den Blumen immer einen rötlichen Schatten, der die Blumen lila wirken lässt. Aber selbst vermeintlich einfache Farben zu züchten, wie etwa eine weiße Rose, ist nicht einfach, sagt
    Amin Chanin, Botaniker bei Kordes-Rosen in Sparieshoop, einem großen Rosenzüchter in Norddeutschland. Ein rein leuchtendes Weiß ist auch nach Generationen von Rosenzüchtern noch immer nur schwer zu erreichen.


    " Das ist sehr schwierig. Man sieht das immer bei der größten Blumenaustellung in der Welt, (die) findet jedes Jahr in Amsterdam statt. Die tun immer die Farben nebeneinander von den Mitbewerbern. Und da sieht man alle weißen Sorten nebeneinander, dass eine Sorte richtig weiß ist und die anderen sind doch nicht weiß. Gut, wenn man die Sorten im Einzelnen sieht, dann sagt man "Die ist weiß, das reicht." Aber wenn man sie nebeneinander sieht, dann ist es doch ein Unterschied."

    Amin Chanin blickt sich um. Er steht in dem Gewächshaus, in dem die Grundlagen für neue Züchtungen geschaffen werden. Einige Arbeiterrinnen zerpflücken hunderte Blütenköpfe, um die Pollen für Bestäubungen zu gewinnen. Im Hintergrund sieht man tausende Zuchtrosen in den verschiedenen Stadien, angefangen von kleinen noch Blütenlosen Pflanzen bis hin zu großen Pflanzen mit unzähligen Blüten. Diese unterscheiden sich nicht nur in der Größe, sondern auch in der Form und Farbe. Amin Chanin zeigt auf einen langen Tisch. Dort stehen viele Gruppen von kleinen Setzlingen. Diese hat er im vergangenen Jahr bestäubt. Jede Gruppe steht dabei für eine neue Kreuzung, die eines Tages der große Verkaufsschlager werden könnten. Chanin:

    " Also, hier in diesem Haus sind das die Mutterpflanzen für die Züchtung von Schnittrosen, die Sorten sind immer in Reihen. Wir brauchen immer pro Sorte mehr als acht Töpfe um genügend zu produzieren, damit wir genügend Anzahl an Blumen bestäuben können."

    Im Schnitt dauert es vier Jahre, bis eine Neuzüchtung so weit ist, dass sie in den Handel kommen kann. Diese relativ kurze zeit ist für den Botaniker aber ein Dilemma. Denn der heutige Wunsch eines Kunden - etwa der nach einer grellorangen Rose - kann in vier Jahren längst ein alter Hut sein. Den Züchtern bleibt also nur die vage Hoffnung, dass die neuen Kreationen den Farbwünschen der Kunden entsprechen. Was sich die Kunden momentan in Deutschland wünschen, weiß Amin Chanin genau:

    " Die Sonnenscheinfarben sind wichtig, also orange, gelb, sehr wichtig und zweifarbig. Man merkt schon seit vielen Jahren, dass sich Europäer aufgrund wahrscheinlich dieser Lichtmangel und so, dass sie sich immer nach Sonnenscheinfarben sehnen und dann kaufen sie immer gelb, gelborange oder rotgelb, diese leuchtenden Farben. "

    Eine Rose, die noch vor zehn Jahren ein Verkaufsschlager war, genügt den heutigen Erwartungen längst nicht mehr. Die Größe der Blüten etwa hat in den vergangenen Jahren stets zugenommen. Aber nicht nur die Größe der einzelnen Blütenblätter nahm beständig zu, sondern auch ihre Zahl. Den fünf ursprünglichen Blütenblättern einer Wildrose im Wald stehen heute dichtgepackte Blütenköpfe als wirtschaftliches Produkt auf den Verkaufsständen gegenüber. Die Rosen dürfen nicht zu teuer sein und müssen auch durch andere Eigenschaften bestechen, erklärt Chanin:

    " An erster Stelle ist die Blütenfarbe, Haltbarkeit, Ertrag, Stachellosigkeit, gute Stielqualität, guten Hals, schönes Laub, Duft natürlich sehr wichtig, aber Duft kombiniert, widerspricht natürlich mit der Haltbarkeit von Blumen."

    Der Duft einer Rose ist die Vergänglichkeit par exellence. Rosen, die stark duften, wie zum Beispiel kleine Gartenröschen, verwelken schnell. Dass sich Duft und Haltbarkeit ausschließen, ist ein aktuelles Problem vieler Rosenzüchter.

    Dieses Thema interessiert längst nicht mehr nur die Rosenzüchter, die darin ein wirtschaftliches Problem sehen. Auch für die Grundlagenforschung ist diese Fragestellung interessant. Der Genetiker Thomas Debener verfolgt dieses Problem seit einiger Zeit:

    " Es gibt die Vermutung vieler Züchter, dass die strenge Selektion auf Haltbarkeit nach dem Schnitt der Pflanzen gekoppelt ist an den Verlust des Duftes. Es kann auch sein, dass aufgrund der genetischen Einengung des Pools der Schnittrosen spontan der Duft in Schnittrosen verloren gegangen ist."


    Der Preis der Haltbarkeit ist der Verlust des Duftes. Schon lange sind die Zeiten vorbei, in denen man in ein Blumengeschäft ging und vor lauter Düften wie benommen war. Da die Haltbarkeit der Rosen im Vordergrund der Züchtungen stand, ist der Duft unbeabsichtigt ausgekreuzt worden, sagt der Professor für allgemeine und molekulare Pflanzenzüchtung an der Universität Hannover:

    " Ich glaube aber mittlerweile, dass es schon einen mechanistischen oder kausalen Zusammenhang gibt. Wenn es keinen Kausalzusammenhang zwischen Duft und Haltbarkeit in der Vase gäbe, wären sicherlich schon die ersten Erfolge aufgetaucht."

    Blumenzüchter, die in großem Stil Kreuzungen vornehmen, zählen längst keine Erbsen mehr wie 1865 der Augustinerpater Gregor Johann Mendel, der als Entdecker der Vererbungslehre gilt. Im Klostergarten in Brünn entdeckte er mit Erbsenkreuzungen die Grundlagen der genetischen Vererbung und damit auch die der Blumenzüchtung. Es gelang ihm, durch Kreuzungsversuche mit reinrassigen Zuchtformen, die sich nur in wenigen Genen unterscheiden, die Vererbungsgesetze zu beschreiben. Von vorhersagbaren Kreuzungsergebnissen wie zu Mendels Zeiten können Blumenzüchter nur träumen, da Rosen im Gegensatz zu den genarmen Mendelerbsen tausende Gene enthalten, die die Eigenschaften einer Rose bestimmen. Noch schwieriger als die Einkreuzung neuer Farben ist die Kreation neuer Düfte.

    " Das ist sicherlich nicht so einfach, weil der Duft einer Pflanze, gerade bei Rosen ein sehr komplexer Cocktail ist, aus einer Reihe von chemischen Substanzen, flüchtigen chemischen Substanzen, man hat - ich glaube mittlerweile hundert verschiedene Substanzen in Rosen identifizieren können und jede duftende Rose ist aus einer größeren Zahl verschiedener Komponenten oder der Duft jeder duftenden Rose ist aus einer größeren Zahl an Komponenten zusammengesetzt."

    Thomas Debener versucht herauszufinden, wie sich Düfte vererben. In ersten Experimenten kombinierte er dabei klassische Zuchtansätze mit molekularen Untersuchungen.

    " Ziel dieser Untersuchung soll langfristig sein, festzustellen, ob es wirklich einen Kausalzusammenhang zwischen Haltbarkeit und Duft gibt oder ob man diesen Zusammenhang, wenn es diesen gibt, durchbrechen kann oder ob er so stark ist, dass man sich für eine der beiden Seiten stark duftend oder hohe Haltbarkeit entscheiden muss, aber das ist noch völlig unklar."

    Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass es in der Emission des Duftes eine bestimmte Rhythmik gibt und die Blüte über ihren Alterungsprozess hinweg ihr Duftprofil stetig ändert. Einige Enzyme, die an der Biosynthese der Duftkomponente mitwirken, konnten die Forscher bereits isolieren. Das ist aber erst der Anfang. Debener:

    " Inwieweit man irgendwann man in der Lage sein wird, nicht duftende Rosen durch die Übertragung der Gene zu duftenden Rosen zu machen, hängt aber natürlich stark von der Frage ab, ob die Duftemission an die Haltbarkeit gekoppelt ist, dass man also unter Umständen durch eine Verschiebung der Duftprofile oder durch die Verstärkung der Duftemission dann wieder Haltbarkeitsprobleme zur Folge hat, das kann natürlich passieren."

    Die Entscheidung zwischen einer stark duftenden, aber kurzlebigen Blume und einer schwach duftenden, aber langlebigen Rose, fällt den Züchtern nicht schwer. Die Haltbarkeit von Rosen ist ein stärkeres Argument als ein zarter Duft. Und auch nur lang haltbare Rosen können einen hohen Preis rechtfertigen.

    Die Haltbarkeit von Schnittblumen ist das große Thema der Schnittblumenindustrie. Denn die Blumen, die man hier im Geschäft kaufen kann, werden nicht in Deutschland angebaut, sondern meist in Übersee. Deshalb gibt es ein erhebliches Interesse seitens der Schnittblumenindustrie, möglichst haltbare Blumen zu züchten.

    " So, das ist jetzt ein ziemlicher Weg, weil wir sind jetzt auf neun und müssen auf vier."

    Nordengland, Universität Leeds. Peter Meyer ist auf dem Weg in sein Labor. Im Laufe der Jahre hat sich durch einige Forschungserfolge der Etat des Genetikprofessors vergrößert und damit auch seine Forschungsräumlichkeiten. An der alten Universität reichte es aber bislang nicht für einen Neubau von Laboren. Deshalb verteilen sich die Forschungseinrichtungen von Peter Meyer quer über die Universität und für den Weg vom Büro ins Labor muss er die Etage wechseln. Im Zellkulturlabor werden pflanzliche Zellen in einem Nährmedium außerhalb des Organismus kultiviert. Peter Meyer forscht seit Jahren an Petunien. Die zu den Nachtschattengewächsen gehörenden Blumen zeichnen sich durch viele Blüten aus. Auch er sieht das Hauptinteresse der Industrie in der Haltbarkeit der Schnittblumen. Meyer:

    " Das ist hauptsächlich interessant für lange Transportwege und deswegen gibt's da mehr Interesse in Kenia oder vielleicht auch in Kolumbien wo Blumen gemacht werden und die dann heutzutage ja noch sehr aufwendig und energieaufwendig in Flugzeugen transportiert werden."

    Langhaltbare Schnittblumen hätten zwar einen enormen Markt, aber möglicherweise nicht unbedingt die Wirkung, die sich hiesige Blumenzüchter wünschen.

    " Solche Sachen könnte man dann auch langfristig transportieren ohne große Kühlketten auf Schiffen, das hat so Vor- und Nachteile, der Vorteil ist der Transportweg, der Nachteil ist, sie bringen dann natürlich auch Konkurrenten aus sehr weit entfernten Gebieten auf den entsprechenden Markt, deswegen ist, glaube ich in Europa niemand darin interessiert."


    Aber nicht nur die Konkurrenz wäre für den heimischen Floristen ein Problem. Meyer:

    " Und das andere Problem ist natürlich auch, wenn sie jetzt in einem Blumenladen etwas verkaufen, was sich ewig hält, wo sie die Blume praktisch nur noch abstauben müssen, aber ansonsten ist niemand da, das ist nicht im Interesse des Verkäufers denke ist, denn der möchte natürlich schnellen Umsatz haben."


    Dass in der Forschung, die eng an die Wirtschaft gekoppelt ist, ganz andere Interessen im Vordergrund stehen, sieht Peter Meyer mittlerweile gelassen.

    " Wenn ich den ganzen Blumenmarkt richtig verstehe, das hat weniger damit zu tun, was man alles kann oder theoretisch könnte, hat mehr damit zu tun, dass der Markt eigentlich erlaubt, ich glaube, das gibt es sehr viele Konkurrenzsituationen, alles sehr schwer zu durchschauen."

    1987 sorgte Peter Meyer - damals noch am Max-Planck-Institut in Köln - für großes öffentliches Interesse. Der Grund: Er hatte 30.000 genmanipulierte Petunien in einem Freilandversuch angebaut. Das war der erste Freilandversuch mit transgenen Pflanzen überhaupt. Das Besondere an diesen Versuchen war, dass die Forscher durch eine kleine Veränderung am Genom der Petunie die Farbe verändern konnten.

    " Ja, den Farbstoff, also dieses Lachsrot, der dann in der Petunie entsteht, den gab's vorher nicht."

    Im Prinzip ist die Farbänderung mittels Gentechnik nicht schwierig. Rosen bilden ihre Blütenfarben mithilfe von drei verschiedenen Pigmentvariationen: mit einem etwas orangefarbenen Rot, einem etwas mehr bläulichem Rot, dass schon ein wenig in Rosa übergeht und das dritte ist das dunkle Blau. Meyer:

    " Und aus diesen drei Pigmenten kombinieren alle Pflanzen ihre Blütenfarben. Petunien machen nicht diesen orangefarbenen Stoffwechselweg, Mais macht das. Und wenn man jetzt eine Petunie nimmt, die weiß ist, weil sie ihre normalen anderen Farbwege alle abgeschaltet hat und führt dann dieses Gen aus dem Mais ein, was Teil dieses orangefarbenen Stoffwechsels ist, dann wird diese Blüte eben Orangefarben, sie kriegen eine neue Farbe, die es normalerweise in der Petunie gar nicht gibt."

    Die 30.000 lachsroten Petunien in Köln waren aber nur der Anfang seiner Forschung, aber das Ende seiner wissenschaftlichen Karriere in Deutschland.

    " Und in Deutschland ist es halt so, dass doch zeitweilig das Pendel ziemlich stark ausgeschlagen ist in die Richtung, dass alles was transgen ist, also die transgene Pflanze wurde im Grunde genommen analog gesehen zu einem Gift oder irgendeiner hohen Gefährdung. Alles was transgen war per Definition war eine Gefährdung. Das ging ja schon soweit, dass Leute argumentiert haben, dass Gen, der Begriff Gen an sich ist schon gefährlich, da sieht man ganz klar, dass da ein Mangel da ist an Information, was ist überhaupt ein Gen, was ist transgen und was bedeutet das alles."

    Das fehlende Wissen um die Gentechnik und die damit verbundene Ablehnung der Öffentlichkeit waren ein Grund, warum Peter Meyer seine Forschungen nach England verlagert hat.

    "Also damals war es schon zum Teil recht übel, da wurden Leute - auch meine Kollegen schon sehr, na ja in der Öffentlichkeit relativ übel zum Teil beschimpft. Das haben wir sicherlich auch Probleme gehabt und es machte auch überhaupt keinen Spaß, diese Debatte zu führen, weil sie dann auch sehr schnell einen politischen Bereichen, in diese politischen Bereiche abdriftete. Es ging eben nicht um die Petunie an sich, das war gar nicht das Problem"

    Das Problem der Gendebatte für Peter Meyer ist, dass es einfach nur zwei Positionen gibt: Pro oder Kontra.

    " Also, ich glaube damals hat dieser Versuch so ein bisschen so eine symbolhafte Funktion gehabt. Der Versuch selber war glaube ich in keiner Weise irgendwo mit einem Gefahrenpotential belegt, also selbst die schlimmsten Kritiker haben gesagt: "Dieser Versuch ist so etwas von harmlos", was dann aber immer so rumgedreht wurde, "der ist bewusst harmlos", ja, damit man etwas Harmloses anfängt und wer weiß, wo das endet?"

    An dieser Diskussion hat sich seit 1987 nicht viel geändert.

    " Ich glaube in Deutschland ist man noch nicht sehr viel weiter, man ist immer noch bei der Debatte, die fast schon religiös ist. Entweder man ist ein Anhänger dieser Technologie oder man ist ein Kritiker dieser Technologie. Es wir nie diskutiert, welche Konsequenz hat es, wenn wir es nicht. Es ist immer debattiert worden, dass wenn man diese Technologie nicht macht, ist alles in Ordnung, also warum soll man es überhaupt einsetzen? Ich weiß nicht, ob sich bis heute das was dran geändert hat, aber so war die Situation vor 15 Jahren."

    Eine solche öffentliche Aufmerksamkeit brauchen Paula Eloma und Teemu Teeri in Finnland nicht zu fürchten. Die beiden Genetiker der Universität von Helsinki arbeiten seit zwei fast zwei Jahrzehnten an der genetischen Entschlüsselung der Schnittblume Gerbera. Ähnlich wie Peter Meyer die Farbvariationen bei Petunien veränderte, versuchten die beiden finnischen Genetiker, durch Gentransfer verschiedene Farbkombinationen bei Gerbera zu schaffen, die auf herkömmlichen Kreuzungswege nicht möglich sind. Die Blütenfarben dienten ihnen dabei als optische Marker, ob und wie man das Baukastenprinzip der Vererbung von Blütenfarben untersuchen und benutzen kann.

    Wir begannen damit, das System zu ergründen, indem wir uns die Farben ansahen und haben dann die Farben markieren und kultivieren können. Dadurch bekamen wir verschiedene Pigmentationsmuster in verschieden Blumen.

    Temmu Teeri wollte genau die Gene finden, die für die entsprechende Farbgebung verantwortlich sind.

    " Später begannen wir damit, den Prozess zu analysieren, wie die Gene angeschaltet und auf welchem hierarchischem Level sie wann zur gleichen Zeit reguliert werden."
    Teemu Teeri hat in den vergangen Jahren mit seiner Kollegin Paula Eloma das breite Spektrum an den verschiedensten Farbvariationen sehen und entschlüsseln können. Das schafften sie, indem sie bestimmte Gene ausschalteten oder in andere Pflanzen überführten:

    " Am Anfang unserer Forschung haben wir uns hauptsächlich mit den Genen beschäftigt, die die Blütenfarbenbiosynthese über den so genannten Flavonoid-Signalweg regulieren. Und in diesem Fall schafften wir es, diese Gene genau zu charakterisieren und zu verstehen, wie sie in welcher Mischung sie arbeiten."

    Die beiden finnischen Forscher waren sogar doppelt erfolgreich. Zum einen konnten sie die Gene charakterisieren, die für die Farbentstehung wichtig sind. Zum anderen schafften sie es, diese Erbanlagen nicht nur zu verstehen, sondern sie auch spezifisch einzusetzen: Sie können heute einzelne Gene in eine Blume einschleusen und dadurch jede beliebige Farbe mit einer Art Baukastenprinzip kreieren, indem sie bestimmte Gene einfach einsetzen, an- oder ausschalten. Eloma:

    " Später gelang es uns, auch andere, Dutzende von Genen zu isolieren. Während der letzten Jahre haben wir dann in einem großem Projekt Dutzende, mehr als 17.000 Gene sequenzieren können."

    Die Arbeit an Schnittblumen im Genetiklabor ist für Teemu Teeri im Prinzip nur an eine Schwierigkeit gebunden:

    " Alles beginnt damit, dass man wirklich versteht, wie etwas funktioniert. Was zum Beispiel einer Petunie fehlt, weil sie nicht orange ist oder was einer Rose fehlt, da sie nicht blau sein kann. Und sobald man die verschiedenen Gründe dafür erforscht und versteht, dann kann man einen Plan erstellen und das fehlende Stück einfügen. Und wenn man das System richtig verstanden hat, kann man bestimmen, was passieren wird und man wird orange Petunien und blaue Rosen bekommen."


    Man muss also theoretisch nur das System verstehen und kann dann über einen Gentransfer alle nur erdenklichen Farben schaffen. Doch in der Praxis ist dieses Baukastensystem weitaus komplizierter. Bei manchen Blumen sind neue Farbkreationen leichter zu erreichen als bei anderen. Der bloße Gentransfer ist aber nicht das Problem der Genetiker; die Überführung eines Gens von einem Organismus in einen anderen ist das Handwerk, das alle Genetiker beherrschen. Die große Herausforderung ist das Aufspüren der spezifischen Gene, die für die gesuchte Funktion - in diesem Fall die Bilder einer bestimmten Farbe - verantwortlich sind.

    Solche spezifischen Gene sucht Peter Meyer in den Erbanlagen der Petunien in Leeds. Wegen der üblichen Sicherheitsvorkehrungen in den Genlabors muss jeder, der das Labor betreten will, in einer Schleuse einen Schutzkittel anziehen. Meyer:

    " Ahm, ich muss gerade mal gucken, welche Größe wir hier haben, steht nicht drin, dann müssen wir das probieren, versuchen sie mal ihr Glück, mir sind die immer alle zu klein. Na der geht, der ist gut, oder? Da geht's eigentlich nur darum, dass die Leute, die sonst in anderen Bereichen arbeiten halt ihre weißen Kittel haben und dann in anderen Bereichen ausziehen, wenn sie hier reinkommen, die blauen Kittel anhaben."


    Ein Mitarbeiter kommt herein und fragt, ob ich mich in das Sicherheitsbuch eingetragen habe.

    Meyer: " This is Ian. "

    Ian: " So, he is on the book, yes he did?"

    P. Meyer: " So, reiner Formalismus, nur kurz ihren Namen hier reinschreiben, hat irgendwas mit Feuerregulation zu tun, wenn's brennt, damit man weiß, wer gerade noch drin ist."

    Ich: " Was schreibe ich bei "Detail"?"

    P. Meyer: " Einfach nur Visitor. Das ist schon okay, wir haben es Gott sei dank noch nie probiert."


    Der Weg in die Zellkultur ist noch durch eine Tür versperrt, die sich nur mit einem persönlichen Zahlencode öffnen lässt.

    Die Lüftungsanlage ist unglaublich laut.

    " So, jetzt sind wir hier in der Zellkultur, praktisch wo unter sterilen Bedingungen einzelne Pflanzenzellen dann hinterher wieder zu ganzen Pflanzen wieder regeneriert werde, nachdem dann eben zum Teil einzelne Gene da eingeführt werden."

    In der Zellkultur ist es kalt, hell und laut. Die Zellen, die sich zu vollständigen Pflanzen entwickeln sollen, haben hier ideale Bedingungen. Optimales Licht, ausreichend Wasser, keine Schädlinge, ideale Temperatur. Auf kleinen Petrischalen sind verschiedene Keimlinge mit Silikon befestigt. Pro Schale jeweils ein Keimling einer Petunie. Die Keimlinge unterschieden sich deutlich in der Form, Farbe, Größe und Verzweigung. Das muss auch so sein, denn bei dem jedem Keimling wurde jeweils ein Gen verändert. Meyer:

    " Und dieses Gen ist im Grunde genommen auch aus einer Petunie isoliert worden in einem Versuch, wo wir ganz zufällig wirklich Gene aktiviert haben und geschaut haben, wenn man das jetzt zufällig macht, wo findet man eine Situation, wo man einen bestimmten Phänotyp sieht. Also in diesem Fall zum Beispiel hatten wir unter 10.000 Pflanzen, die alle unterschiedliche Gene aktiviert hatten, diese eine Pflanze, die diesen bestimmten Hormonproduzierenden Phänotyp zeigte und worauf wir dann eben auch dieses Gen isolieren konnten, was für die Hormonproduktion zuständig war."


    10.000 Pflanzen bedeuten 10.000 einzelne Experimente um ein Gen zu finden, dem Peter Meyer eine spezifische Funktion zuordnen kann.

    " Ich glaube, das Wichtige wird sein, nicht nur dass man diese Gene alle exponieren kann, sondern dass man sie sehr kontrolliert exponieren kann, das wird dann nämlich die Hauptaufgabe sein, das ist enorm wichtig, denke ich."

    Forscher wie Peter Meyer betreiben aber nur Grundlagenforschung. Ob seine Erkenntnisse eines Tages für die Industrie relevant sein könnten, bestimmen seiner Meinung nach ganz andere Mechanismen.

    " Das beste Beispiel ist das mit diesem Transport von Schnittblumen und der Haltbarkeit, das ist per Definition etwas, was man nicht vermarkten kann. Wenn sie heute eine Firma haben, sie stellen ein Produkt her und dieses Produkt hält ewig, dann ist das ein Rezept, um sofort Pleite zu gehen. Das ist das Problem."

    Obwohl das Wissen und die Möglichkeiten für die Kreation neuer Blumen vorhanden ist, sind die meisten Forschungsansätze in der Molekulargenetik viel pragmatischer. Häufig geht es vor allem um die direkte Lösung von Problemen, etwa um eine Schädlingsresistenz. Die Forschung und die Industrie hoffen mit der Gentechnik, das entscheidende Werkzeug gegen Ungeziefer und Krankheiten in der Hand zu haben.

    Thomas Debener in Hannover interessieren nicht nur die molekulargenetischen Zusammenhänge von Duft und Haltbarkeit, sondern vor allem die Krankheiten von Rosen. Rosenzüchter und Floristen haben ständig mit Pilzbefall von Mehltau oder Sternrußtau zu kämpfen.

    " Unser Schwerpunkt ist die Resistenz von Rosen gegen verschiedene Schaderreger, Schwerpunkt dabei der Sternrußtau, aber auch echter Mehltau und falscher Mehltau. Wir versuchen, Resistenzgene zu katalogisieren, um einmal in der Anwendungsschiene unserer Arbeit, Methoden zu entwickeln, um Resistenzzüchtung effektiver gestalten zu können. Und zum zweiten versuchen wir auch die Genetik und Molekularbiologie der Resistenzgene zu untersuchen. Also wir versuchen, Resistenzgene aus Rosen zu isolieren."

    Dazu untersuchte Thomas Debener Rosen aus verschiedenen Botanischen Gärten mit der Hoffnung, dort Resistenzgene zu finden. Je nach Befall muss der Pilz möglichst schnell detektiert werden, um dann den Grad der Anfälligkeit und der Resistenz bestimmen zu können. Mit der Zeit konnte er so verschiedenen Genotypen bestimmen, die für die unterschiedlichen Grade von Anfälligkeiten und Resistenzen verantwortlich sind.

    " Mit dem Ziel, einmal Abwehrmechanismen in Rosen genauer charakterisieren zu können auf der Grundlagenseite und für die Anwendung dann diese Erkenntnisse, die wir aus der Analyse der Resistenzgene gewonnen haben, dann in die Praxis einsetzen zu können, um Resistenzzüchtung effektiver zu machen. Das kann einmal bedeuten, dass man molekulare Diagnosemethoden einsetzt, um schneller zu resistentem Pflanzenmaterial zu kommen, kann aber auch dazu führen, dass man isolierte Gene im transgenen Ansatz einsetzt, um über Gentechnische Veränderungen Resistenzen erzeugt."

    Im Laufe der Zeit konnten die Hannoveraner Forscher Gendatenbanken erstellen, die alle bislang isolierten Gene verschiedener Rosenkrankheiten wie etwa die vom Sternrußtau enthalten.

    " Wir wissen, dass bestimmte molekulare Marker ohne große Probleme selbst zwischen höheren taxonomischen Gruppen innerhalb der Gattung ROSA übertragbar sind und damit kann man natürlich solche Untersuchungen wie Genbanken allgemein bei Rosen einsetzen. Wir sind bei den Resistenzgenen noch nicht endgültig erfolgreich gewesen, wir haben eine Genfamilie von rund zehn Resistenzgenkandidaten isoliert, die wir jetzt im Moment weiter untersuchen, um den einen Kandidaten zu identifizieren, der zum Beispiel für die Sternrußmehltauresistenz, der eins, die wir bisher charakterisiert hatten, zuständig ist."

    Für die Schnittblumenindustrie ist die Forschung an Resistenzgenen bislang aber eher zweitrangig. Die Züchter Blumen nach Haltbarkeit und Farbe und wenn eine in dieser Hinsicht gelungene Blume an Pilzbefall leidet, setzen sie großflächig Pflanzenschutzmittel ein. Nach einer Alternative sehen sie sich bislang nicht um. Für Thomas Debener könnten die Gelder, die mit Schädlingsgiften weltweit jeden Tag versprüht werden, jedoch sinnvoller in der Resistenzforschung investiert werden. Gelingt es, Pilzresistente Blumen zu züchten, bräuchten die Züchter weniger Pflanzenschutzmittel einsetzten, was nicht nur eine Erleichterung für die Umwelt wäre, sondern auch die Kosten erheblich senken würde.

    " Und das hat zweierlei Konsequenzen, zum einen wird die Belastung beim Produzenten herabgesetzt und zum zweiten sind Rückstände, die auch beim Verbraucher für Probleme sorgen können auch wahrscheinlich reduziert."

    Aber diese Probleme sind für viele große Blumenzüchter nebensächlich. Die Manager der australischen Firma Florigene haben beispielsweise etwas ganz anderes vor. Sie wollen mit transgenen Methoden das Nonplusultra in der Blumenindustrie erschaffen. Sie wollen eine blaue Rose kreieren, die die Welt im Sturm erobern soll. An diesem Ziel arbeitet die Firma seit mehr als 18 Jahren. Der erste Schnitt - blaue genmanipulierte Nelken zu kreieren - ist bereits gelungen. In Deutschland steckt der Vertrieb der blauen Nelken aber noch in den Kinderschuhen. Willi Stefan von BIGI Blumen im hessischen Wettenberg nahe Gießen vertreibt als einziger Händler in Deutschland die blauen Nelken von Florigene und steht mit der australischen Betreiberfirma in engem Kontakt. Willi Stefan:

    " Also, die Serie sind schon sechs Produkte im Innenbereich, wobei der Ursprung eigentlich darin lag, dass man eine blaue Rose entwickeln wollte. Das hat dann im Laufe der vielen Forschungsjahre nicht so ganz funktioniert, weil man nicht die nötigen Produkte gefunden hat für die Kreuzung und die Farben sehr verwaschen waren und nicht so klar, wie man sich das vorgestellt hatte. Das waren immer so melierte Farben, nie so ein rein natürliches, natürlich wirkendes Blau."


    Ein reines Blau in Rosen zu etablieren schien nahezu unmöglich. Zu viele Faktoren verhindern diese unnatürliche Farbgebung, zum Teil fehlen schon die Vorraussetzungen, etwa entsprechend hoher pH-Wert. Und selbst die Grundvorrausetzungen bei den wesentlich einfacheren Nelken waren nicht ideal, sagt Willi Stefan:

    " Der einzige Nachteil, den dieses Produkt für uns hier hat, das liegt aber da dran, dass die Mutterpflanze, die ursprüngliche Pflanze, in die das Gen hineingekommen ist, sehr kleinwüchsig war und sehr wenig Blumen produziert hat, und jetzt dadurch auch das Produkt selber, dadurch nicht mehr eigentlich von der Qualität her aktuell ist, sondern nur durch die Farbe aktuell. Sie ist also immer etwas schlanker und zierlicher wie andere vergleichbare Spraynelken."

    Willi Stefan sieht das Problem in der richtigen Blaufärbung. Der Kunde möchte keine melierten Farben, sondern wenn er schon mehr Geld für eine außergewöhnliche Blume ausgeben soll, dann müssen die Blumen leuchtende Farben haben. Aber das ist bei Nelken schon nicht einfach und bei Rosen ist es noch schwieriger. Trotzdem gibt er sich optimistisch.

    " Die blaue Rose wird es irgendwann in irgendeiner Form geben. Nur ob, dass in naher Zukunft ist, ist dahin gestellt. Soweit ich weiß, sind schon über 30 oder 40 weiße Rosensorten ausprobiert worden und man hat noch nicht die richtige Kombination gefunden."

    Dennoch verkauft Florigene Stück für Stück die blauen Nelken und die Gerüchte mehren sich, dass die blaue Rose - das Sinnbild für das Unerreichbare - schon bald auf den Markt kommen soll. Aber selbst wenn die blaue Rose existiert, in allen Anforderungen den Ansprüchen der Kunden und den Rosenverbänden genügt, sind noch juristische Hürden in jedem Vertriebsland zu überwinden, da genmanipulierte Pflanzen nicht einfach in den Handel gelangen können. Aber diese Probleme sind für Willi Stefan Zukunftsmusik:

    " Letztlich ist es und bleibt es eine geile Farbe, die jeden eigentlich anspricht, er muss nur bereit sein, dass Geld dafür zu bezahlen."

    Und wenn man es tatsächlich schaffen sollte, eine Rose zu kreieren, die eine perfekt strahlend blaue Blütenfarbe hat, die gegen sämtliche Schädlinge resistent ist, bezaubernd duftet und sich lange hält, fehlt nur noch eins: der perfekte Name!

    Schaut man die Namen vergangener oder noch bestehender Rosensorten an, glaubt man kaum, dass es sich hierbei tatsächlich um Rosen handelt.

    Abrakadabra, Aachener Dom, Bobbie James, Bonanza, Bremer Stadtmusikanten, Christel von der Post, Gruss an Aachen, Insel Mainau, Raubritter, Schneewittchen, Zwergkönigin.

    Die Palette der Namen scheint unendlich. Aber nicht nur Städte, Gebäude oder Märchen sind Namensgeber, sondern auch reale Personen. Amin Chanin steht vor einem Regal in Sparieshoop, auf dem sämtliche aktuelle Namensetiketten aufbewahrt werden.

    Chanin: " Wenn Sie jetzt hier sehen, Lili Marlen, das ist unser Schutzetikett, jede Pflanze von uns bekommt das Etikett."

    Autor: " Liegt Uwe Seeler auch hier?"

    Chanin: " Ja, aber ich glaube, wir haben sie aus dem Programm raus. Also das ist schon vorbei, Uwe Seeler ist vorbei. Oder hier, Heidi Kabel ist auch nicht mehr."

    Obwohl es für einen einzelnen eine große Ehre ist, dass eine Blume nach ihm benannt wird, nehmen die Züchter zunehmend Abstand davon. Denn der Ruhm vieler Personen ist noch vergänglicher als der Duft einer zarten Rose.