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Braunkohle-Proteste
RWE-Werkschutz als Hilfstrupp der Polizei?

Die teils heftigen Braunkohle-Proteste vom vergangenen Wochenende im rheinländischen Garzweiler bei Aachen könnten möglicherweise noch ein politisches Nachspiel haben. Nach Recherchen des WDR haben Polizei und Werkschutz des Energiekonzerns RWE bei ihrem Vorgehen gegen die Demonstranten ungewöhnlich eng zusammengearbeitet.

Von Jürgen Döschner | 19.08.2015
    Die Braunkohle-Gegner sitzen im Tagebau Garzweiler auf und vor dem Fahrwerk eines Braunkohlebaggers.
    Die Braunkohle-Gegner sitzen im Tagebau Garzweiler auf und vor dem Fahrwerk eines Braunkohlebaggers. (picture alliance / dpa / Marius Becker)
    RWE, der Betreiber der Braunkohlegruben am Niederrhein und größter Kohleverstromer Deutschlands, hatte sich offenbar schon früh auf eine harte Linie gegenüber den angekündigten Aktionen in Garzweiler festgelegt.
    "Wer unser Betriebsgelände betritt, Betriebseinrichtungen betritt, lahmlegt, der begeht eine Straftat. Eine Straftat, die wir anzeigen werden, und die wir auch verfolgen werden."
    Das hatte RWE-Sprecher Guido Steffen bereits am Freitag letzter Woche erklärt. Von Deeskalation keine Spur. Im Gegenteil: Nach Recherchen des WDR hatte die Polizei im Vorfeld der Aktion angeregt, den Betrieb in dem Tagebau an diesem Wochenende ruhen zu lassen. Damit wären die Proteste ins Leere gelaufen. Doch darauf wollte sich RWE nicht einlassen – nach eigener Darstellung, weil die Gefahren sich nicht auf die Bagger beschränkten.
    Es folgten die bekannten, heftigen Auseinandersetzungen. Und hier spielte Hausherr RWE offenbar eine viel größere Rolle als bislang bekannt. So stelle der Werkschutz sich nicht nur als Fahrdienst für die Polizei zur Verfügung. Bilder und Augenzeugenberichte, die dem WDR vorliegen, legen den Verdacht nahe, dass RWE-Mitarbeiter auch direkt und massiv an den teils stundenlangen Einkesselungen der Demonstranten beteiligt waren. Georg Kössler, Umweltaktivist aus Berlin:
    "Es gab insgesamt drei Orte, an denen Aktivisten festgesetzt wurden. Unten am Bagger, da kam die Polizei überhaupt nicht mit ihren Autos hin. Da hat sich der Werkschutz um die Demonstranten herum aufgestellt. Die anderen beiden Kessel, in einem habe ich mich befunden, da wurde der Kessel selber aus den weißen Jeeps des Werkschutzes selber gebildet. Und nur in den kleinen Lücken dazwischen standen abwechselnd RWE-Mitarbeiter und Polizisten und haben keinen durchgelassen."
    Enge Verbindungen zwischen RWE und Politik
    Verschiedene Fotos bestätigen das. Auf einem Bild ist ein Mann in ziviler Kleidung und mit gelber Warnweste zu sehen, der einen Demonstranten mit Gewalt auf den Boden drückt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls ein RWE-Mitarbeiter. Die Beobachtungen von Tadzio Müller, der ebenfalls in einem der Kessel festgehalten wurde, gehen noch weiter:
    "Kurz vor dem Bagger wurden wir dann gestoppt, von folgendem Arrangement: einer relativ dünnen Polizeikette, die Effektivität dieser Kette wurde nur hergestellt, dass direkt dahinter, eng aneinander gereiht, wieder diese weißen Pickups von RWE waren. Und direkt vor diesen Pickups standen RWE-Mitarbeiter, die jeweils so dünne Stahlstreben in der Hand hielten."
    Die Polizei im koordinierten Einsatz mit privaten und teilweise mit Eisenstangen ausgerüsteten Werkschützern? RWE wollte diesen und die anderen Vorwürfe nicht kommentieren. Die Nähe von RWE zur Politik ist schon durch die kommunalen Eigner sehr groß. Der oberste Dienstherr der Polizei in Düren saß bis wenige Tage vor den Demonstrationen noch im Aufsichtsrat von RWE. Das Innenministerium jedoch schweigt. Ein Interview zu den Ereignissen in Garzweiler und der Zusammenarbeit von Polizei und RWE wurde aus Termingründen abgelehnt.
    Inzwischen teilte das Innenministerium des Landes NRW mit, dass sich am kommenden Donnerstag der Innenausschuss des Landtages mit den Protesten in Garzweiler und der Zusammenarbeit der Polizei mit dem RWE-Werkschutz befassen wird.