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Bildung
Zu wenig Geld für gute Lehre?

Zwei Milliarden Euro hat der Bund seit 2011 in den "Qualitätspakt Lehre" investiert. Dadurch sollen Studierende besser betreut und die Lehrqualität an den Hochschulen verbessert werden. 2020 laufen die Fördermittel des Bundes für die Initiative aus. Wie es danach weitergeht, ist noch unklar.

Von Kai Rüsberg | 23.09.2016
    Formeln stehen auf einer schlecht gewischten Tafel am 29.10.2012 in Berlin in einer Vorlesung "Mathematik für Chemiker" im Walter-Nernst-Haus auf dem Campus Adlershof der Humboldt-Universität.
    Die Gesellschaft für Hochschuldidaktik schlägt in einem Positionspapier vor, Wissenschaftler in der Lehre systematisch weiterzubilden. (picture-allicance / dpa / Jens Kalaene)
    "Das Thema Lehre ist für Studenten jeden Tag wichtig."
    Simon Paul erhält als Hochschulreferent des Asta an der Bochumer Ruhruniversität regelmäßig Beschwerden von Studenten über ihre Lehrveranstaltungen.
    "Wir erleben es jeden Tag, dass es große Unterscheide gibt. Es gibt Kurse wo es gut, andere wo es schlecht läuft und wir versuchen dann mit den Dozenten zu verhandeln, um die Lehrsituation zu verbessern."
    Der Bund hat deshalb mit dem Qualitätspakt Lehre die Initiative ergriffen, das Lehrangebot in allen Fachbereichen zu verbessern. Seit diesem Jahr läuft bis 2020 die zweite Phase an 156 Hochschulen. 3.000 Stellen wurden geschaffen, die innovative Lehrmethoden erarbeiten und erfolgreich Schulungen für die Lehrenden anbieten.
    Lehrende verharren gern in alten Strukturen
    "Ich glaube, dass die Dozierenden gerne an den alten Methoden festhalten, und in Strukturen verharren und ich mir manchmal mehr Mut wünschen würde, etwas neues zu probieren."
    Der Qualitätspakt Lehre hat ein nachhaltiges Umdenken ausgelöst, meint Antonia Scholkmann, Vorstand der deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik.
    "Was ausgelöst worden ist, dass in fast jeder staatlich finanzierten Hochschule in Deutschland die Lehre in irgendeiner Form ein Thema ist und entwickelt wird."
    Wissenschaftler sollen systematisch weitergebildet werden
    Die Gesellschaft für Hochschuldidaktik schlägt in ihrem heute vorgestellten Positionspapier daher vor, Wissenschaftler in der Lehre systematisch weiter zu bilden, mit anerkannten Methoden, die gegenseitig von den Hochschulen anerkannt werden. Wie im Beispiel der Ruhruni Bochum, wo Markus Petermann das Projekt "exzellentes Lernen in den Ingenieurwissenschaften" initiiert hat.
    "Klassisches Lernen ist der Frontalunterricht. Was wir teilweise umgesetzt haben ist ein projektbasiertes Lernen. Wir geben den Studierenden eine Aufgabe, zum Beispiel entwickeln Sie einen Kaffeeröster für den Homebereich. Und sie geben ihnen aber möglichst wenig Vorgaben. Zum Beispiel: Nicht mehr als 1000 Euro Kosten und er soll ein Fairtradeprodukt sein."
    Nicht alle Lehrende sind begeistert
    Für die Dozenten bedeutet das zunächst mehr Aufwand bei der Gestaltung der Lehrveranstaltung, was sich aber später wieder auszahlt, meint Petermann. Aber es sei nicht leicht, alle Kollegen davon zu überzeugen:
    "Es gibt in jeder Fakultät eine Gruppe, die sagt, ich bin sehr interessiert, die Lehre voranzubringen. Und ein paar, die sich träger bewegen und man mehr Unterstützung leisten muss."
    Marianne Merkt, Didaktikforscherin an der Hochschule Magdeburg-Stendal, erkennt in diesem Verhalten systematische Problemfelder für eine Verbesserung der Lehre.
    "Die Widerstände sind da, weil die Gruppe etwas verliert. Ein Negativbeispiel ist, dass sich diese Professoren auf externe Felder ausgerichtet haben und gar nicht mit der Lehre identifizieren. Sondern ihre Reputation aus externen Verbindungen ziehen und das eher als Konkurrenz sehen."
    Merkt fordert als Vorsitzende der Gesellschaft für Hochschuldidaktik mit dem Positionspapier, dass die Lehrkompetenz weiter entwickelt werden müsse. Weiter wird die Professionalisierung der Lehre gefordert, und dass berufsethische Standards bei der Besetzung von Lehrstühlen Voraussetzung werden.
    Finanzierung nach 2020 ist noch nicht gesichert
    Wie wird die pädagogische Eignung geprüft in Berufungsverfahren. Das ist ganz sensibel. Wenn man einen Kollegen einstellt, die überhaupt kein Interesse an der Pädagogik hat, dann haben Sie auf Jahrzehnte die Klagen in den Prüfungsausschüssen, alle Kollegen müssen Veranstaltungen übernehmen.
    Fraglich ist, wie die Kosten für die Lehrentwicklung künftig finanziert werden, wenn 2020 die Fördermittel des Bundes aus dem Qualitätspakt Lehre auslaufen.