Freitag, 19. April 2024

Archiv

Bayern
Kaum Stellen für Referendare an bayerischen Gymnasien

Der Lehrernachwuchs in Bayern ist sauer: Der Freistaat stellt derzeit kaum Referendare an Gymnasien ein, egal wie gut qualifiziert sie sind. Kritiker vermuten, vor der Landtagswahl habe die CSU zu viele Stellen besetzt, die jetzt fehlten. Das Kultusministerium widerspricht.

Von Michael Watzke | 23.01.2014
    "Es ist egal, wie gut ich bin - sie wollen mich ja sowieso nicht!"
    Isabell ist Referendarin in Bayern - und mächtig frustriert.
    "Es ist völlig egal, ob man Dreier-Noten hat oder Einser-Noten. Egal, wie sehr man sich reinkniet - und wir haben uns die letzten Jahre wirklich unglaublich reingekniet! Das ist wirklich enttäuschend."
    Im vergangenen Jahr haben in Bayern zumindest jene Referendare eine Lehrerstelle bekommen, die einen Notenschnitt von 1,0 oder besser hatten, erklärt Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrer-Verbandes:
    "Vor vier Jahren wurde jeder übernommen mit einem Notendurchschnitt bis zu 3,5 - das war die Zeit, als die CSU die absolute Mehrheit verloren hatte und ganz schnell dafür sorgen wollte, dass die Stimmung wenigstens im Schulbereich etwas besser wurde. Und dann hat man alles abgestellt - mit der Folge, dass jetzt einfach viele Stellen besetzt sind und keiner übernommen werden kann."
    Kultusminister: MINT-Fächer weiterhin gefragt
    Das bayerische Kultusministerium streitet ab, dass es einen Zusammenhang mit der Landtagswahl im vergangenen September gibt. Kultusminister Spaenle weist daraufhin, dass es vor allem auf die Fächerkombination der angehenden Lehrer ankomme:
    "Wir haben zum Beispiel im Gymnasium in den sogenannten MINT-Fächern, also zum Beispiel Mathematik, eine entsprechende Nachfrage. Nach wie vor. In Musik, in Kunst, in den alten Sprachen. Man kann den jungen Leuten nur immer wieder den Hinweis auf die Lehrer-Bedarfsprognose geben, wo sehr präzise für eine Kombination die Anstellungsmöglichkeiten - sogar zu Studienbeginn - bereits erkennbar gegeben sind."
    Stimmt so nicht, sagt Gymnasial-Referendar Jürgen. Er hat sich vor Beginn seines Studiums informiert und deshalb eine Zusatzausbildung in Sozialkunde und Ethik gemacht.
    "Die Situation war für uns so nicht zu erwarten, weil momentan einfach an allen Gymnasien Ethik und Sozialkunde hauptsächlich fachfremd von Lehrern unterrichtet wird, die die Ausbildung nicht haben. Die das in Wochenend-Seminaren gemacht haben, weil einfach so ein Bedarf ist. Und genau aus dem Grund haben wir nachgerüstet und gesagt: Wir wollen das ausgleichen."
    Vergeblich. Auch Jürgen kann trotz Super-Notendurchschnitt nicht mit einer baldigen Lehrerstelle in Bayern rechnen. Er könnte aber in ein anderes Bundesland ziehen. Etwa nach Berlin. Die Bundeshauptstadt wirbt offensiv Lehrkräfte aus Bayern ab, sagt Klaus Wenzel vom BLLV, schränkt aber gleich ein:
    "Ich glaube nicht, dass diese Werbeaktion sehr erfolgreich sein wird, weil Berlin seine Lehrerinnen und Lehrer sehr schlecht behandelt, was den Status angeht, was die Bezahlung angeht. Im Übrigen halte ich das auch für sehr bedenklich. Der bayerische Steuerzahler investiert Millionen in die Ausbildung junger Lehrerinnen und Lehrer. Gott sei dank! Und dann sind die fertig, mit guten und teilweise sehr guten Examen, und dann werden sie in anderen Bundesländern eingesetzt."
    Referendare als Lückenbüßer
    Dafür aber spart der Freistaat Bayern viel Geld ein, indem er überall dort Referendare einsetzt, wo er eigentlich neue Lehrer bräuchte. Referendar Jürgen, der seinen vollen Namen lieber nicht in den Medien lesen möchte, berichtet, dass er statt wie geplant 10 Wochenstunden oft 17 Stunden unterrichten musste. Darunter habe nicht nur die Qualität seiner Ausbildung gelitten, sondern auch die der Schüler:
    "Die Qualität leidet einfach insofern, dass die Referendare, die versetzt werden - teilweise jedes Halbjahr - ja Klassen zurücklassen. Und so kann es für einen Oberstufler, der Abi macht, sein, dass er in vier verschiedenen Halbjahren vier verschiedene Lehrer hatte. Weil wir einfach versetzt werden."
    Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle denkt inzwischen über ein neues Zulassungsverfahren zum Referendariat nach. In anderen Bundesländern, so Spaenle, werde zum Teil schon beim Zugang zum Referendariat gefiltert. Bayern habe das Referendariat bisher frei zugänglich gehalten und erst am Ende des zweiten Staatsexamens ausgewählt. Dies könne sich aufgrund limitierter Hochschulkapazitäten ändern. Bereits beschlossen ist, dass der Freistaat Bayern im Sommer noch einmal 371 Lehrerstellen streicht. Die Münchner Referendarin Isabell - Noten-Durchschnitt 1,08 - macht sich für ihre Zukunft als Deutsch-Lehrerin wenig Hoffnung:
    "Es gibt wohl eine Vorlage, in der drinsteht: Sprachlehrer - nix! Also absolut gar nichts. Nicht mal als Aushilfsverträge, nicht mal für sechs Stunden. Und dann steht man halt wirklich komplett auf der Straße."