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Bundestagswahl
Das Programm der Linken

Die Wahlprogramme als politische Literatur: Unsere Korrespondenten haben alle Papiere der chancenreichen Parteien gelesen und ordnen sie nach bestimmten Kriterien ein. Nicht zuletzt interessieren uns der Stil und die Ansprechhaltung. Dritter Teil: Die Linke.

Von Falk Steiner | 16.08.2017
    Die Parteivorsitzenden der Partei Die Linke, Katja Kipping und Bernd Riexinger, sprechen am 03.04.2017 auf einer Pressekonferenz zu den Kernpunkten des Parteiprogramms zur Bundestagswahl 2017.
    Das Wahlprogramm der Linken vorgestellt von Katja Kipping und Bernd Riexinger. Das Werk ist durchaus als Zukunftsroman angelegt: Alles soll gut werden, gerecht, für alle. (dpa)
    Das Linken-Wahlprogramm
    Linke Bücher gibt es zuhauf, mit 136 DIN-A4-Seiten ist dieses ein für Linke Verhältnisse eher schmaler Band. Und wahrlich keine sozialistische Kampfschrift. Aber Die Linke wäre nicht Die Linke, hätte sie nicht dennoch intensiv um den Inhalt gestritten. Und das schon beim Titel.
    "Die Zukunft für die wir kämpfen: Sozial. Gerecht. Für Alle.",
    hatte der Parteivorstand gefordert. Und auf dem Parteitag in Hannover kam, wenig überraschend, noch ein vierter Aspekt hinzu:
    "Sozial. Gerecht. Frieden. Für Alle."
    Starke Worte. Starke Punkte. Alles. Aber Die Linke hat sich Mühe gegeben, bloß nicht als Haufen verwirrter Sozialromantiker dazustehen. Stattdessen: knallharte, aber berechnete Forderungen. Detailverliebtheit mischt sich mit klarem "Gut" - denn das ist das Signalwort der Linken. Gute Arbeit. Gute Löhne. Gute Rente. Alles soll gut werden, gerecht, für alle.
    1. Die Schwerpunkte
    "Wir wollen ein neues Normalarbeitsverhältnis, das für alle Menschen soziale Sicherheit ermöglicht und auf individuelle Lebenslagen Rücksicht nimmt: Die Löhne müssen für ein gutes Leben und für eine Rente reichen, die den Lebensstandard im Alter sichert. Arbeit darf nicht krank machen, sie muss planbar und mit dem Leben mit Kindern vereinbar sein. Arbeit muss für alle Menschen sicher und unbefristet, tariflich bezahlt, sozial abgesichert und demokratisch mitgestaltet sein.",
    fordert die Linkspartei. Klingt etwas utopisch? Das Ziel der Linken ist klar benannt:
    "Sechs Stunden Arbeit pro Tag im Schnitt sind genug!"
    Erreicht werden soll das unter anderem durch die Verteilung der insgesamt 1,8 Millionen geleisteten Überstunden - auf alle in der Bevölkerung. Selbständige sollen zudem komplett ins Sozialsystem integriert werden, Rentenbeiträge entrichten müssen, die Krankenversicherungen in eine Bürgerversicherung überführt werden.
    2. Die Gesellschaft
    Wer doch arbeitslos wird, soll künftig nicht mehr in Hartz IV rutschen - denn das soll abgeschafft und durch eine sanktionslose Mindestsicherung ersetzt werden:
    "Die Höhe muss derzeit 1.050 Euro betragen. Sie gilt für Erwerbslose, aufstockende Erwerbstätige, Langzeiterwerbslose und Erwerbsunfähige ohne hinreichendes Einkommen oder Vermögen. […] Kürzungen, Leistungseinschränkungen oder Sperrzeiten, egal mit welcher Begründung, lehnt DIE LINKE ab."
    1.050 Euro, ein Betrag, der auch in einem anderen Bereich eine Rolle spielt - und in dem es plötzlich menschelt.
    "Niemand darf gezwungen sein, zum Überleben Pfandflaschen zu sammeln. Wir wollen eine Solidarische Mindestrente von 1.050 Euro netto im Monat - darunter droht Armut. Die Solidarische Mindestrente ist einkommens- und vermögensgeprüft, sie wird bei Bedarf gezahlt. Unser Nachbarland Österreich zeigt: Ein gesetzliches Rentensystem kann vor Armut schützen und zugleich finanzierbar sein."
    3. Die Kosten
    Gegenfinanzieren sollen diese und weitere Vorhaben vor allem jene, die Geld haben: Ab 70.000 Euro zu versteuerndem Einkommen pro Jahr sollen mehr Steuern fällig werden, Kapitalerträge sollen wieder entsprechend normalem Steuersatz besteuert werden und eine Finanztransaktionssteuer Geld in die Kassen spülen, genau wie eine Erhöhung der Körperschaftssteuer, die Unternehmen auf Gewinne zahlen, von 15 auf 25 Prozent. Auch eine Vermögensteuer ab 1 Million Vermögen - mit Ausnahmen für Betriebsvermögen, Reichensteuer, Erhöhung der Erbschaftssteuer - sollen die Projekte der Linken finanzieren.
    4. Die Praxis
    Viele konkrete Vorhaben, die die Linke hat, brauchen solche Gegenfinanzierung - welche Effekte das volkswirtschaftlich verursachen würde, ist vollkommen unklar. Ein bisschen viel Robin Hood? Klar ist: wenn überhaupt, wäre das nur mit SPD und Grünen machbar. Und selbst da niemals in diesem Umfang. Rot-Rot-Grün dürfte am Ende aber an der Außenpolitik scheitern. Denn während die Linke sich nun erstmals positiv zur EU bekennt - natürlich nicht klar, natürlich nicht, ohne diese ziemlich umbauen zu wollen, entsprechend ihren sozialen Vorstellungen - ist das Verhältnis zu Krieg und Frieden und damit zur NATO weiter für die Partner schwierig. Unverbrüchlich ist die Freundschaft zu Russland - wohlgemerkt nicht die zu Wladimir Putin - ins Programm gemeißelt:
    "Wir wollen die NATO auflösen und durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung von Russland ersetzen, das auf Abrüstung zielt. Wir wollen, dass die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen wird und die Bundesrepublik aus den militärischen Strukturen des Bündnisses austritt."
    Zivile Krisenprävention soll anstelle von militärischen Interventionen und Waffenexporten treten - wie die aber Terroristen und Diktatoren stoppen soll, diese Antwort bleibt die Linke in ihrem Programm schuldig.
    5. Der Stil
    Inhaltlich lesenswert ist das Werk - denn es zeigt viele Alternativen auf, ob man sie mag oder nicht. Stilistisch changiert es zwischen technokratisch-bürokratischem Forderungskatalog mit Bilanzbuchhaltungsanteil und tränendrüsenanregender Benachteiligungsschmonzette. Aber das Werk ist durchaus als Zukunftsroman angelegt, wie die Finale Sentenz des Linken-Wahlkampfwerkes vermittelt, denn: es gehe um …
    "… eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt."
    Das Wahlprogramm der Linken zum Nachlesen