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Bundesparteitag
Lindner ist neuer FDP-Chef

Ein Dämpfer zum Start: Christian Lindner ist neuer Bundesvorsitzender der FDP. Der Nachfolger von Philipp Rösler erhielt bei einem Sonderparteitag in Berlin etwas mehr als 79 Prozent der Stimmen.

07.12.2013
    Christian Lindner im Profil, von Scheinwerfern beleuchetet
    Christian Lindner auf dem FDP-Bundesparteitag vor seiner Wahl zum Parteichef (picture alliance / dpa/ Maurizio Gambarini)
    "Ich bedanke mich für dieses tolle Votum", sagte der 34-jährige nordrhein-westfälische Landes- und Fraktionschef nach der Bekanntgabe der Ergebnisse. Lindner setzte sich gegen zwei Gegenkandidaten, Jörg Behlen und Götz Galuba, durch. Philipp Rösler hatte 2011 95,1 Prozent erhalten, dessen Vorgänger Westerwelle kam bei seiner Wiederwahl zum Parteivorsitzenden 2009 auf 95,8 Prozent.
    Vor der Wahl hatte Lindner die Partei aufgerufen, das Scheitern bei der Bundestagswahl abzuhaken: "Die Zeit der Trauerarbeit ist zu Ende." Der weite Weg zurück in den Bundestag werde von Widerständen, Rückschlägen und Enttäuschungen gesäumt sein: "Deshalb kann keiner diesen Weg allein gehen."
    "Nationalökonomische Bauernfängertruppe" von der AfD
    Der Umgang der Basis mit der Niederlage zeige aber, dass die FDP noch Stärke und Selbstachtung besitze. Unter seiner Führung werde es keine Spaltung und keinen Rechtsruck geben. Die Partei dürfe nicht der "nationalökonomischen Bauernfängertruppe" von der AfD nacheifern. "Wir wären verrückt, wir würden unsere Seele verlieren", sagte Lindner. "Würden wir nur einen Zentimeter in Richtung der Eurohasser gehen - wir würden unsere ökonomische Kompetenz verlieren und vor allem unsere Seele." Für die außerparlamentarische Arbeit bis 2017 gab der 34-Jährige die Parole aus: "Apo ist Machete und Florett, Stammtisch und Talkshow, Straße und Feuilleton."
    Zu Lindners Stellvertretern an der Parteispitze wählten die Delegierten mit 89,9 Prozent den schleswig-holsteinischen Landeschef Wolfgang Kubicki, seinen thüringischen Kollegen Uwe Barth mit 87,3 Prozent und die Düsseldorfer Bürgermeisterin Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit 71,7 Prozent. Letztere setzte sich in einer Kampfabstimmung gegen den Euro-Kritiker Frank Schäffler durch, auf den knapp ein Viertel der Delegiertenstimmen entfiel.
    Rösler beklagte in seiner Abschiedsrede mangelnden Rückhalt
    Ziemlich offen suchten die Liberalen auf ihrem Parteitag nach Gründen für ihr Versagen bei der Bundestagswahl vom September. Das gescheiterte Spitzenduo Philipp Rösler und Rainer Brüderle räumte eigene Fehler ein, kritisierte aber auch mangelnde Loyalität im Führungsteam. Rösler beklagte in seiner Abschiedsrede mangelnden Rückhalt: "Ich hätte mich über ein bisschen mehr Unterstützung im ganzen Team gefreut." Demonstrativ bedankte sich Rösler nur bei "einigen" Vorstandsmitgliedern für die gute Zusammenarbeit. Selbstkritisch räumte er ein, es sei ihm nicht gelungen, "ein Team zu bilden, unsere Partei zu motivieren und trotz einiger Landtagswahlerfolge die inhaltliche Kehrtwende auch für die Bundestagswahl zu bewirken".
    Der FDP-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl, Brüderle, beklagte, einzelne Liberale hätten sich mit "Durchstechereien und Indiskretionen" auf Kosten der Gesamtpartei zu profilieren versucht. In den Medien sei die FDP ungerecht behandelt worden: "Es gab in Teilen der Öffentlichkeit geradezu eine Vernichtungssehnsucht gegen uns, auch gegen mich persönlich." Als eigenen Fehler benannte Brüderle die Zweitstimmen-Kampagne vor der Wahl.
    Döring prangert Rassismus in der FDP an
    Der frühere FDP-Generalsekretär Patrick Döring hatte seiner Partei zuvor bereits Rassismus im Umgang mit Rösler vorgeworfen. An den Stammtischen hätten sich Liberale über „den Vietnamesen“ beschwert, sagte Döring der „Neuen Presse“ aus Hannover. Er fügte hinzu: „Und manche Abgeordnete haben daneben gesessen und halbherzig widersprochen.“
    Er warf zudem Kritikern und Satirikern vor, in Bezug auf Rösler immer wieder mit rassistischen Ressentiments gespielt zu haben. „Das ist so subtil bösartig, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte“, sagte Döring. „Was mich aber besonders erschreckt hat: Das fiel in unserer Partei auf fruchtbaren Boden.“ Rösler wurde in Vietnam geboren, er wuchs bei Adoptiveltern in Deutschland auf.
    "2009 Ein-Thema-Partei, 2013 Kein-Thema-Partei"
    Die Aussprache war geprägt von Frustration über das Erscheinungsbild der FDP. Auf persönliche Schuldzuweisungen an einzelne Spitzenliberale verzichteten die rund 30 Redner aber weitgehend. Die FDP habe im Wahlkampf viel zu selten erklärt, warum sie gegen Oppositionspläne wie flächendeckende Mindestlöhne, Frauenquoten oder den Veggie-Day sei, kritisierte etwa der neu gewählte Vorsitzende der Jungliberalen, Alexander Hahn: "2009 waren wir nach außen hin eine Ein-Thema-Partei, 2013 waren wir nach außen hin eine Kein-Thema-Partei."