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Auf Nishidas Denken konzentriert

Nishida Kitaro gilt als "Vater der Kyoto-Schule" und Begründer der modernen Philosophie in Japan. Über die Philosophie des Japaners Nishida Kitaro wurde an der Universität Hildesheim diskutiert.

Von Anja Kampmann | 10.09.2011
    Vor rund einhundert Jahren veröffentlichte Nishida Kitaro in Japan sein Erstlingswerk, die "Studie über das Gute". Mit diesem Buch begründet er zugleich die moderne japanische Philosophie. Zum ersten Mal wurde nun mit ihm ein moderner Denker aus Ostasien auf einer eigenen großen Tagung in Europa diskutiert. John Moraldo, Professor Emeritus der Universität North Florida:

    "Nishida Kitaro ist bekannterweise der wichtigste japanische Philosoph des 20. Jahrhunderts und meines Wissens ist diese Tagung eben die erste, die außerhalb Japans stattfindet, also die lediglich auf das Denken Nishidas konzentriert. Sie wurde in drei Sprachen gehalten, deutsch, japanisch, englisch, ist also wirklich eine interkulturelle Erfahrung gewesen."

    Das internationale Interesse für die Philosophie Nishida Kitaros liegt wohl vor allem auch in seinem Versuch begründet, verschiedene Denktraditionen zusammenzuführen. Übersetzungen aus seinem über 20 bändigen Gesamtwerk liegen inzwischen in vielen Sprachen vor - und stehen zugleich für eine Verschiebung innerhalb der philosophischen Landschaft, in der asiatische Sprachen ein immer stärkeres Gewicht bekommen haben. Prof. Rolf Elberfeld, der zusammen mit Yoko Arisaka die Tagung organisierte.

    "In der Philosophie Nishidas verbinden sich sehr unterschiedliche Impulse, die er aus verschiedenen Denktraditionen aufgenommen hat. In seinem Erstlingswerk nimmt er das Schlüsselwort 'Reine Erfahrung - pure experience' von William James auf. Er ist dann aber sehr stark beeinflusst worden zum Beispiel von Fichte, von Hegel, aber auch aus der Phänomenologie, hat sich sehr intensiv mit dem Neukantianismus auseinandergesetzt. Zugleich kennt er aber auch die ostasiatischen Traditionen, also die indische Tradition, die chinesische Tradition und die japanische Tradition. Er steht selbst schon in einem interkulturellen philosophischen Gespräch, aus dem er sein Denken entwickelt. So ist seine Philosophie auch Ausdruck einer neuen Zeit in der Philosophie und damit im Grunde auch eine Zäsur in der Philosophiegeschichte insgesamt."

    In seinem umfangreichen Werk versucht Nishida Kitaro eine Sprache für ein Denken zu finden, das auf der "unmittelbaren Erfahrung" gründet. Um die komplexen Bezüge von Selbst und Umwelt ausdrücken zu können, entwickelt er eigene, neue Begriffe und greift dabei auf ostasiatische Denkweisen zurück. Professor Hisao Matsumaro, Leiter der Nishida Philosophy Association.

    "Dialektik entstand eigentlich aus der europäischen Denktradition. Und deswegen Dialektik hat solch eine Carta, dass man mit der Kraft der Vernunft völlig verstehen kann. Aber die Soku Hi-Logik ist etwas anders als die Logik im europäischen Sinne. Damit ist gemeint, dass die Logik selbst im ostasiatischen Sinne gerade nicht nur mit der Vernunft, sondern mit dem Gefühl oder mit der körperlichen Übung zum Verständnis gebracht werden kann."

    Das komplexe Nachdenken Nishidas, die Frage, wie das Selbst oder die Zeit in ihrer Widersprüchlichkeit zu denken sind, stellen auch die Methoden der Philosophie neu infrage. Dr. Enrico Fungaro aus Italien sieht in Nishidas Begriff der "handelnden Anschauung" eine weitere Perspektive.

    "Aber das könnte eine Herausforderung für die Zukunft sein, was bedeutet es, mit dem Körper zu denken oder gibt es so etwas? Deswegen ist die Philosophie Nishidas auch eine Herausforderung für die traditionelle westliche Philosophie."

    Vor allem Interpretationen zu Nishidas Denken über den Bereich der Philosophie hinaus, in Kunst, Religion und in wirtschaftlichen Zusammenhängen wurden auf der Tagung in Hildesheim in neuen Zusammenhang gebracht und eröffnen so Perspektiven für die zeitgenössische Philosophie.