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Burkhard Hirsch: "Die Repräsentation der Partei gehört auf den Prüfstand"

Burkhard Hirsch, Liberaler und ehemaliger NRW-Innenminister, sagt, dass es Guido Westerwelles Entscheidung sei, ob er erneut für den FDP-Vorsitz kandidiere. Hirsch erwarte aber von denjenigen, die Änderungen in der Partei wollen, dass sie gegen Westerwelle antreten.

Burkhard Hirsch im Gespräch mit Dirk Müller | 01.04.2011
    Dirk Müller: Der Parteichef und Außenminister ist also als Außenminister derzeit unterwegs, und zu Hause streiten sich die Liberalen um ihren Chef. In Düsseldorf ist nun das liberale Gewissen der Partei am Telefon, FDP-Politiker Burkhard Hirsch. Guten Tag!

    Burkhard Hirsch: Guten Tag! - Also Gewissen bin ich nicht, aber FDP oder Liberaler ja.

    Müller: Dann machen wir auf der Grundlage weiter, Herr Hirsch. Danke, dass Sie bei uns im Deutschlandfunk sind heute Mittag. - Soll Guido Westerwelle aufgeben?

    Hirsch: Das muss er selber entscheiden. Es ist doch so: Wir haben einen Parteitag Mitte Mai. Auf diesem Parteitag sind die turnusmäßigen Vorstandswahlen. Bei jeder Vorstandswahl gibt es in einer vernünftigen Partei mehrere Kandidaten. Wenn wir mehrere Kandidaten als Plätze zu besetzen haben, ist das kein Streit und kein Kampf, sondern ein demokratischer Vorgang, den man nicht beklagen sollte. Ich erwarte nur, dass jeder, der nun zu welcher Position auch immer kandidieren will, das so rechtzeitig sagt, dass man sich darauf einstellen und bewerten kann. Eine Partei muss ja daran interessiert sein, möglichst eine breite Mehrheit für das Spitzenpersonal zu bekommen. Das ist ganz normales, professionelles Verhalten. Da werden Vorgespräche geführt - es ist noch der 11. April angedacht -, zusammen mit den Landesvorsitzenden. Das halte ich für vernünftig und ich sehe dem Parteitag mit großer Gelassenheit entgegen. Ein Parteitag ist ja kein Feldgottesdienst, sondern eine demokratische Veranstaltung, und da gibt es Wahlen. Das ist völlig normal.

    Müller: Herr Hirsch, es wird vielen jetzt etwas komisch vorkommen, dass die FDP, aber auch die anderen Parteien, wenn es um ihre Vorsitzenden geht, immer mit Kampfkandidaturen bei Parteitagen auftreten.

    Hirsch: Na gut, ...

    Müller: Können Sie sich daran erinnern?

    Hirsch: Ja. Wir haben ja, im Laufe der Geschichte hat jede Partei Phasen gehabt, in denen es Kampfkandidaturen um den Vorsitzenden gab, und es gab dann dazwischen vernünftigerweise Positionen und Perioden, in denen eine große Einmütigkeit darin bestand, dass das Amt fortgesetzt werden sollte von dem jeweiligen Amtsinhaber. Aber wenn nun eine solche Situation sich darstellt, wie im Augenblick in der FDP, wo man ja um die Richtung ringt, wo man die Frage stellt, woran liegt es, dass wir bei den letzten Wahlen ja erhebliche Niederlagen erlitten haben? Die Liberalen sind ja nicht ausgestorben, sondern sie sind entweder nicht zur Wahl gegangen, oder haben andere Parteien gewählt. Woran das liegt, muss man sich überlegen, und daraus ergibt sich natürlich die normale Folge danach, auch die Repräsentation der Partei gehört auf den Prüfstand. Ich halte das für einen ganz normalen Vorgang.

    Müller: Was hat er denn falsch gemacht?

    Hirsch: Ich glaube, erst mal machen sie es nicht an einer Person fest, sondern wir sind zwar in einer Mediendemokratie, wo die Vorsitzenden eine große Rolle für das Bild der Partei spielen, aber sie sind es ja nicht alleine. Ich glaube, dass die FDP zu sehr in den Ruf geraten ist, die Interessenvertretung der ökonomischen Lage bestimmter Gruppen zu sein. Also mich regt schon der Begriff "bürgerliche Partei" auf. Wer ist denn in diesem Staat ein Bürger? - Alle! - Also schon dieser Begriff "bürgerliche Partei" zeigt ja, dass da ein falsches Denken angestellt wird. Das trägt eine gewisse Mitschuld für das Image der FDP, sie sei eine Interessenvertretung für eine beschränkte ökonomische Klientel. Das halte ich für einen liberalen Anspruch für viel zu eng und es ist eine hohe Zeit, das zu revidieren.

    Müller: Ist es nicht gerade Guido Westerwelle, der genau in diese Richtung Interessenpartei und Klientelpolitik gegangen ist?

    Hirsch: Ja, aber er nicht alleine.

    Müller: Wer war denn noch dabei?

    Hirsch: Also jetzt wollen Sie (lacht). Noch einmal: Für das Bild einer Partei ist der ganze Bundesvorstand verantwortlich.

    Müller: Rainer Brüderle hat sich jedenfalls jetzt schon etwas partiell zurückgezogen, Cornelia Pieper auch, ist vielleicht gar nicht so wichtig. Aber an Sie jetzt noch einmal die Frage: Wir haben ja den 1. April, da kann man auch was wagen. Soll er noch mal antreten?

    Hirsch: Noch mal: das muss der Parteivorsitzende selber entscheiden, ob er kandidieren will. Wenn er kandidieren will, muss er damit rechnen, einen Gegenkandidaten zu bekommen. Das betrachte ich nicht als einen Beinbruch, sondern einen normalen politischen Prozess. Ich erwarte nur, dass diejenigen, die sagen, es wird Zeit, eine Änderung herbeizuführen, dass sie sagen, jawohl, und ich trete an.

    Müller: Gehen wir mal, Herr Hirsch, ganz kurz in die Liste: Daniel Bahr, Christian Lindner, Philipp Rösler, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Wer ist davon der beste Gegenkandidat?

    Hirsch: Das sind alles ehrenwerte, hervorragende Persönlichkeiten, die geeignet und in der Lage wären zu kandidieren, wenn sie es wollen.

    Müller: Also man muss nicht so jung sein wie Christian Lindner?

    Hirsch: Ich finde nicht, dass die Jugend ein Handicap ist. Es kommt nicht darauf an, wie viele Jahre jemand hinter sich hat, sondern ob er politisch mit einer bestimmten Idee verbunden wird, was er bisher geleistet hat, und ob man ihm zutraut, die Partei, also die FDP in eine bessere Position zu führen. Generalsekretär Lindner hat eine hervorragende Figur gemacht, er ist dabei, die Programmarbeit der Partei völlig zu erneuern, hat schon einen ganz wichtigen Punkt und einen ganz wichtigen Beitrag zur Geschichte der FDP.

    Müller: Würden Sie ihn denn wählen, wenn er antritt?

    Hirsch: Noch einmal: Ich möchte ja davon herunter, dass sich die Partei, dass ich die FDP durch Namensnennungen oder Positionierungen sozusagen von den Medien in Entscheidungen hineinhetzen lässt. Die Personalentscheidungen, die in Rostock zu treffen sind, müssen professionell vorbereitet werden, und das heißt in aller nüchterner, ruhiger Überlegung. Die Nennung einzelner Namen führt da nicht weiter.

    Müller: Heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk der FDP-Politiker Burkhard Hirsch. Danke für das Gespräch, Herr Hirsch.

    Hirsch: Bitte schön!

    Müller: Auf Wiederhören.

    Hirsch: Auf Wiederhören!