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Brauner Zwerg ganz cool

Die Astronomie ist eine Wissenschaft der Extreme. Die Forscher spüren den am weitesten entfernten Objekten nach, den größten, den heißesten oder den massereichsten. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Astrophysical Journal" meldet ein amerikanisch-europäisches Forscherteam die Entdeckung zweier besonderer Sterne: Die sind aber nicht extrem heiß, sondern extrem kühl.

Von Dirk Lorenzen | 23.03.2011
    "Der Braune Zwerg ist nur etwa einhundert Grad Celsius warm, er hat also die Temperatur von kochendem Wasser. Es ist wohl der kälteste Stern, den wir je direkt beobachtet haben","

    freut sich Michael Liu. Der Astronom an der Universität von Hawaii erforscht Braune Zwerge, also zu kurz gekommene Sterne. Diese recht dunklen Objekte leuchten zwar für etliche Millionen Jahre, haben aber nicht genügend Masse, um auf Dauer das Feuer der Kernfusion zu zünden. Im Laufe der Zeit kühlen sie wieder ab, ohne jemals ein "echter" Stern wie die Sonne geworden zu sein. Einhundert Grad Celsius sind für Menschen sehr heiß. Bei Sternen, die üblicherweise viel höhere Temperaturen haben, klingen einhundert Grad Celsius fast schon nach Gefrierfach.

    " "Wenn solche Objekte abkühlen, ändert sich ihre Atmosphäre. Es bilden sich Moleküle und schließlich sogar kleine Staubteilchen. Nach den Modellen sollte bei einem so kühlen Braunen Zwerg Wasser kondensieren. Wir wissen noch nicht, ob das wirklich der Fall ist. Aber mit speziellen Filtern wollen wir jetzt nachsehen, ob sich bei diesem Braunen Zwerg gerade Wasserwolken bilden."


    Die Astronomen nutzen zwei Teleskope auf Hawaii und das europäische Very Large Telescope in Chile. Das Licht des Braunen Zwergs lässt sich in seine Farben zerlegen und verrät so Temperatur und chemische Zusammensetzung der Atmosphäre. Mögliche Wasserwolken deuten eher auf einen Planeten als auf einen Stern. Tatsächlich lassen sich Braune Zwerge kaum klar zuordnen. Auch dieser kühle Braune Zwerg hat, bezogen auf unser Planetensystem, mehr mit Jupiter gemein als mit der Sonne.

    "Bisher schätzen wir ihn auf sechs bis 15 Jupitermassen. Das ist sehr, sehr wenig. Glücklicherweise ist dieser Braune Zwerg Teil eines Paares: Dort draußen im All kreisen zwei Zwerge umeinander. In den kommenden zehn Jahren werden wir regelmäßig den Tanz der beiden verfolgen. Kennen wir die Bahn der zwei Braunen Zwerge, liefert die Anziehungskraft zwischen ihnen direkt die Masse der beiden Objekte."

    Zum Vergleich: Ein echter Stern muss mindestens 70mal soviel Masse wie Jupiter haben, um richtig zu leuchten. Unsere Sonne ist sogar 1000mal schwerer als Jupiter. Dieses Brauner-Zwerg-Paar, das sich 75 Lichtjahre entfernt im Sternbild Bootes befindet, ist für die Astronomen buchstäblich ein Geschenk des Himmels. Weil Braune Zwerge so leuchtschwach sind, sind bisher nur recht wenige dieser rätselhaften Objekte bekannt, auch wenn es Milliarden davon allein in unserer Milchstraße geben muss.

    "Wir diskutieren schon lange, worin genau sich ein Stern und ein Planet unterscheiden. Uns fasziniert, dass wir es hier mit einem Objekt zu tun haben, das in jedem Fall genau in dem Bereich liegt, in dem beide Gruppen irgendwie überlappen. Die Atmosphäre dieses Braunen Zwergs zu untersuchen, ist eine einzigartige Möglichkeit, die wir bisher noch nie gehabt haben."

    Im Januar hatte schlechtes Wetter geplante Messungen vereitelt. Die nächste Beobachtungszeit an den Teleskopen steht für Michael Liu und sein Team im April an: Dann werden sie diese in jeder Hinsicht so coolen Braunen Zwerge erneut unter die Lupe nehmen - und etwas über die Entwicklung von Sternen und Planeten lernen.