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Aus Feind mach Freund

Medizin. – Wenn bei einer Transplantation nicht nur das Spenderorgan sondern auch bestimmte weiße Blutkörperchen übertragen werden, scheint das die Abstoßungsreaktion des Körpers stark zu dämpfen. Eine junge Kieler Biotechnologiefirma stellte gestern ein solches Verfahren vor, das jetzt den Weg von der Universität in die Praxis finden soll.

Von Kristin Raabe | 06.03.2008
    Der Körper des Spenders kann für den Transplantatempfänger mehr liefern als nur das lebensrettende Organ. Aus seinem Blut lassen sich auch die Zellen gewinnen, die verhindern, dass der Empfänger das fremde Organ abstößt. Das konnte Blasticon-Chef Fred Fändrich an der Universität Kiel in einer Studie bei acht Nierentransplantationen zeigen. Die Spender der Nieren unterzogen sich vor der Transplantation einer Blutwäsche, bei der weiße Blutkörperchen, sogenannte Monozyten, herausgefiltert wurden. Fändrich:

    "Die Zellen des Spenders kommen dann in ein Reinraumlabor, wo eben über Zusatz von Wachstumsfaktor und einem Cytokin diese Umprogrammierung erfolgt – über fünf Tage und dann gewinnen diese Zellen die Funktionseigenschaften, die wir benötigen, um damit den Empfänger zu behandeln."

    Durch die Sonderbehandlung im Labor werden die Zellen in sogenannte Regulator-Zellen umgewandelt. Weil sie vom Spender stammen, sind sie mit dem transplantierten Organ vertraut und können später im Körper des Organempfängers die gefährliche Abstoßungsreaktion stoppen. Es sind vor allem die T-Zellen des Immunsystems, die das Spenderorgan abwehren. Die Regulatorzellen können an diese Zellen binden. Fändrich:

    "Wenn sie an eine aktivierte böse T-Zelle binden, dann kommt es zu einem Todessignal und die T-Zelle wird eliminiert. Wenn Sie an eine naive T-Zelle binden - an eine ruhende, nicht aktivierte T-Zelle - dann wird diese T-Zelle in eine Regulator-T-Zelle selbst umgewandelt und kann dann mittel und langfristig diese Funktion auch übernehmen im Immunsystem des Empfängers."

    Insgesamt acht Empfänger von transplantierten Nieren hat Fred Fändrich vor der Operation mit den Regulatorzellen behandelt. Bei sieben von ihnen ist bislang keine Abstoßungsreaktion aufgetreten. Und das, obwohl sie kaum noch Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems nehmen. Fändrich:

    "Wir können eben zeigen, dass wir innerhalb von 24 Wochen die normalerweise aus drei Medikamenten bestehende Immunsuppression auf ein Medikament reduzieren konnten und dieses in extrem niedriger Dosierung geben konnten."

    Die Dosis dieses einen Medikaments ist so niedrig, dass sie im Blut kaum noch nachweisbar ist. Ganz absetzen lässt es sich allerdings nicht. Offenbar ist die geringe Medikamentendosis notwendig, damit das Verhältnis von Regulator-Zellen und aggressiven T-Zellen im Gleichgewicht bleibt. Nebenwirkungen spüren die Patienten so gut wie gar keine mehr. Die Behandlung mit den Regulator-Zellen kann das Leben der Organempfänger also deutlich verbessern. Ein Problem bleibt allerdings: Es gibt viel zuwenig Spenderorgane. Häufig wären Freunde und Verwandte gerne bereit, einem Nierenkranken eine ihrer zwei Nieren zu spenden. Aber nur in Ausnahmefällen passen dann die Gewebsfaktoren, die sogenannten HLA-Komplexe, zusammen. Möglicherweise könnten die Regulator Zellen auch so eine Gewebsunverträglichkeit – ein HLA-Mismatch – zwischen Empfänger und Spender ausgleichen. Fändrich:

    "Wir haben in unseren Patienten auch ein Ehepaar, wo fünf HLA-Mismatches sind, das ist eine extreme unterschiedliche Diskrepanz zwischen Spender und Empfänger und auch dort haben die Zellen wunderbar gewirkt, mussten aber unterstützt werden mit einer minimalen Immunsuppression."

    Um die Regulator-Zellen zu vermarkten, hat Fred Fändrich die Firma Blasticon gegründet. Die Zusammenarbeit von Blasticon mit der Universität Kiel, wo der Chirurg das Transplantationsprogramm leitet, ist über einen Forschungs- und Entwicklungsvertrag geregelt. Allein mit öffentlichen Forschungsgeldern könnte die Universitätsklinik, die klinischen Studien nicht finanzieren, die notwendig sind, um eine Therapie auf den Markt zu bringen. In spätestens fünf Jahren sollen in den Blasticon-Labors routinemäßig weiße Blutkörperchen in Regulatorzellen umgewandelt werden, damit möglichst viele Organtransplantierte von dieser Therapie profitieren.