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Besuch an einer Pionierschule
Mehr (Neue) Musik im Schulalltag

Musikunterricht ist an vielen deutschen Schulen nicht nur Mangelware, sondern oft wenig kreativ: Komponistenbiografien, Quintenzirkel, Noten-Pauken. Eine Schule aus dem pfälzischen Grünstadt hat eine AG gegründet, die einen ganz neuen Ansatz verfolgt und den Schülerinnen und Schülern auch Neue Musik nahebringt.

Von Anke Petermann | 22.09.2016
    Jugendliche proben gemeinsam ein Musikstück.
    Beim Musizieren erlernen die Schülerinnen und Schüler auch das Notenlesen. (dpa/Christoph Schmidt)
    Fünf Musiklehrer auf 1.200 Schüler, damit ist das Leininger Gymnasium im pfälzischen Grünstadt überdurchschnittlich gut ausgestattet. Schlagzeuge, die nicht mehr frisch klingen, und kaputte Geigen, die aus Geldmangel nicht ersetzt werden finden sich auch hier. Aber insgesamt ist die Bandbreite der Instrumente groß. Sogar Mikrofone und einen Elektro-Bass gibt es. Musik ist an dieser Schule ein profilbildender Schwerpunkt – genehmigt wohl auch, weil ihre 1970 gegründete Arbeitsgemeinschaft Neue Musik bundesweites Renommee genießt.
    Computer-Tastaturen werden zu Instrumenten
    In der AG Neue Musik des Leininger Gymnasiums in Grünstadt werden ausrangierte Computer-Tastaturen zu Rhythmusinstrumenten. Die 15 bis 18-Jährigen arbeiten mit Papier-Tröten genauso wie mit Instrumenten und der eigenen Stimme. Die meisten besuchen zusätzlich zum regulären Musikunterricht mit zwei Wochenstunden die Musikklasse, die zum Schwerpunkt gehört - je eine gibt es in jeder Stufe zwischen der Fünften und der Zehnten.
    "Man hat halt eine Stunde extra Musik, und da macht man auch mehr praktische Musik." - "Ja, man übt zum Beispiel verschiedene Lieder ein und guckt einfach mal, worauf die Schüler auch Lust haben",
    erzählen die Zehntklässler Emma Mattinger und Simon Meister. Zusätzlich ist eine Arbeitsgemeinschaft verpflichtend: Chor, Orchester, oder eben Neue Musik.
    Mehr Praxis statt Theorie
    Komponistenbiografien, Quintenzirkel, Noten-Pauken, – die alte Theorielastigkeit hat der Musikunterricht längst verloren. Notenlernen gehört weiterhin dazu, aber zunehmend eingebettet ins Musizieren. Mit dem Praxisbezug wächst die Begeisterung der Schüler.
    "Wir machen jetzt Minimal Music, und da haben wir zum Beispiel mit Klatschen erarbeitet, wie das entsteht, und was das Besondere daran ist, und das ist halt gut, weil man macht es selbst und entwickelt so ein Stück auch selbst. Also nach Noten, aber trotzdem." - "Mit der Praxis kann man ja auch die Theorie erklären. Von daher: Ich finde, es braucht so ein perfektes Mischverhältnis, damit sich die Schüler begeistern."
    Praktisch musiziert wird bundesweit auch in immer mehr Bläser- und Streicherklassen. In diesen Profilklassen sieht der Bundesverband Musikunterricht ein Erfolgsmodell. Die Grünstädter Musiklehrerin Silke Egeler-Wittman leitet die AG Neue Musik, sie arbeitet außerdem in der rheinland-pfälzischen Lehrerfortbildung und registriert mit Blick auf die Spezialklassen.
    "Es gibt auch immer mehr Literatur, es gibt immer mehr Leute, die sich in dem Bereich fortbilden, immer mehr Leute, die das mit großer Leidenschaft machen.
    Rheinland-Pfalz hat Vorreiterrolle
    Vom kommenden Schuljahr an bezieht der Lehrplan die Profilklassen mit ein. Damit ist Rheinland-Pfalz Pionier bei deren Integration in den Musik-Unterricht. Silke Egeler-Wittmann hofft, dass das Land seine Vorreiterrolle auch mit der Zuweisung zusätzlicher Lehrkräfte und Wochenstunden unterfüttert. Nur dann seien die notwendigen Einzelproben mit Instrumentengruppen möglich:
    "Wir wünsche uns das sehr, dass gesehen wird, dass eine solche Profilklasse unbedingt entsprechend Personal und Stunden braucht, und dass natürlich insgesamt der Musikunterricht nicht weiter zurückgefahren wird, sondern eben tatsächlich bestehen bleibt, weil er unglaublich wichtig ist für das Gesamtpaket Schule."
    Das bestätigen auch die Schüler, gerade weil der Unterricht am Leininger Gymnasium auch die Neue Musik mit Tanz und Sprechtheater einbezieht.
    Verbindung von Neuer Musik mit Tanz und Theater
    "Auch dieses ganze Selbstbewusstsein, das lernt man einfach durch die ganzen schauspielerischen Aktionen, die man in der AG macht, das kann man zum Beispiel auch auf Referate übertragen."
    "Die Art und Weise, wie wir in der AG arbeiten, ist etwas, was ich immer mit reinnehme. Selbst im Deutschunterricht fließen bei mir immer mal so Performance-Elemente mit ein, und das macht dann großen Spaß, mal mit der Stimme zu arbeiten, mal mit dem Körper, mal zu experimentieren, im weitesten Sinn. Insofern: Bei mir fließt das auf jeden Fall zusammen als Schnittstelle, sagt Silke Egeler-Wittmann.