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Auf der Suche nach der Spritze gegen AIDS

"In fünf Jahren werden wir eine Schutzimpfung gegen AIDS haben", das sagte Robert Gallo kurz nach der Entdeckung des Virus. Gut 20 Jahre später gibt es immer noch keinen Impfstoff, der vor einer Ansteckung mit HIV schützt. Anlässlich des Weltaidstages hat sich Gallo wieder über Fortschritte bei seinem Impfstoff geäußert. In etwa einem Jahr wolle er mit klinischen Versuchen beginnen. Doch die Experten sind kritisch.

Studiogespräch mit Martin Winkelheide | 01.12.2005
    Winkelheide: Robert Galloist immer gut darin, Forschungsfortschritte lautstark an die Öffentlichkeit zu bringen. Über den Impfstoff ist relativ wenig bekannt. Er sagt selber, dass der Impfstoff dazu führt, dass Antikörper gegen das Virus gebildet werden. Ein Problem ist, dass diese Abwehrmoleküle im Tierversuch nur vier Monate lang nachweisbar waren. Es müsste also häufig geimpft werden. Man muss also vorsichtig sein, was er sagt.

    Bekannt ist aber, dass er seit einigen Jahren an einem sehr interessanten Impfstoffkonzept arbeitet. Der Impfstoff setzt genau da an: Wenn das Virus versucht in die Zelle rein zu kommen und dann Eiweiße frei gibt, frei klappt sozusagen, die normalerweise nicht angreifbar sind für das Immunsystem. Das genau hat er als Ziel gewählt. Gegen dieses Ziel sollen sich dann Abwehrmoleküle richten. Aber selbst wenn der Impfstoff im Labor gut funktionieren würde, müsste man ihn erst mal an Menschen ausprobieren. Das heißt, erste Ergebnisse von diesem Impfstoff hätte man frühestens in fünf Jahren.

    Frage: Warum halten es denn viele nach wie vor für sehr schwierig bis unmöglich, einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln?

    Winkelheide: Nach wie vor ist das Problem, dass das AIDS-Virus sehr variabel ist. Die Viren unterscheiden sich immer noch sehr stark untereinander. Man müsste eine Struktur finden, die bei allen Viren gleich ist. Das ist bislang nicht gelungen.

    Die andere Schwierigkeit ist, das Immunsystem dazu zu bringen, Abwehrmoleküle zu entwickeln, die das Virus sofort neutralisieren. Sonst würde das Virus in eine Zelle hineinkommen und das Erbgut dort in der Zelle festschreiben. Dann wäre das Virus nicht mehr aus dem Körper zu entfernen. Alle bekannten Impfstoffansätze und die im Feldversuch getestet werden gehen einen anderen Weg. Sie wollen das Immunsystem stark machen, bereits infizierte Zellen zu erkennen und abzutöten. Das wären Impfstoffe, die nicht vor einer Ansteckung schützen, sondern die die Zahl der infizierten Zellen im Körper senken. Das wäre so etwas ähnliches wie das, was heute mit Medikamenten versucht wird.

    Frage: Was ist denn, wenn es in den nächsten Jahren nicht gelingt, einen hundertprozentigen Impfstoff zu erzeugen?

    Winkelheide: Das ist ein Problem, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Es ist eher unwahrscheinlich, dass es den hundertprozentig schützenden Impfstoff geben wird. Deshalb haben Forscher überlegt, ist es verantwortlich, einen Impfstoff einzusetzen, der nicht das erfüllt, was man von einem Impfstoff normalerweise erwarten würde? Sie haben auch Szenarien entwickelt, was man machen könnte. Es sind sehr vorsichtige Vorschläge. Sie sagen, wenn man einen Impfstoff 2015 hätte, wo auszugehen ist, dass sich jährlich zehn Millionen Menschen anstecken könnten, wenn es keinen Impfstoff gibt, und man würde dann einen Impfstoff einsetzen, der zu 40 oder 50 Prozent wirksam ist, dann hätte man trotzdem einen Effekt.

    Hinter diesen Konzepten muss man ein großes Fragezeichen setzen. Es wäre ein Impfstoff, der weniger wirksam wäre als man glaubt. Das Risiko wäre dann, dass die Leute sich unvorsichtiger verhalten, riskanter leben und dann könnte ein solcher Impfstoff natürlich im schlimmsten Fall kontraproduktiv sein.
    HIV-Bestandteile sollen das Immunsystem gegen AIDS trainieren.
    HIV-Bestandteile sollen das Immunsystem gegen AIDS trainieren. (amnh.org)