Sonntag, 12. Mai 2024

Archiv

Bundespräsident
Premiere im Bundesrat

Am 9. November 1990 war der Bundesrat das erste Mal in seiner heutigen Form zusammengekommen - mit Vertretern aus 16 Bundesländern. Fünf dieser Länder waren erst kurz zuvor nach der deutschen Wiedervereinigung gegründet worden. 25 Jahre nach dieser Premiere hat heute Bundespräsident Joachim Gauck vor der Länderkammer eine Rede gehalten - und selbst eine Premiere gefeiert.

Von Johannes Kulms | 27.11.2015
    Bundespräsident Joachim Gauck spricht am 27.11.2015 vor dem Bundesrat.
    Bundespräsident Joachim Gauck vor dem Bundesrat am 27.11.2015. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Es ist eine Premiere: Noch nie hat ein Bundespräsident vor dem Bundesrat gesprochen. Heute ist es so weit: Joachim Gauck tritt vor die Länderkammer. Um die Arbeit des Bundesrates zu würdigen - und mit ihm den Föderalismus.
    "Der Föderalismus hat sich - bei mancher Kritikwürdigkeit in Einzelfragen - in der Summe ganz offenkundig bewährt und stellt auch heute ein attraktives Grundprinzip staatlicher Ordnung dar. So attraktiv, dass sich die Menschen in der zu Ende gehenden DDR mit dem Beitritt zur Bundesrepublik für genau dieses Modell entschieden haben."
    Die Machthaber im NS-Staat aber auch in der DDR hätten genau gewusst, dass der Föderalismus für Gewaltenteilung und für Ausgleich stehe – unvereinbar mit einem totalitären Machtanspruch. Deswegen seien sowohl im Nationalsozialismus wie auch in der DDR die Länder früh ausgeschaltet worden, sagt Gauck.
    "Von 'Blockadementalität' war da nichts zu spüren"
    Die Länderkammer habe einen ganz erheblichen Anteil an der politischen Integration auf Bundesebene nach der Wiedervereinigung, lobt der Bundespräsident. Und auch bei späteren wichtigen Herausforderungen habe der Bundesrat agiert:
    "Als es zum Beispiel in der Finanzmarktkrise galt, Rettungsschirme aufzuspannen, um europäische Partner zu stützen und den Zusammenhalt Europas zu stärken, da haben die Länder unter hohem Zeitdruck und in einer politisch angespannten Situation Entschiedenheit und Handlungsfähigkeit bewiesen. Von 'Trägheit' oder gar 'Blockadementalität' war da nichts zu spüren."
    "Irgendwie ist ja doch noch was zu tun"
    In der Summe sei der deutsche Föderalismus eine Erfolgsgeschichte, bilanziert der Bundespräsident. Aber Lern- und Reformfähigkeit seien weiter gefragt. Zum Beispiel mit Blick auf den Zuzug von Flüchtlingen. Kürzlich habe er von den Schwierigkeiten beim Datenaustausch über Flüchtlingen erfahren, die es zwischen den Verwaltungen von Bund, Ländern und Gemeinden gebe:
    "Ich konnte es nicht fassen, dass in einem Hochtechnologieland, es nicht möglich ist, dass die einzelnen befassten Institutionen auf einfachem Wege miteinander kommunizieren können. Also, irgendwie ist ja doch noch was zu tun."
    Probleme im Föderalismus
    Auch im Bereich von Schule und Bildung sieht der Bundespräsident föderalistischen Reformbedarf. Ebenso auf dem Feld der Wissenschaft, wo es in jüngster Zeit manchen Fortschritt zu einer engeren Zusammenarbeit gebe. Der Wettbewerb um die klügsten Köpfe spiele sich nicht zwischen Bayern und Sachsen-Anhalt ab, sondern zwischen Deutschland und den anderen großen Wissenschaftsnationen dieser Welt.
    Die Grundproblematik des Föderalismus lasse sich in wenigen Fragen zusammenfassen:
    "Erstens: Wie definieren wir in einer Ordnung mit mehreren Ebenen und Akteuren das allgemeine Wohl? Zweitens: Wie sichern wir eine kluge Balance zwischen dem Allgemeinwohl und den Eigeninteressen der einzelnen Akteure? Drittens: Wie kommen wir zu einer gerechten Lastenverteilung zwischen ihnen?"
    Auf diese Fragen gebe es keine einfachen Antworten, räumt Gauck ein. Sie zu stellen und an ihnen zu arbeiten lohne sich aber trotzdem.