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Berliner Ensemble
Theater, auf Krawall gebürstet

Gleich zwei neue Stücke am Berliner Ensemble legen ihren Fokus auf Feminismus, Geschlechtergerechtigkeit und #MeToo. Sie präsentieren sich als Collagen aus Konventionen, deren Brechungen, Humor und Wut. Die Rapperin Ebow steuerte die Musik bei und nimmt kein Blatt vor den Mund.

Von Jenni Zylka | 15.10.2018
    Die Künstlerin Ebow performt vor einer riesigen Leinwand. Darauf ist eine Farbexplosion zu sehen und ihr Name in schwarzen Buchstaben.
    Bewusstsein schaffen für Gleichberechtigung - das sollen die Stücke "Revolt. She Said. Revolt Again./Mar-A-Lago" nach Ansicht der Regisseurin (Pressebild Berliner Ensemble, Photograph: Julian Röder)
    "Ich komm an mit Punani Power - nani, nani, nani Power. Mami hat Punani Power - nani, nani, nani Power."
    Und ob die Power nun aus dem srilankesischen Punani oder sonstwoher stammt - Rapperin Ebow, die eigentlich Ebru Düzgün heißt, stimmt das Publikum gleich zu Beginn des Theaterstücks "Revolt. She said. Revolt again." von Alice Birch auf Krawall ein.
    Worum es tatsächlich geht in dieser zornigen Revue, die unter der Regie von Christina Tscharyiski fünf Schauspieler und Schauspielerinnen versammelt, ist komplex - und ein Dauerbrenner: die Beziehungen zwischen Mann und Frau nämlich, zwischen Frau und Gesellschaft, Frau und Arbeit, Körper und das Verhandeln von Sexualität, ob man sie nun passiv, aktiv oder reaktiv erlebt.
    "Okay, ich werde meine Beine spreizen."
    "Ja, spreize sie."
    "Aber zuerst könntest du deine spreizen."
    "In Ordnung. Spreize sie. Ich, äh, ich will sie nicht spreizen. Spreizen, das klingt irgendwie technisch, aufmachen, öffnen?"
    "Öffnen ist gut. Also du öffnest. Wir beide öffnen, aber ich möchte deine Beine öffnen."
    "Du öffnest meine Beine, deine Beine. Und ich möchte dich lecken. Ich möchte meine Zunge herausstrecken und ich möchte dich lecken."
    "Ich werde dich zurücklecken!"
    Persiflage und Zerbrechlichkeit
    Unterbrochen werden die verschiedenen Parts dieses ersten von zwei Teilen des Doppeltheaterstücks durch Ebows Musik. Die 28-jährige Münchnerin, die seit einiger Zeit in Wien lebt, hat im eigenen Backkatalog geblättert, mehr oder weniger passende Songs ausgewählt und ein paar Rhymes extra für das Stück geschrieben. Sie persifliert die Machoattitüde des Durchschnittsrappers durch drastisch-feministische Lyrik:
    "Schmeck', mein Blut Junge, schmeck' mein Blut. Schmeck', mein Blut Junge, schmeck' mein Blut. Den Kopf meiner Wut. Ertrink' in meiner Flut. Schmeck', mein Blut, Junge, schmeck' mein Blut. Schmeck' mein Blut, Junge, schmeck' mein Blut. Den Kopf meiner Wut. Ertrink' in meiner Flut. Mein Blut in den Wassern von Kurdistan. Mein Blut aus der Vagina am achten Tag. Mein Blut in Mutter, die die Sprache vergaß. Mein Blut auf den Takt mit 16 Bars."
    "Diese Zeile - 'schmeck' mein Blut' - sagt für mich sowas aus. Das hat so eine extreme Verletzlichkeit, weil ich blute, also ich sage: 'schmeck' mein Blut', aber gleichzeitig hat es so eine krasse Kraft, auch wie Blut bei der Menstruation, also Blut in so vielen Sinnen, also Blut, wenn man sich auf die Zunge beißt, weil man etwas nicht sagen darf oder nichts sagen kann, genau. Und ich fand, dass es supergut dazu passt, zu dem Stück."
    Wie ein assoziativer Rapsong
    Provokante Bilder funktionieren eben immer noch wie in den Anfängen des feministischen Theaters. Die von den drei Schauspielerinnen und zwei Schauspielern mit viel Verve und Humor präsentierte Collage aus Konvention, Erwartung und deren Brechung tippt vieles an, reizt manches aus, und wirkt mit ihrer energetischen Wut zuweilen selbst wie ein assoziativer Rapsong.
    Der zweite Teil des Doppelstücks heißt Mar-a-lago. Darin erkundet die österreichische Autorin Marlene Steeruwitz das Verhältnis zwischen Schauspielerinnen und Regisseur. Auch in diesem Stück revoltieren die Frauen - oder denken zumindest darüber nach. Thematisch bleibt es zwar unterhaltsam, aber recht introspektiv.
    "Wieso machen wir nicht unser eigenes Projekt?"
    "Die untraumatisierte Frau, fast unvorstellbar."
    "Mist, ich glaube nicht dass wir eine Förderung vom Senat kriegen. Ich hab eine Freundin, die reicht immer wieder feministische Projekte ein, und dann sagt man ihr, sie sei zu feministisch. Gemeint ist aber sie sei zu alt. Haahaa."
    Spiegel und Zerrbild einer Debatte
    Es ist klar: Der als feministische Doppelpremiere titulierte Theaterabend mit seinen manchmal sehr weisen, manchmal aber auch etwas willkürlichen Ausführungen zu Genderkonstruktion und Dekonstruktion passt gut in die Zeit. Er ist zugleich Spiegel und Zerrbild einer relevanten, lange noch nicht abgeschlossenen Debatte. Regisseurin Christina Tscharyiski:
    "Weiterkämpfen, weitermachen und ein Bewusstsein schaffen, ein Bewusstsein schaffen für eine Gleichberechtigung, dass die noch aussteht."
    Der Hashtag #MeToo, der auch durch dieses Programm wie ein, nun ja, blutroter Faden führt, ist eben erst der Anfang.