Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Autopsie einer Eruption

Vulkanologie. - Viele aktive Vulkane senden Lebenszeichen aus. Erdbeben, Gasausbrüche und Veränderungen in der Wasserchemie sind meist keine guten Anzeichen. Nun ist es Wissenschaftlern gelungen, diese an der Oberfläche messbaren Veränderungen mit dem Geschehen in der Magmakammer zu verknüpfen. Damit soll es möglich werden, eine Art Fingerabdruck eines Vulkans zu erstellen - und damit die Vorhersagbarkeit von Ausbrüchen zu verbessern.

Von Dagmar Röhrlich | 25.05.2012
    Aktive Vulkane werden mit allen möglichen Techniken überwacht: Jedes Beben wird ausgewertet, jede Veränderung der vulkanischen Gase. Die Frage ist: Zeigen ungewöhnliche Messungen einen bevorstehenden Ausbruch an?

    "Da ist eben immer das Problem so ein bisschen auch, wie man diese interpretiert. Generell ist es natürlich klar, wenn man erhöhte seismische Aktivität hat, oder erhöhte Ausgasungen von Schwefeldioxid zum Beispiel, dass man dann eine erhöhte vulkanische Aktivität hat, aber was dann genau in der Magmakammer passiert, das kann man nur erraten","

    erläutert Ralf Dohmen von der Ruhr-Universität Bochum. Aufschluss darüber bieten dank neuer, sogenannter forensischer Hightech-Messmethoden winzige Kristalle, die in der Magmakammer wachsen.

    ""Während Veränderungen beispielsweise in der Erdbebentätigkeit gemessen werden, wachsen im Magma Kristalle. Viele von ihnen kristallisieren in konzentrischen Ringen, wobei die chemische Zusammensetzung dieser Ringe unterschiedlich ist. Diese Unterschiede spiegeln das Geschehen in der Magmakammer wider, etwa, ob aus der Tiefe neues, frisches Magma aufsteigt","

    erklärt Kate Saunders von der Bristol University. Da Vulkane oft nach einem für sie typischen Muster ausbrechen, können die Kristalle vergangener Ausbrüche wichtige Informationen für künftige Eruptionen liefern, so Ralf Dohmen,

    ""indem man ganz im Detail diese chemische Zonierung in den Kristallen analysiert, kann man dann eine Zeitinformation herausarbeiten. Man kann herausarbeiten, wie lange hat es gedauert, bis so ein Saum gewachsen ist, wie lange war der Kristall in der Magmakammer, bevor er dann eruptiert ist."

    Genau solche Analysen haben die Forscher anhand von Kristallen durchgeführt, die zwischen 1980 und 1986 am Mt. St. Helens gefördert worden sind. Dabei konnten sie den lange vermuteten Zusammenhang zwischen Kristallwachstum und vulkanischer Aktivität nachweisen: Wachsen die Kristalle, etwa weil neues Magma aufsteigt, werden in ihrem Inneren Elemente wie Eisen oder Magnesium mobilisiert. Diese Elemente "wandern" zwischen den Ringen, und das Tempo dieser "Wanderungen" lässt sich erfassen:

    "Wir haben herausgefunden, dass am Mt. St. Helens die Kristalle rund ein Jahr vor dem Ausbruch zu wachsen beginnen. Unmittelbar vor dem Ausbruch erreichte dieses Wachstum sein Maximum. Dieser Peak fällt zeitlich mit einer intensiven Erdbebentätigkeit zusammen, und die Erdbeben entstehen durch den Aufstieg des Magmas in den Vulkan."

    Die Kristalle, die sich dabei bilden, haben einen eisenreichen Kern und einen magnesiumreichen Rand. Bei anderen Kristallen war das genau umgekehrt, und deren Entstehung ließ sich mit den Zeiten korrelieren, in denen das Magma unterirdisch entgaste und abkühlte. Saunders:

    "Die Kristalle gleichen also Geschichtsbüchern, und je mehr wir daraus erfahren, desto besser können wir das Geschehen in der Magmakammer erfassen."

    Das Wissen über die Verbindung zwischen den Vorgängen in der Magmakammer und den Lebenszeichen eines Vulkans könne die Vorhersage von Eruptionen verbessern, so Kate Saunders. Das gilt nicht nur für hervorragend mit Messinstrumenten bestückte Vulkane wie den Mt. St. Helens, sondern auch für die, die kaum überwacht werden oder sich nur sehr selten rühren.