Donnerstag, 16. Mai 2024

Archiv


Besser robust als Hightech

Windenergie. - Windenergie hat in den vergangenen Jahren einen Boom sondergleichen erlebt. In Oldenburg diskutieren seit Dienstag Forscher aus ganz Europa, wie sich die Windenergienutzung noch weiter verbessern lässt.

Von Monika Seynsche | 11.10.2012
    Joachim Peinke hält wenig vom Trend in der Industrie zu immer größeren, immer leistungsstärkeren Windenergieanlagen.

    "Dieses Weiterentwicklung, größer, größer, größer, jedes Mal eine andere Maschine, man muss alles umkonstruieren, hat dazu geführt, dass man jahrelang immer nur Prototypen gebaut hat."

    Prototypen mit zahlreichen Kinderkrankheiten, sagt der Vizepräsident der Europäischen Akademie für Windenergie. Erst seit der Entwicklung der 2-MW-Anlagen vor zehn Jahren würden sich die Unternehmen nun Zeit nehmen, diese zu verbessern, zweite und dritte Generationen desselben Anlagentyps zu bauen und Erfahrungen zu sammeln.

    "Das ist sowieso die große Sache. Ich werde oft gefragt: Windkraftanlagen, wie hole ich mehr Leistung raus? Meinem Eindruck nach ist das überhaupt nicht die Frage. Wenn Sie das schaffen mit einem ganz billigen Brett das sie billig herstellen können, genügend Leistung zu holen dass Sie die Kosten für dieses Brett reinbekommen und dagegen ein extrem hochleistungsfähiges Rotorblatt hinstellen, was zehn Prozent, 20 Prozent mehr Leistung bekommt aber dann kriegen sie auch nur 20 Prozent mehr Ertrag aber gleichzeitig ist es doppelt so teuer, dann lohnt sich es nicht."

    Viel entscheidender als die Leistungsfähigkeit einer Anlage sei ihre Zuverlässigkeit. Schließlich sollen die Windräder viele Jahre lang Strom liefern.

    "Momentan sagt man so 20 bis 30 Prozent der Windenergiekosten sind Reparaturen und davon gibt es viele, wo man erstaunt ist, dass sie eintreten, die nicht vorher gesagt sind. Und wenn wir da verlässlichere Anlagen bekämen die einfach konstruiert sind aber stabil durcharbeiten 20 Jahre, das wäre sofort der Hit."

    Genau solche Anlagen hat auch Francesco Grasso im Sinn. Deshalb hat der Italiener am Energieforschungszentrum der Niederlande in Petten eine neue Familie von Rotorblattprofilen entwickelt.

    "Die Profile die ich hier gestern vorgestellt habe, sind für Regionen mit wenig Wind gedacht. Wir haben den vorderen Teil des Profils, auf den der Wind zuerst trifft, die sogenannte Profilnase, deutlich runder konstruiert, als bei herkömmlichen Rotorblättern. Dadurch sind unsere Rotorblätter weniger empfindlich. Denn wenn Fliegen, Sand oder anderer Dreck auf der Oberfläche kleben, beeinflusst das die Aerodynamik. Sie müssten also eigentlich die Anlage stoppen und die Flügel waschen. Das geht natürlich nicht einfach so. Deshalb haben wir Rotorblattprofile entworfen, denen dieser Dreck weniger ausmacht, weil die Profilnase runder ist."

    Das geht zwar ein wenig auf Kosten der Leistung aber dafür reagieren flachere Rotorblätter extremer auf Dreck und andere Störungen auf ihrer Oberfläche, meint Joachim Peinke.

    "Wenn eine Störung kommt, das nennt man diesen Stall-Effekt, dann gibt es eine Änderung der Auftriebskräfte die sprunghaft einsetzen und das gibt einen Knall, und dann krieg ich eine ganz große Kraftänderung und die geht mir als Schlag durch die Anlage."

    Bei runderen Profilen kommt es durch Schmutz auf der Oberfläche auch zu einer Änderung der Auftriebskräfte, aber diese verläuft deutlich sanfter, verursacht keinen starken Einbruch der Leistungsfähigkeit und belastet die Anlage deutlich weniger. Peinke:

    "Wenn da dann auch ein bisschen Schmutz draufkommt, macht das nichts, hat sowieso nicht die Hochleistung, aber läuft dafür stabil."

    Grasso: "Insgesamt ist dadurch die jährliche Energieproduktion höher. Ich habe keine genauen Zahlen, aber selbst wenn die Produktion nur um ein oder zwei Prozent steigt, ist das für die Hersteller schon jede Menge."

    Genau die muss Francesco Grasso jetzt noch von seinen Rotorblattprofilen überzeugen. Auf die Frage, ob ihm das gelingen wird, lacht er.

    "Well, hopefully, yes."