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Bilanz der Weltklimakonferenz
"Das ist ein erster wichtiger Schritt"

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat eine positive Bilanz der Weltklimakonferenz in Lima gezogen. Im Deutschlandfunk sagte die SPD-Politikerin, dass nun verbindliche Regeln bis zur Konferenz in Paris Ende 2015 ausgearbeitet werden müssten - denn erstmals hätten alle Länder ein gemeinsames Ziel anerkannt.

Barbara Hendricks im Gespräch mit Bettina Klein | 15.12.2014
    Barbara Hendricks beim Weltklimagipfel in Gipfel.
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks war beim Weltklimagipfel in Lima dabei. (picture alliance/dpa/Paolo Aguilar)
    Das sogenannte Zwei-Grad-Ziel ist eine von Wissenschaftlern mehr oder weniger willkürlich festgelegte Grenze. Die durchschnittliche Erdtemperatur soll langfristig nicht mehr als zwei Grad höher liegen als vor Beginn der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Bei einer stärkeren Erwärmung fürchten viele Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte im Deutschlandfunk, diese Meinung sei bisher nur eine Übereinkunft der Wissenschaft gewesen, nicht aber der Politik. Das sei nach der Klimakonferenz in Lima anders. Hendricks sprach von einem Durchbruch: "Immerhin ist es gelungen, alle darauf zu verpflichten, zu wissen, dass wir das Zwei-Grad-Ziel einhalten müssen." Nun überlege jede Regierung bis zum kommenden Frühjahr, was sie im eigenen Land tun möchte, um den Klimawandel zu stoppen.
    Kritik von Umweltschützern
    Das alte Kyoto-Protokoll habe inzwischen nur noch 40 Mitglieder, große Treibhausgas-Emittenten wie die USA, China und Kanada seien nicht dabei gewesen, sagte Hendricks. Bis zum Treffen in Paris im nächsten Jahr müsse es aber noch viele Anstrengungen geben.
    Nach zähem Ringen hat sich die UN-Klimakonferenz in Lima am Wochenende auf erste Eckpunkte für einen Weltklimavertrag geeinigt. Vertreter von 195 Staaten verständigten sich am Sonntag zum Abschluss der zweiwöchigen Verhandlungen auf einen Rahmenentwurf für ein Abkommen, das Ende 2015 in Paris vereinbart werden soll. Die meisten Fragen sind aber noch offen. Umweltverbände und Hilfsorganisationen hatten die Ergebnisse des Klimagipfels als enttäuschend bewertet.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Ein Minimalkonsens sei das hier nur, es hagelt inzwischen Kritik von Umweltverbänden, die sich sehr enttäuscht zeigen. Man konnte dagegen hören, die Bundesregierung war erleichtert und freue sich über den Durchbruch. Dort also eher eine positive Einordnung. Am Telefon ist jetzt die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks von der SPD. Guten Morgen!
    Barbara Hendricks: Guten Morgen!
    Klein: Frau Hendricks, was genau war jetzt der Durchbruch?
    Hendricks: Nun, immerhin ist es gelungen, alle darauf zu verpflichten zu wissen, dass wir das Zwei-Grad-Ziel einhalten müssen. Dazu gibt es bisher nämlich noch überhaupt keine internationale Übereinkunft, wohl eine der Wissenschaftler, aber bisher noch nicht der Politik. Das wird auf jeden Fall in Paris beschlossen werden und das ist ein erster wichtiger Schritt.
    Daneben ist es auch wichtig, dass wir für Vertrauen haben sorgen können, bei den Entwicklungsländern insbesondere durch die Erstauffüllung des grünen Klimafonds. Und es ist wichtig, dass wir überhaupt alle Länder mit einbeziehen, denn das alte Kyoto-Protokoll, was ja noch gilt, hat eigentlich nur noch so gut 40 Mitglieder und die ganzen großen Emittenten, USA, China, Indien, Australien, Kanada, die sind alle nicht dabei. Die werden aber beim nächsten Abkommen dabei sein und jeder wird vorlegen, schon im ersten Halbjahr spätestens, was er denn in seinem eigenen Land zu tun gedenkt, um den Klimawandel zu stoppen.
    Nach dem Verhandlungsmarathon: UNO-Klimasekretärin Christiana Figueres und der peruanische Umweltminister Manuel Pulgar beklatschen den Klima-Deal.
    Nach dem Verhandlungsmarathon: UNO-Klimasekretärin Christiana Figueres und der peruanische Umweltminister Manuel Pulgar beklatschen den Klima-Deal. (AFP / CRIS BOURONCLE)
    "Bis 2020 werden wir das sicher schaffen"
    Klein: Dann schauen wir mal auf die Argumente derer, die das als viel zu dünn kritisieren. Einen Punkt haben Sie gerade angedeutet. Die Entwicklungsländer sollen unterstützt werden, man will ihnen helfen. Aber es ist ja völlig offen, wie diese versprochenen 100 Milliarden Dollar zusammenkommen sollen.
    Hendricks: Ja, natürlich. Aber es war von Anfang an immer klar, dass das keine 100 Milliarden Dollar aus öffentlichen Haushaltsmitteln sind - immerhin zehn Milliarden Dollar aus öffentlichen Haushaltsmitteln sind schon zusammengekommen -, sondern dass es sich um Mittel aus den Haushalten und von Investoren handelt, und darum geht es jetzt. Die öffentlichen Mittel sollen im Prinzip die privaten Investorenmittel hebeln. Das kennt man ja als Prinzip. Es finden natürlich sehr viele Investitionen in den Ländern des Südens statt und die müssen in Zukunft klimafreundlich sein, und da kommt es sehr darauf an, dass das auch in Zusammenarbeit mit Finanzinstitutionen, mit Versicherungen und anderen vorangetrieben wird. Da sind wir allerdings noch nicht an einem guten Ende, aber bis 2020 werden wir das sicher schaffen.
    Klein: Aber es soll ja ein Vertrag schon im kommenden Jahr in Paris unterzeichnet werden. Stehen nicht vor diesem Vertrag enorme Anstrengungen und jede Menge Hürden, die in Lima eben gerade nicht beseitigt werden konnten?
    Hendricks: Ja, das ist richtig. Es stehen in der Tat noch große Anstrengungen bevor. Es war allerdings auch nicht zu erwarten, dass gleichsam alle Positionen hier schon geräumt wurden und, ich sage mal, Zustimmung zu allem gegeben wurde. Die sogenannten Like-Minded Countries innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer, zu denen sich in diesem Zusammenhang zum Beispiel China oder die arabischen Staaten auch zugehörig fühlen, die wollen natürlich vor Paris noch nicht jedes Faustpfand aus der Hand geben, und es wird in der Tat im nächsten Jahr noch viel verhandelt werden müssen. Im Februar geht es auf der Fachebene schon weiter und wir haben auch die Chance, von Deutschland aus durchaus noch Einfluss zu nehmen, zum Beispiel im Rahmen der G7-Präsidentschaft im Sommer, aber auch durch den von uns traditionell veranstalteten Petersberger Klimadialog im Mai, zu dem ich einladen werde.
    Klein: Sie haben es gerade angedeutet: Schwellenländer weigerten sich, mehr Verantwortung zu übernehmen. Und wir haben zum Beispiel gesehen, dass das schwerreiche Saudi-Arabien gerne als Entwicklungsland durchgehen möchte, um da noch Hilfe zu kassieren. Wie sollen solche Länder denn überzeugt werden, dass sie mehr Verantwortung übernehmen Ihrer Meinung nach?
    Hendricks: Ja. Ich meine, wir hatten eine Formulierung ungefähr gegen Ende der offiziellen Sitzungszeit, und dann gab es ja noch mal anderthalb Tage Verlängerung, wo noch sehr, sehr hart verhandelt wurde von genau diesen sogenannten Like-Minded Countries, die besonders hartleibig sind, in dem Zusammenhang die arabischen Länder oder Teile der arabischen Länder, China, Indien und andere. Die wollen in der Tat nicht unbedingt Geld rausziehen als Entwicklungsländer. So muss man es nicht sehen. Aber die wollen jedenfalls nicht bei der finanziellen Verantwortung ihrerseits gepackt werden. Und wir hatten eine Formulierung, die hieß, die Industrieländer und andere, die es können, die sollen beitragen zur Anpassungsfinanzierung und den Entwicklungsländern dabei helfen. Das ist am Schluss wieder rausgestrichen worden. Das heißt aber nicht, dass wir das hier in Paris nicht wieder reinkriegen, denn das ist eine Formulierung, die diese sogenannte Firewall, die bisher hart aufgebaut ist zwischen den Entwicklungsländern auf der einen Seite und den Industrieländern auf der anderen Seite, aufbrechen soll. Man darf nicht vergessen: Im Kyoto-Protokoll waren überhaupt nur die Industrieländer verpflichtet, irgendetwas zu tun, und deswegen ist es auch so schwierig, da einen richtigen Umschwung hereinzubekommen. Damit sind wir jetzt sicherlich noch die nächsten acht bis zehn Monate kräftig beschäftigt.
    "Die Minister waren am Schluss alle nicht mehr da"
    Klein: Frau Hendricks, Sie haben angesprochen, wie schwierig das gerade am Ende der Verhandlungen war. Stimmt es eigentlich, dass Sie tatsächlich vor dem Ende der Konferenz abgereist sind?
    Hendricks: Nein! Ich bin nicht vor dem Ende der Konferenz abgereist. Ich bin bis zum Ende der geplanten Konferenz dort gewesen, hatte allerdings von Anfang an mit meinem Staatssekretär besprochen, der ja auch der Verhandlungsführer war sowieso, dass eine eventuelle Verlängerung von ihm gemacht wird. Die Minister waren am Schluss sozusagen alle nicht mehr da. In diesem sogenannten Beichtstuhl-Verfahren, was da noch stattfindet, waren wir als Deutschland sowieso nicht gefragt, weil wir ja nicht zu den schwierigen Kantonisten gehören, und insofern war das gut zu vertreten, dass mein Staatssekretär den Schluss der Verhandlungen übernommen hat.
    Klein: Die Kritiker sagen nun, die Erfahrung zeige gerade bei solchen internationalen Konferenzen, dass es gerade oftmals in der Schlussrunde wirklich auf persönlichen Einsatz ankommt, auch der Spitzenpolitiker. Weshalb haben Sie diese Chance nicht selber genutzt?
    Hendricks: Sehen Sie mal, man kann das natürlich so behaupten. Aber es war zum Beispiel keine französische Kollegin mehr da, es war kein amerikanischer Minister da, es war kein chinesischer Minister da. Natürlich kann man mir das vorwerfen. Ich sehe das aber nicht, denn auf jeden Fall waren wir gut vertreten und wir haben ja auch das, was wir erreichen konnten, zusammen mit der Europäischen Union erreicht. Ich bin bis Freitagsabends da gewesen und es sind dann noch zwei lange Nächte drangehängt worden. Das ist richtig, das konnte man vorher nicht absehen.
    Klein: Barbara Hendricks, die Bundesumweltministerin, heute Morgen im Deutschlandfunk zum Ergebnis der UNO-Klimakonferenz in Lima. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Frau Hendricks.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.