Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Berliner Universität der Künste
Vernetzung für geflohene Künstler

Unter den Flüchtlingen, die derzeit nach Deutschland kommen, sind auch viele Künstler, Designer und Kreative. In ihrem Beruf in einem fremden Land wieder Fuß zu fassen, ist für sie schwer. Die Universität der Künste in Berlin bietet ihnen deswegen eine besondere Schulung an - an deren Ende es keine Zertifikate gibt, aber mehr Orientierung.

Von Verena Kemna | 02.03.2016
    Universität der Künste, Bundesallee, Wilmersdorf, Berlin, Deutschland
    Die Universität der Künste in der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf (imago / Schöning)
    "Refugee Class" steht auf einem Din-A-4-Blatt im Haupteingang der Berliner Universität der Künste, kurz UdK. Ein dicker Pfeil darauf weist die Richtung. Zielgruppe sind Menschen mit künstlerischen Berufen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten und die in Berlin auf einen beruflichen Neustart hoffen. Freie Kunst, Film und Fernsehen, Musik, Design, das sind nur einige der Angebote in dieser ersten "Orientierungswoche", erklärt Honorarprofessorin Sabine Fischer. Sie hat das Programm an der UdK mitgestaltet und engagiert sich wie alle anderen beteiligten Dozenten ehrenamtlich:
    "Also wir arbeiten von unserer Seite mit dem was da ist, was wir können, erzählen darüber, gucken dann, welche Fragen kommen und dann kann sich etwas entwickeln."
    Kein Job, keine Arbeitskollegen, kein Einkommen
    Etwa 40 junge Erwachsene suchen im Seminarraum ihre Plätze, stellen sich erst mal vor. Die meisten kommen aus Homs, Aleppo und Damaskus, sie leben seit einem Jahr oder wenigen Monaten in Berlin, wissen nicht, wie es beruflich für sie weiter geht. Viele hatten in ihrer Heimat ein Leben als Musiker, Kunstmaler, Bildhauer, Architekten und Modedesigner - hier haben sie nichts, keinen Job, keine Arbeitskollegen, kein Einkommen. Ein beruflicher Neustart in Berlin sei unendlich schwer, erzählt Kussay Chi Chakly. Der Modedesigner mit spitzem Bart und Haarknoten lebt seit über einem Jahr in Berlin und weiß nicht weiter:
    "Ich habe 17 Jahre lang nonstop gearbeitet und ich bin wirklich gut. Ich bin Modedesigner, ich habe Entwürfe für Beyoncé und Jennifer Lopez gemacht und hier muss ich um den kleinsten Job betteln, das ist wirklich schwierig für mich."
    "Netzwerken" ist das Credo der Orientierungswoche
    Dozent Roman Lipski registriert aufmerksam die Fragen aus dem Publikum. Wo kann man in Berlin Künstler treffen, gibt es Aushilfsjobs für Kreative, kann jeder eine Vernissage besuchen, lohnt sich ein Studium an der UdK? Roman Lipski, selbst Kunstmaler aus Polen, will mit seinem Beispiel Mut machen. Er hat es geschafft: Heute hängen seine Bilder in Museen - der Weg dahin war nicht leicht. Auch er musste sich vor vielen Jahren als Neuankömmling mühsam seinen Weg suchen.
    "Niemand braucht uns wirklich und doch wir sind sehr, sehr wichtig. Es gibt viel mehr Möglichkeiten als man denkt."
    Konkreter wird er nicht, kann er nicht werden, zu individuell sind die Lebensläufe, die vor ihm sitzen. Stattdessen ist viel von "Netzwerken" die Rede, dem Credo in dieser Orientierungswoche. In der Pause tauschen viele Teilnehmer Mailadressen und Handynummern, allein dieses Kennenlernen wertet der Konzeptkünstler Florian Dohmann als Erfolg. Auch er ist als Dozent ehrenamtlich dabei.
    "Auch innerhalb der Teilnehmer ist das ein Netzwerk und wenn da Austausch entsteht, dann kann das schon viel mehr wert sein, als dass es einen Frontalvortrag von irgendjemandem aus der deutschen Wirtschaft gibt und hinterher alle wieder nach Hause gehen."
    "Es ist schwierig, zu wissen, was unsere Probleme sind"
    Am Ende des Tages ist Modedesigner Kussay Chi Chakly aus Damaskus zwar ernüchtert, aber er gibt die Hoffnung nicht auf.
    "Ich glaube, sie haben das super gemacht. Es ist ja auch schwierig, zu wissen, was unsere Probleme sind. Also ist es wichtig, dass sie uns fragen. Ich glaube, dass es einfach nicht genug Jobs gibt und für mich, ich habe mein ganzes Leben lang gearbeitet, ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll."
    Was er noch nicht weiß: Die Netzwerker an der UdK sind bereits aktiv.
    Drehbuchautoren, Juristen, Musiker, Online-Journalisten und Modedesigner werden in dieser Woche kommen, zuhören, Fragen sammeln und Konzepte entwickeln. Schon im April soll das Programm an der UdK weitergehen, dann mit konkreten Angeboten, etwa einem Galerierundgang oder Atelierbesuchen.