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Bio-Raffiniert

Chemie. - Erdöl ist derzeit noch ein Hauptrohstoff für die Kraftstoff- und die chemische Industrie. Mit zunehmenden Rohstoffpreisen für fossile Energieträger könnte in Zukunft aber auch die Biomasse für die Chemie immer attraktiver werden. Daher versuchen viele Forscher zur Zeit, das Prinzip einer Erdöl-Raffinerie auf pflanzliche Rohstoffe zu übertragen. Einige dieser Experten treffen sich zurzeit auf der "Bio-Raffiniert" in Oberhausen.

Von Arndt Reuning | 17.02.2011
    Biodiesel, Bioethanol, umweltverträgliche Kunststoffe auf Basis von Milchsäure. Das alles gibt es heutzutage schon. Die Bio-Raffinerie als grüne Chemiefabrik der Zukunft soll aber mehr können. Sie soll nicht nur ein einzelnes Produkt liefern, sondern gleich eine ganze Palette. Und das mit höchster Effizienz, sagt Görge Deerberg vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik.

    "Das schauen wir ein wenig von der Erdölraffinerie ab und von Chemiestandorten. Dort ist die hohe Effizienz dieser Anlagen im Wesentlichen durch die Koppelproduktion gegeben. Das Geheimnis ist eigentlich die Nutzung aller Reststoffe, um aus diesen Reststoffen wieder Produkte herzustellen. So dass man also wirklich reststoffarm produziert. Und das gucken wir im Grunde genommen bei der Erdölraffinerie ab, die aus jedem letzten Tropfen Öl noch Produkte herstellen kann."

    Wer heutzutage Biomasse als Rohstoffquelle nutzt, verwertet meist nur einen speziellen Teil der Pflanze. Zum Beispiel die stärkehaltigen Maiskolben, um daraus Bioethanol herzustellen oder die Rapssaat, aus der sich Öl für die Biodieselproduktion pressen lässt. Ein Bio-Raffinerie nutzt idealerweise die ganze Pflanze. Das Holz von Bäumen zum Beispiel besteht aus drei Hauptkomponenten: aus den Zuckermolekülen der Zellulose und der Hemizellulosen und aus dem Lignin. Aus den ersten beiden lassen sich Glukose und andere Zucker herstellen, die von Mikroorganismen zu wertvollen Chemikalien umgewandelt werden können, wie zum Beispiel zum Bioethanol oder zu dem Kunststoff Polymilchsäure. Deerberg:

    "Wirklich schwierig und herausfordernd wird es beim Lignin. Diese Verbindung ist chemisch recht stabil. Dafür ist sie auch im Holz drin, das hat die Natur sich so ausgedacht. Und unsere Chemiker und wir arbeiten da noch dran, was Grundstoffgängiges draus zu machen. Wir wissen aber heute schon, dass wir aus dem Lignin selber mit einigen wenigen Aufbereitungsschritten auch schon direkt schöne Produkte machen können."

    Bisher wurde das Lignin eher als ein Abfallprodukt angesehen. Bei der Herstellung von Papier und Zellstoff zum Beispiel wurde es einfach abgetrennt und verbrannt. In einer Bioraffinerie könnte es als umweltverträglicher Rohstoff genutzt werden, erklärt Gerd Unkelbach vom Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse, das zur Zeit in Leuna entsteht.

    "Bis zu dreißig Masseprozent vom Holz ist Lignin. Und das einfach zu verbrennen wäre viel zu schade. Mögliche Anwendungen, auch große Anwendungen, sind Phenolformaldehydharze, bekannt aus der Spanplattenherstellung."

    Phenol ist eine Substanz, die üblicherweise von der Erdölchemie geliefert wird. Im Lignin hat die Natur schon einen Teil dieser Synthesearbeit übernommen. Als biologische Quelle von Phenolverbindungen ist der Holzstoff daher besonders wertvoll. Am Fraunhofer-Zentrum in Leuna soll Ende 2012 eine erste Pilotanlage in Betrieb gehen, die Lignin aus Holzhackschnitzeln gewinnen wird. Dazu muss der harzartige Stoff zunächst einmal aus dem faserigen Holz heraus gelöst werden. Das geschieht in einer Mischung aus Wasser und Alkohol. Unkelbach:

    "Und da drin befinden sich die Holzhackschnitzel in einer Art großen Dampfkochtopf. Dann erhitzt man das gesamte System auf bis 200 Grad und löst dadurch das Lignin aus diesem Faserverbund."

    Danach können die anderen beiden Komponenten, Zellulose und Hemizellulosen, abgetrennt und zu einfachen Zuckerverbindungen verarbeitet werden. Insgesamt eine Tonne Holz pro Woche soll die Pilotanlage verwerten können. Eine kommerzielle Bioraffinerie müsste bis zu 400.000 Tonnen pro Jahr schaffen. Ob sich solch eine grüne Chemiefabrik tatsächlich rechnet, hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von den Weltmarktpreisen für die Rohstoffe, aus denen Zucker heute gewonnen wird.