Monika Seynsche:Vor 15 Jahren veröffentlichte die Deutsche Forschungsgemeinschaft zum ersten Mal ihre sogenannten Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Damit reagierte die DFG auf einen großen Fälschungsfall, der damals in der Krebsforschung aufgeflogen war. Die Forschungsgemeinschaft gab sich eigene Regeln, um wissenschaftliches Fehlverhalten vermeiden oder durch einen Entzug von Fördergeldern bestrafen zu können. Heute Morgen um 11 Uhr hat die DFG in Berlin wiederum Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis vorgestellt. Mein Kollege Armin Himmelrath hat die Pressekonferenz verfolgt und direkt im Anschluss daran habe ich ihn gefragt, was neu ist an diesen Regeln.
Armin Himmelrath: Diese Regeln gibt es also schon, jetzt sind sie überarbeitet worden, vor allem in vier Punkten. Der erste ist, dass gesagt wird, die Nachwuchsförderung, die muss verbindlicher, die muss klarer werden. Das heißt, Doktoranden sollen zum Beispiel, wenn sie denn dann irgendwo arbeiten und anfangen zu forschen, einen klaren Plan bekommen, was in welchem Jahr dran ist, welche Betreuungsleistung erbracht wird vonseiten des Forschers oder der Uni und dann muss, beide Seiten sozusagen müssen darauf achten, dass man sich daran hält. Zweiter wichtiger Punkt ist, dass die Verfahren, wenn jemand sich meldet und sagt "Ich hab da ein Problem, ich bin skeptisch, was bestimmte Ergebnisse angeht", also ein sogenannter Whistleblower, dass der sich doch bitteschön zunächst mal intern, in seiner Einrichtung, in seiner Uni oder in seinem Forschungsinstitut an den zuständigen Ombudsmann wendet, um das Verfahren in klarere Bahnen zu lenken. Dritte Regelung: dass genau dieses Ombudswesen deutlicher werden soll. Also es muss klar werden an jeder Universität, das und das ist der Ombudsmann, die Ombudsfrau. An den kann man sich wenden, wenn es wissenschaftliches Fehlverhalten gibt oder den Verdacht darauf. Und der vierte Punkt, dass diese Verfahren, wenn so etwas untersucht wird, ein solcher Verdachtsfall, dass diese eben mit einer gewissen Höchstdauer versehen werden, dass sich das nicht ewig hinzieht, sondern im Idealfall nach einem halben Jahr oder Dreivierteljahr beendet ist.
Seynsche: Bleiben wir mal bei diesen Whistleblowern, sie sagten, er solle sich in Zukunft an den Ombudsmann wenden, nicht an die Öffentlichkeit. Was passiert denn, wenn er es trotzdem macht? Riskiert er dann, dass er zum Beispiel keine DFG-Fördergelder mehr bekommt?
Himmelrath: Das ist ein großer Streitpunkt. Also die DFG will dem sozusagen einen Riegel vorschieben, dass jemand wissentlich falsche Behauptungen über einen Kollegen in die Welt setzt. Forscher A hat eine Publikation herausgebracht, Forscherin B ist neidisch, vielleicht auch bösartig und könnte dann behaupten, mein Kollege hat gefälscht. Und würde damit vielleicht an die Öffentlichkeit, an die Presse gehen und das wäre nach diesen Neufassungen der Regeln selbst auch ein wissenschaftliches Fehlverhalten. Das ist eine Klarstellung, die die DFG unbedingt drinhaben wollte und die sie jetzt verabschiedet hat.
Seynsche: Das könnte man aber auch so interpretieren, dass es quasi ein Maulkorb ist für Wissenschaftler, die Fehlverhalten bei anderen Kollegen sehen, oder?
Himmelrath: Das wird genauso in der Wissenschaftsgemeinde, in Wissenschaftsblogs diskutiert, dass im Grunde der DFG vorgeworfen wird, man wolle hier jede kritische Stimme gegenüber der Mainstream-Forschung verhindern, man wolle im Grunde sogar so weit gehen, und sogar kritische wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit einem Text oder mit einer Arbeit, einer Forschungsarbeit völlig abblocken. Das kann tatsächlich passieren, wenn wir diesen Fall von eben nehmen: Forscher A hat vielleicht gefälscht, fühlt sich dann von Forscherin B angegriffen in der Öffentlichkeit und schlägt zurück und sagt, die macht doch selber wissenschaftliches Fehlverhalten, die kümmert sich doch selber nicht um wissenschaftliche Ethik, weil sie sich genau nicht an diese Regel hält, erst intern zu kritisieren. Also das ist eine ganz, ganz schwierige Kiste und wird auch entsprechend erhitzt in Wissenschaftsblogs diskutiert, bis hin zu amerikanischen Blogs. Also das ist keine rein deutsche Betrachtung mehr, das hat schon ziemlich Wellen geschlagen in der Wissenschaftlergemeinde.
Seynsche: Sie sagten, es hat schon Wellen geschlagen. Hat denn die DFG heute auf der Pressekonferenz auf diese Wellen reagiert, auf diese Kritik reagiert?
Himmelrath: Ja, die Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek hat noch mal ganz klar betont, natürlich wolle man dieses Verfahren klarer hinbekommen. Auf der anderen Seite gehe es nicht darum, die Standards wissenschaftlicher Qualitätskontrolle, also diese Debatte zum Beispiel in Veröffentlichungen oder eben auch die Urteilsbildung über Gegenversuche, über Positionen, die dann auch öffentlich gemacht werden in wissenschaftlichen Artikeln, dass man diese Debatte eben nicht verhindern will. Aber die DFG hat sich sozusagen das eine Problem vom Hals geschafft, nämlich dass Whistleblower einfach hergehen und in der Öffentlichkeit irgendwas behaupten und dass sich die Uni dann erst einmal damit herumschlagen muss. Das ist dann jetzt so ein bisschen weg. Es wird übrigens anonyme Veröffentlichungen auch nicht verhindern oder anonyme Hinweise. Aber sie hat sich ein neues Problem eingehandelt, nämlich das, sie muss jetzt abgrenzen, wo endet im Grunde auch harte, fachliche wissenschaftliche Auseinandersetzung über ein bestimmtes Thema und wo beginnt eine Kritik, die dann möglicherweise schon in den Bereich wissenschaftliches Fehlverhalten hineinrutscht. Ich prognostiziere mal, die werden diesen Punkt 17 wahrscheinlich in ein paar Jahren wieder überarbeiten müssen.
Armin Himmelrath: Diese Regeln gibt es also schon, jetzt sind sie überarbeitet worden, vor allem in vier Punkten. Der erste ist, dass gesagt wird, die Nachwuchsförderung, die muss verbindlicher, die muss klarer werden. Das heißt, Doktoranden sollen zum Beispiel, wenn sie denn dann irgendwo arbeiten und anfangen zu forschen, einen klaren Plan bekommen, was in welchem Jahr dran ist, welche Betreuungsleistung erbracht wird vonseiten des Forschers oder der Uni und dann muss, beide Seiten sozusagen müssen darauf achten, dass man sich daran hält. Zweiter wichtiger Punkt ist, dass die Verfahren, wenn jemand sich meldet und sagt "Ich hab da ein Problem, ich bin skeptisch, was bestimmte Ergebnisse angeht", also ein sogenannter Whistleblower, dass der sich doch bitteschön zunächst mal intern, in seiner Einrichtung, in seiner Uni oder in seinem Forschungsinstitut an den zuständigen Ombudsmann wendet, um das Verfahren in klarere Bahnen zu lenken. Dritte Regelung: dass genau dieses Ombudswesen deutlicher werden soll. Also es muss klar werden an jeder Universität, das und das ist der Ombudsmann, die Ombudsfrau. An den kann man sich wenden, wenn es wissenschaftliches Fehlverhalten gibt oder den Verdacht darauf. Und der vierte Punkt, dass diese Verfahren, wenn so etwas untersucht wird, ein solcher Verdachtsfall, dass diese eben mit einer gewissen Höchstdauer versehen werden, dass sich das nicht ewig hinzieht, sondern im Idealfall nach einem halben Jahr oder Dreivierteljahr beendet ist.
Seynsche: Bleiben wir mal bei diesen Whistleblowern, sie sagten, er solle sich in Zukunft an den Ombudsmann wenden, nicht an die Öffentlichkeit. Was passiert denn, wenn er es trotzdem macht? Riskiert er dann, dass er zum Beispiel keine DFG-Fördergelder mehr bekommt?
Himmelrath: Das ist ein großer Streitpunkt. Also die DFG will dem sozusagen einen Riegel vorschieben, dass jemand wissentlich falsche Behauptungen über einen Kollegen in die Welt setzt. Forscher A hat eine Publikation herausgebracht, Forscherin B ist neidisch, vielleicht auch bösartig und könnte dann behaupten, mein Kollege hat gefälscht. Und würde damit vielleicht an die Öffentlichkeit, an die Presse gehen und das wäre nach diesen Neufassungen der Regeln selbst auch ein wissenschaftliches Fehlverhalten. Das ist eine Klarstellung, die die DFG unbedingt drinhaben wollte und die sie jetzt verabschiedet hat.
Seynsche: Das könnte man aber auch so interpretieren, dass es quasi ein Maulkorb ist für Wissenschaftler, die Fehlverhalten bei anderen Kollegen sehen, oder?
Himmelrath: Das wird genauso in der Wissenschaftsgemeinde, in Wissenschaftsblogs diskutiert, dass im Grunde der DFG vorgeworfen wird, man wolle hier jede kritische Stimme gegenüber der Mainstream-Forschung verhindern, man wolle im Grunde sogar so weit gehen, und sogar kritische wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit einem Text oder mit einer Arbeit, einer Forschungsarbeit völlig abblocken. Das kann tatsächlich passieren, wenn wir diesen Fall von eben nehmen: Forscher A hat vielleicht gefälscht, fühlt sich dann von Forscherin B angegriffen in der Öffentlichkeit und schlägt zurück und sagt, die macht doch selber wissenschaftliches Fehlverhalten, die kümmert sich doch selber nicht um wissenschaftliche Ethik, weil sie sich genau nicht an diese Regel hält, erst intern zu kritisieren. Also das ist eine ganz, ganz schwierige Kiste und wird auch entsprechend erhitzt in Wissenschaftsblogs diskutiert, bis hin zu amerikanischen Blogs. Also das ist keine rein deutsche Betrachtung mehr, das hat schon ziemlich Wellen geschlagen in der Wissenschaftlergemeinde.
Seynsche: Sie sagten, es hat schon Wellen geschlagen. Hat denn die DFG heute auf der Pressekonferenz auf diese Wellen reagiert, auf diese Kritik reagiert?
Himmelrath: Ja, die Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek hat noch mal ganz klar betont, natürlich wolle man dieses Verfahren klarer hinbekommen. Auf der anderen Seite gehe es nicht darum, die Standards wissenschaftlicher Qualitätskontrolle, also diese Debatte zum Beispiel in Veröffentlichungen oder eben auch die Urteilsbildung über Gegenversuche, über Positionen, die dann auch öffentlich gemacht werden in wissenschaftlichen Artikeln, dass man diese Debatte eben nicht verhindern will. Aber die DFG hat sich sozusagen das eine Problem vom Hals geschafft, nämlich dass Whistleblower einfach hergehen und in der Öffentlichkeit irgendwas behaupten und dass sich die Uni dann erst einmal damit herumschlagen muss. Das ist dann jetzt so ein bisschen weg. Es wird übrigens anonyme Veröffentlichungen auch nicht verhindern oder anonyme Hinweise. Aber sie hat sich ein neues Problem eingehandelt, nämlich das, sie muss jetzt abgrenzen, wo endet im Grunde auch harte, fachliche wissenschaftliche Auseinandersetzung über ein bestimmtes Thema und wo beginnt eine Kritik, die dann möglicherweise schon in den Bereich wissenschaftliches Fehlverhalten hineinrutscht. Ich prognostiziere mal, die werden diesen Punkt 17 wahrscheinlich in ein paar Jahren wieder überarbeiten müssen.