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Brustaufbau mit Schweinegewebe

Medizin.- Frauen, denen aufgrund einer Krebserkrankung eine Brust amputiert werden muss, lassen sich nicht selten ein Implantat aus Silikon einsetzen oder auch eigenes Gewebe. Doch weil diese beiden Methoden mit Nachteilen verbunden sind, haben Ärzte nach einem schonenderen Verfahren gesucht – mit Erfolg.

Von Anne Kleinknecht | 08.12.2009
    Dr. Darius Dian von der Frauenklinik an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität behandelt regelmäßig Patientinnen mit Brustkrebs. Dabei kommt es immer wieder vor, dass der Arzt eine Brust ganz entfernen muss, weil der Tumor nicht anders zu bekämpfen ist. Viele betroffene Frauen entscheiden sich dann, ihre Brust mittels plastischer Chirurgie wieder aufbauen zu lassen. Zum Beispiel mit eigenem Gewebe aus dem Bauch oder dem Rücken. Eine Methode, mit der Darius Dian nicht ganz zufrieden ist:

    "Das, was in der Fachwelt am anerkanntesten ist, ist Haut-Fett-Gewebe. Das ist der goldene Standard, an dem sich die anderen Verfahren messen lassen müssen. Der Hauptnachteil bei diesem goldenen Standard, wo man Haut-Fett-Gewebe nimmt, liegt auf der Hand: Wenn man irgendwo etwas entnimmt, entsteht an der Stelle eine Narbe. Das kann man nicht verhindern."

    Die Alternative, ein Implantat aus Silikon, hat allerdings auch Nachteile. Denn viele Prothesen müssen nach kurzer Zeit wieder ausgetauscht werden, weil sich hartes Bindegewebe um das Implantat bildet. Eine solche Verkapselung kann dazu führen, dass das Implantat verrutscht.

    Um das zu verhindern, hat Darius Dian bei sechs Patientinnen ein neues Verfahren angewandt. Er hat den Frauen ein herkömmliches Silikon-Implantat eingesetzt und eine Schicht aus Schweinegewebe über diese Prothese gelegt. Das Schweinegewebe wächst mit dem Implantat und der Haut der Frauen zu einer Brust zusammen.

    "Das ist eine von Zellen befreite Schweine-Bindegewebs-Schicht, die man auf ein Implantat legt. Das Interessante dabei ist, dass dann diese ganzen Prozesse von Verkapselung und dass das Implantat wandert, nicht mehr stattfindet. Das bleibt dort, bleibt in der Regel weich. Wir haben bei den Patienten, bei denen wir das bislang gemacht haben, noch keine Verhärtung der Brust feststellen können. Das ist das Revolutionäre an dem Ganzen."

    Darius Dian vergleicht das weiße, fünf Millimeter dicke Schweinegewebe mit einer Lederschicht. Damit der menschliche Körper das Gewebe nicht abstößt, haben Forscher aus den USA die Unterhaut von Schweinen von allen tierischen Zellen befreit.

    "Leder ist im Prinzip auch Gewebe vom Tier. Das wird an der Oberfläche behandelt mit chemischen Prozessen. Und so ungefähr schätze ich mal, wird das auch beim Schwein passieren, dass man die Oberfläche wegmacht. Die Zellen haben wir hauptsächlich an der Oberfläche, drunter haben wir Bindegewebe, da sind auch Zellen drin, aber die werden auf irgendeine Art und Weise entfernt und letztendlich übrig bleibt Bindegewebe mit Gefäßen drin und das ist das, woraus das hauptsächlich besteht."

    Von der Schweinehaut bleibt also eigentlich nur ein Gerüst übrig, eine sogenannte Matrix, die mit der menschlichen Haut zusammenwächst. Und zwar so schnell, dass nach sechs Wochen außer einer kleinen Narbe nichts mehr auf die Operation hinweist. Darius Dian möchte die Methode deshalb häufiger einsetzen. Er meint, das Verfahren mit dem Schweinegewebe sei für alle Patientinnen geeignet, vorausgesetzt der Tumor, der entfernt werden muss, liegt nicht zu dicht unter der Haut. Im Vergleich zur Transplantation von körpereigenem Gewebe sei die Methode mit der Schweine-Matrix deutlich schonender.

    "Man muss sich auch die Zeit vor Augen halten, die diese OP dauert. Beide Brüste von Drüsengewebe zu befreien und mit Implantaten und Matrix aufzubauen, dauert zwei bis drei Stunden. Wenn sie beide Brüste bei einer Frau mit Eigengewebe füllen wollen, dann brauchen sie in der Regel mindestens zwölf Stunden."

    Zwei Krankenkassen hat dieses Argument bereits überzeugt. Sie haben die Kosten für die neuartige Operation übernommen. Und das obwohl das Schweinegewebe teuer ist. Eine Brust aus dem kostbaren Stück Haut und einem Silikon-Implantat zu formen kostet 6000 Euro.