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Baden-Württemberg
Die Zukunft der Musikhochschulen

Die Zahl der Absolventen an den deutschen Musikhochschulen steigt, aber Jobangebote gibt es nur wenige. Viele Absolventen arbeiten als Freiberufler, müssen dabei aber häufig mit einem Hungerlohn auskommen. Baden-Württemberg plant deshalb eine Reduzierung der Studienplätze.

Von Thomas Wagner | 15.03.2014
    "Hallo, ich bin Katharina Jäckle. Ich studiere an der Musikhochschule in Trossingen im fünften Semester und spiele Geige.Ich werde jetzt den zweiten Satz aus Beethovens Violinkonzert spielen. Ich üb den gerade."
    Katharina Jäckle will später einmal Orchestermusikerin werden.Musik ist ihr Leben; sie kann sich beruflich nichts anderes vorstellen. Und dann der Paukenschlag im Sommer vergangenen Jahres: Das baden-württembergische Ministerium für Wissenschaft und Kunst gab seine Pläne zur Strukturreform der fünf Musikhochschulen bekannt. Und die hätten für Trossingen erhebliche Einschnitte bedeutet.
    "Ich war schon sehr schockiert, dass es soweit kommt, dass Hochschulen geschlossen werden."
    Einsparungen von vier bis fünf Millionen geplant
    Konkret sah das Konzept von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer vor: 500 der 2500 Studienplätze in Baden-Württemberg sollten wegfallen, was eine Einsparung zwischen vier und fünf Millionen Euro pro Jahr bedeuten würde. Daneben stellte die Ministerin die Überlegung in den Raum, Studierende aus Nicht-EU-Ländern stärker zur Kasse zu bitten; sie machen immerhin einen Anteil von 40 Prozent an den Studierenden aus. Und schließlich sah der Plan vor, das Kursangebot an zwei der fünf Musikhochschulen im Land erheblich einzudampfen: In Mannheim sollte nur noch Pop und Jazz, in Trossingen Alte Musik und elementare Musikpädagogik angeboten werden. Einsparungen seien aber nicht der einzige Grund für solche Überlegungen, so Ministerin Theresia Bauer:
    "Der Arbeitsmarkt für Musiker hat sich verändert. Wir haben weniger Möglichkeiten als früher, qualifizierte Absolventen in Orchestern unterzubringen. Und wir haben einige Anzeichen schwierig ist für die Absolventen von Musikhochschulen, auch freiberuflich ordentlich durchs Leben zu kommen."
    Und das ist das Hauptproblem: Das zurückgehende Jobangebot für Berufsmusiker. So stieg nach Erhebungen des Deutschen Musikrates die Zahl der Absolventen an den deutschen Musikhochschulen deutschlandweit um gut ein Drittel an, von 1645 im Jahre 2001 auf 2112 zehn Jahre später. Im Gegensatz dazu gingen die Jobangebote im gleichen Zeitraum ständig zurück. So sank die Zahl der Orchester-Planstellen innerhalb von zehn Jahren um rund zehn Prozent. Pro Jahr werden derzeit gerade mal um die 150 Orchesterstellen frei. Folge: Viele Absolventen suchen ihr berufliches Heil in der Freiberuflichkeit, müssen dabei aber häufig mit einem Hungerlohn auskommen, so Professor Heiner Gembris, Leiter des "Institutes für Begabungsforschung in der Musik" an der Universität Paderborn:
    "Nach Angaben des Musikinformationsdienstes liegt der Jahresverdienst bei 11.000 bis 12.000 Euro mit Schwankungen nach oben oder unten. Das ist nicht überall der Fall. Aber diese Auswüchse gibt es eben."
    Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hält an Reformen fest
    Gleichwohl gingen die Studierenden und Dozenten im vergangenen Jahr auf die Barrikaden, protestierten gegen die Kürzungspläne. Ihre Klagen blieben nicht ungehört. Ministerin Bauer nahm ein Großteil der Kürzungspläne zurück, will allerdings an grundsätzlichen Reformen festhalten.
    "Wir wollen Qualitätsentwicklung verbinden mit dem Einsparziel, vier bis fünf Millionen Euro zu erwirtschaften."
    Qualitätsentwicklung heißt zum Beispiel eine Ergänzung des Kursprogramms um Fächer wie Marketing und Unternehmensführung. Damit werden die Absolventen besser auf die Selbständigkeit vorbereitet. David Haieck studiert in Trossingen klassische Gitarre:
    "Ich bin der Meinung, dass man noch viel mehr eine Vorlesung entwickeln könnte für Musikerrecht, Datenschutz und so weiter. Das sollte noch viel mehr stattfinden."
    Neue Jobchancen eröffnen
    Auch neue, moderne Studiengänge als Ergänzung zum klassischen Angebot sind wichtige Bausteine einer zukunftstauglichen Musikhochschule. Professor Elisabeth Gutjahr, Rektorin in Trossingen, nennt den an ihrer Hochschule neu eingerichteten Studiengang "Musikdesign" als Beispiel. Der eröffnet den Absolventen völlig zusätzliche Jobchancen
    "… beispielsweise im Videobereich, Computerspiele, aber auch Werbefilme. In diesem Bereich gibt es einen hohen Bedarf an musikalischer Expertise."
    "Ich wird aus der E-Dur-Suite von Johannes SebastianBach das Präludium spielen"
    Das Üben macht den Studierenden wieder mehr Spaß, seitdem die Kahlschlag-Pläne vom vergangenen Sommer vom Tisch sind. Doch solange nicht klar ist, wie die vier Millionen eingespart werden, bleibt auch die Unsicherheit. Das Ministerium setzt jetzt auf den Dialog: Theresia Bauer hat Dozenten und Studierenden zu mehreren Diskussionsforen geladen. Gemeinsam wollen sie darüber sprechen, wie die Musikhochschulen noch besser auf die Zukunft vorbereitet werden können. Elisabeth Gutjahr, Rektorin in Trossingen:
    "Ich kann mir vorstellen, wenn dieser Prozess, wie er jetzt geplant wird, gut durchgeführt wird, wirklich sachorientiert, dann ist das ein Vorbild für ganz Deutschland, vielleicht sogar für das Ausland."