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Berlin und Athen politisch vernetzen

Am Sonntag wird in Griechenland gewählt. Und was danach kommt, ist unsicher. Was in Griechenland passiert, ist für viele Menschen kaum noch nachzuvollziehen. Und auch deutsche Politiker haben wenig Vertrauen in die dortigen Politiker. Die Beziehungen beider Länder sind nicht erst seit der Eurokrise rau.

Von Aglaia Dane | 14.06.2012
    Wer sich in Berlin auf die Suche macht nach den deutsch-griechischen Beziehungen - der landet sehr schnell bei Kosta. Kosta ist Gastwirt, war einmal Darsteller in der Lindenstraße und ist gerade ein paar Tage in der Heimat. Deshalb steht sein Neffe hinter dem Tresen. Alexandros:

    "Der Kosta, mein Onkel, der Besitzer von Terzo Mondo ist sooo generell ein Kulturminister, ein griechischer Kulturminister für Berlin. "

    Seine Taverne in Charlottenburg gibt es seit Anfang der 70er Jahre. An diesem EM-Abend steht der Fußball im Vordergrund. Normalerweise ist sie Treffpunkt für Einwanderer, Griechenlandliebhaber, Alt-68er, Künstler, aber auch für Politiker.

    "Kostas ist eine Institution, ist ein Künstler, ja."

    Und für Annette Groth ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um die Sorgen und Nöte der Griechen geht. Die 62-Jährige sitzt für die Linken im Bundestag und ist Vorsitzende der deutsch-griechischen Parlamentariergruppe. 21 Mitglieder hat die, aus allen Fraktionen - da kann es intern durchaus kontroverse Debatten geben.

    "Also, dadurch, dass wir natürlich FDP, CDU, alle politischen Parteien in dieser Parlamentariergruppe sind - wie in allen Parlamentariergruppen ja auch - haben wir entsprechend unterschiedlicher Auffassungen zum Thema Wachstum oder Sparpolitik und dergleichen mehr."

    Einig sind sie sich darin, dass sie zwischen Griechenland und Deutschland vermitteln wollen. Offiziell gibt es lediglich eine gemeinsame Reise pro Legislaturperiode - bei der Letzten, vor einem Jahr, ging es in erster Linie darum, die Wogen zu glätten.

    "Was wir, gemeinsam in der Parlamentariergruppe, was uns auf den Nägeln brennt, ist die wahnsinnige schlechte Presse hierzulande zu Griechenland, aber auch dort in griechischen Medien zu Deutschland, Merkel mit dem Naziemblem, das auf jeden Fall zu entkräften."

    Während Annette Groth vermittelt, knüpft Hans-Joachim Fuchtel Kontakte. Vor einem halben Jahr hat die Bundeskanzlerin ihn beauftragt, die deutsch-griechische Versammlung zu leiten. Ein regelmäßiges Treffen von Kommunalpolitikern beider Länder. Manche nennen Fuchtel nun: Merkels Mann für Griechenland. Dabei weiß hierzulande kaum jemand, was er genau tut:

    "Wenn jemand Hunger hat, dann sollst du ihm keinen Fisch geben, sondern du sollst ihn lehren, wie man einen Fisch fängt. Und genau nach diesem Prinzip gehen wir gemeinsam vor und täglich wächst die Zahl der Anfragen."

    Es geht um das Kleinklein: Basisarbeit, netzwerken. Griechische Bürgermeister können sich bei deutschen Kommunalpolitikern Rat holen - sei es zu Müllentsorgung, Fährverkehr oder Weinbau. In Griechenland macht dieses Projekt enorm von sich Reden - auch im positiven Sinne, betont Fuchtel. Fast 50 Interviews hat Fuchtel bei seinem letzten Besuch vor Ort gegeben. Und einen griechischen Spitznamen hat er auch schon, erzählt er stolz: Fuchtelos. Doch auch er hat zu spüren bekommen, dass man als deutscher Politiker in Athen nicht immer willkommen ist.

    "Meine erste Erfahrung in manchen griechischen Medien war auch nicht so sehr begeisternd. Wenn man dort abgebildet wird in SA-Uniform als Merkels Statthalter, dann ist das bestimmt nicht die Ebene, die wir für eine konstruktive Zusammenarbeit brauchen."

    Der Deutschenhass wird größer. Das sagt ein Mann, der sowohl in Duisburg als auch auf Kreta zuhause ist. Und den das Magazin "Der Spiegel" - auch in Anspielung auf seine Dissertationsaffäre - Dr. Griechenland nennt - der
    FDP-Politiker und Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis:

    "Ich habe gemerkt, dass in Deutschland eine griechische Stimme fehlt. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass mir diese Rolle zugekommen ist, obwohl ich ja eigentlich für Deutschland im europäischen Parlament sitze. Aber da war eine Lücke. Und ich habe versucht, diese Lücke zu füllen. "

    Chatzimarkakis sieht seine Aufgabe darin, zu übersetzen. Gerade war er in Athen, mit einer Gruppe deutscher Journalisten. Die griechischen Journalisten sprachen über Alltagsprobleme, Ausweglosigkeit und Solidarität. Die Deutschen hingegen zählten auf, was die Krise ihr Land bisher gekostet habe und kamen zu dem Schluss: Die Griechen müssten mehr sparen und die Korruption vehementer bekämpfen.

    "Deutsche verstehen gar nicht, dass ihre Worte, ihr Zeigefinger demütigen. Sie denken, ihre Worte, na ist doch ganz normal, da muss man doch drüber reden können ja und nein."

    Statt des erhobenen Zeigefingers fordern immer mehr Griechen von den Deutschen ein gesenktes Haupt. Je massiver der Druck aus Deutschland wird, desto stärker rückt in Griechenland die Vergangenheit in den Fokus: Zweiter Weltkrieg, Besatzung, die Schuld der Deutschen.

    "Ihr habt es schon mal versucht, mit anderen Mitteln. Und was wir jetzt spüren, diese Demütigung, die hat einen ähnlichen Charakter wie das, was im Zweiten Weltkrieg militärisch passiert ist. "

    Die alten Wunden sind offen, sagt Chatzimarkakis. In dieser Situation brauche es symbolische Gesten. Und der FDP-Politiker schmiedet bereits konkrete Pläne: Er hat Bundespräsident Gauck vorgeschlagen, den griechischen Präsidenten Papoulias in seinem Heimatdorf zu besuchen - eine Gegend, in der die Nationalsozialsten viel zerstört haben.

    "Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Besuch dieses Ortes, dort, wo der griechische Präsident geboren wurde und wo er seinen Sommer verbringt, dass so ein Sommerbesuch im Urlaub sozusagen, ein Wahnsinnssymbol wäre."

    Doch bisher hat Chatzimarkakis aus dem Bundespräsidialamt nichts gehört. Und von Papoulias auch nicht. Den zu überzeugen, so Chatzimarkakis, ist zurzeit wohl die schwierigere Aufgabe.