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Behandlung erfolgreich, keine Heilung

Die neuen Medikamente zur Behandlung der Hepatitis B haben sich bewährt. Das ist für Heiner Wedemeyer von der Medizinischen Hochschule Hannover die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht:

Von Martin Winkelheide |
    "Wir werden in den nächsten Jahren keine weiteren neuen Medikamente haben und müssen jetzt mit den Substanzen, die wir aktuell zu Verfügung haben, leben und die optimal für die Patienten entsprechend einsetzen."

    Anders als die herkömmliche Behandlung mit dem Hormon Interferon, das die körpereigene Abwehr anregen soll, greifen die neuen Medikamente das Virus direkt an. Die so genannten Nukleosid- beziehungsweise Nukleotid-Analoga stören einen wichtigen Schritt im Vermehrungszyklus des Hepatitis B-Virus. Und das mit Erfolg. Aber heilen lässt sich die Hepatitis B nicht.

    "Deswegen ist das auch eine Dauertherapie, die in der Regel viele, viele Jahre, bei einigen Patienten sogar lebenslang zu verabreichen ist."

    Auch bei Menschen, die die aus eigener Kraft - ohne Medikamente - mit der Infektion fertig wurden, bleibt das Virus im Körper. Es gibt Zell-Reservoires, in denen die Erbinformation des Virus schlummert. Heiner Wedemeyer bringt es auf die Formel:
    "Einmal Hepatitis B immer Hepatitis B."

    Genau das kann zu einem Problem werden. Zum Beispiel bei Menschen, deren Immunsystem nach einer Organtransplantation unterdrückt wird. Dann kann die Hepatitis reaktiviert werden, es kommt zu einer starken, oft lebensbedrohlichen Entzündung der Leber.
    "Und der Verlauf ist ganz schlecht."

    Reaktiviert werden kann das Hepatitis-B-Virus auch durch Krebsmedikamente - besonders oft durch den Antikörper Retuximab, mit dem Lymphdrüsenkrebs behandelt wird, - und durch das bekannte Kortison.
    "Die niedrigen Dosen von Kortison sind sicherlich nicht gefährlich, sondern wir reden jetzt hier wirklich davon, wenn Patienten im Rahmen von besonderen klinischen Situationen über viele Monate sehr hohe Dosen von Kortison gekriegt haben."

    Heiner Wedemayer warnt davor, das Risiko einer neu aufflammenden Hepatitis B zu unterschätzen.

    "In Deutschland geht man davon aus, dass acht Prozent der Bevölkerung mal Kontakt mit Hepatitis B hatte, acht Prozent!. Das heißt wir reden von Millionen von Menschen, die mal irgendwann früher mit dem Virus in Kontakt waren, es in den meisten Fällen gar nicht gemerkt haben."

    Wedemeyers Rat: Mediziner sollten unbedingt testen, ob ihre Patienten Kontakt mit dem Virus hatten, bevor sie Medikamente geben, die das Immunsystem unterdrücken. Fällt der Test positiv aus, ist es möglich mit Hepatitis-B-Medikamenten einer Reaktivierung des Virus erfolgreich vorzubeugen.

    Anders sieht es aus bei der Hepatitis C. Eine chronische Infektion lässt sich nicht nur behandeln - sondern auch heilen.

    Kurz vor der Zulassung stehen Wirkstoffe, die die Virusvermehrung gezielt blockieren. Sie hemmen ein wichtiges Enzym, die Protease des Virus.
    Mit einer herkömmlichen Behandlung - einer Kombination des Immunhormons Interferon mit dem Medikament Ribavirin lassen sich 40 bis 50 Prozent der chronischen Infektionen auf Dauer heilen.

    "Das ist mit den neuen Protease-Inhibitoren auf 65 bis 75 Prozent wahrscheinlich zu steigern. Immerhin. Ein großer Erfolg. Aber weiterhin sind es knapp ein Drittel der Patienten, die nicht von dieser Therapie profitieren werden."

    Schon heute ist klar: Es wird nicht bei den Proteasehemmern bleiben. Rund 20 neue Wirkstoffe werden bereits an Patienten getestet.

    "Ein ganz dynamisches Feld, wir rechnen mit der ersten Zulassung solcher Medikamente für das Jahr 2011. Und dann werden wahrscheinlich die Jahre danach immer neue Substanzen dazu kommen."

    Die Frage für die Mediziner ist: Sollen sie die neuen Möglichkeiten der Proteasehemmer sofort nutzen - oder warten bis weitere Wirkstoffe neue Kombinationsmöglichkeiten bieten?

    Für Heiner Wedemeyer von der Medizinischen Hochschule Hannover ist das Ziel eine Kombinationstherapie, die ohne das für die Patienten sehr belastende Interferon auskommt. Und einen gewissen Komfort sollten die Hepatitis-C-Therapien der Zukunft auch haben.

    Aber Medikamente, die - wie bei der Hepatitis B - nur einmal am Tag genommen werden müssen, die sind noch nicht in Sicht.