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Aus der Luft, aber nicht aus der Welt

Norwegen mit seinen reichen Öl- und Gasreserven führte schon fünf Jahre vor der in Kyoto verabschiedeten Konvention zum Klimaschutz eine CO2-Steuer ein. Der staatliche Energiekonzern Statoilhydro arbeitet mit Hochdruck daran, CO2-Emissionen in die Atmosphäre zu vermeiden. Und so wird das bei der Gasförderung in der Nordsee mit an die Oberfläche gelangte Klimagas in Hohlräume über den natürlichen Gaslagerräumen gepresst. Doch das Verfahren ist hoch umstritten. Alexander Budde berichtet aus Norwegen.

20.11.2007
    Anflug auf das Gasfeld Sleipner, das rund 100 Kilometer vor der norwegischen Küste in der Nordsee liegt. Auf ihren Stelzenbeinen aus Stahl und Beton ragt die Förderplattform aus der unruhigen See.

    Bei der Gasförderung aus unterirdischen Reservoirs gelangen gewöhnlich große Mengen des klimaschädlichen Kohlendioxids in die Atmosphäre.
    Nicht so auf Sleipner. Dort wird das mit der Förderung an die Oberfläche gelangte Kohlendioxid in einer Pilotanlage aus dem Erdgas herausgefiltert und über separate Pipelines zurück in Hohlräume tief unter der Erde gepumpt, erläutert Trude Sundset vom norwegischen Energiekonzern Statoilhydro.

    "In dieser Anlage wird das CO2 mit Hilfe eines Lösungsmittels aus dem Gas herausgewaschen. Dann pressen wir es unter Hochdruck zurück in die Formation, die rund 1000 Meter tief unter dem Meeresboden liegt. Seit 1996 haben wir hier auf Sleipner rund 8 Millionen Tonnen CO2 deponiert. Und das Endlager hat noch genügend Platz für ein Vielfaches dieser Menge. "

    Über steile Treppen und schmale Stege geht es in den Kontrollraum, wo Techniker über Ventile den Gasstrom steuern. Auch die Verteilung und Ablagerung des CO2 im Endlager wird penibel überwacht, versichert der wissenschaftliche Projektleiter Olav Kaarstad. Technisch sei es längst möglich, das Klimagas für Jahrhunderte oder gar Jahrtausende sicher in den früheren Förderstätten zu bunkern.

    "Die Petroindustrie ist für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich. Zugleich haben wir den nötigen Sachverstand um diese Technologie voranzubringen. Wir müssen jetzt handeln, denn die unterirdische Lagerung von Kohlendioxid ist meines Erachtens eines der wichtigsten Werkzeuge im Kampf gegen den globalen Klimawandel."

    Anfang 90er Jahre führte die damalige norwegische Regierungschefin Gro Harlem Brundtland gegen allerhand Widerstände eine CO2-Steuer ein. Für jede in die Atmosphäre gelassene Tonne des Klimagiftes muss der Verursacher heute eine Abgabe von fast 50 Euro zahlen. Ohne die Strafsteuer wäre die Branche wohl kaum geneigt gewesen, in die teure Technologie zu investieren, räumt Kaarstad ein.

    In der Tat genießen die Norweger ihren Wohlstand in vielfacher Hinsicht auf Kosten der Umwelt. Pro Kopf berechnet entlassen sie sechsmal mehr CO2 in die Atmosphäre als die so oft gescholtenen US-Amerikaner. Kein Wunder, dass der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg nicht müde wird, auf die vergleichsweise hohen norwegischen Umweltstandards bei der Förderung hinzuweisen.

    "Wir Norweger sind durch unsere Öl- und Gasproduktion reich geworden und haben deshalb eine besondere moralische Verpflichtung, an der Verminderung der Klimagase mitzuwirken. Norwegen war das erste Land, das eine CO2-Steuer eingeführt hat. Und auch mit unseren Emissionsquoten für die Industrie wollen wir erreichen, dass es sich lohnt, in die Umwelt zu investieren. "

    Dabei ist die Technologie der unterirdischen CO2-Endsorgung auch in Norwegen keineswegs unumstritten: Der Meeresbiologe Harald Gjøsæter etwa warnt vor den kaum absehbaren Folgen, sollten große Mengen CO2 aus der Lagerstätte in die See entweichen. Kohlendioxid wird zu einem Großteil von den Ozeanen aufgenommen.
    Der wachsende Säuregehalt bedroht das gesamte Leben in den Meeren, vor allem Korallenriffe.

    "Noch wissen wir wenig über die Langzeiteffekte, die durch austretende Schadstoffe entstehen. Fast alle Fischarten in der Nordsee haben Probleme mit der Reproduktion. Nicht auszuschließen, dass die Öl- und Gasförderung eine Ursache dafür ist. Wir setzen uns ganz entschieden dafür ein, solche unterirdische Lagerstätten von unseren Küsten fernzuhalten. "

    Aus den Augen, aus dem Sinn, warnt auch die norwegische Umweltorganisation Bellona. Und bemängelt, dass der Staatskonzern Statoilhydro bei der Aufarbeitung seiner Umweltsünden auch noch mit kräftigen Zuschüssen aus dem Steuersäckel belohnt werde.