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Cholesterin und Gene

Medizin.- Wenn es um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen geht, ist der Cholesterinwert von entscheidender Bedeutung. Denn Cholesterin setzt die Adern zu, führt zur Arterienverkalkung und damit zu Herzinfarkt und Schlaganfall. Warum nun beim einen viel Cholesterin im Blut schwimmt und beim andern nur wenig, kann mit dem Appetit auf Eisbein zusammenhängen, aber auch mit den Erbanlagen. Forscher vom Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin in Berlin-Buch haben jetzt die genetischen Einflussfaktoren genau beschreiben.

Von Volkart Wildermuth | 16.08.2004
    Es ist keine Kunst seinen Cholesterinwert zu erfahren. Jede Apotheke bietet den entsprechenden Bluttest an, misst nicht nur den Gesamtwert sondern auch noch die Untergruppen, das schädliche LDL- und das schützende HDL-Cholsterin. Je nachdem, wie die verschiedenen Werte liegen, wird der Apotheker bedenklich mit dem Finger wackeln und sagen, das Risiko für Herz-Kreislaufleiden ist erhöht. Dann heißt es erst einmal kürzer treten bei Eisbein, Sahnetorte und Eierkuchen. Aber längst nicht jeder kann mit einer fettarmen Ernährung auch den Cholesterinwert im Blut senken, denn der hängt nicht nur von äußern Faktoren ab, sondern auch von der inneren Konstitution, von den Erbanlagen. Dabei gibt es nicht das eine Gen, das den Cholesterinwert festlegt. Der Einfluss des Erbgutes verteilt sich vielmehr auf viele Gene. Um herauszufinden, welches die entscheidenden genetischen Mitspieler sind, begab sich Dr. Hans Knoblauch zusammen mit seinen Kollegen vom Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin in Berlin-Buch sozusagen auf SNPseljagd.

    Ein SNP ist eine kleine Variante, eine genetische Variante, die an circa jeder tausendsten Stelle des menschlichen Erbgutes vorkommt, und an der sich Menschen untereinander unterscheiden, die für sich genommen erst mal noch keinen besonderen Krankheitswert haben. Wir wollten eben herausfinden, welche dieser genetischen Varianten ursächlich mit den Schwankungen im Cholesterinspiegel zusammen hängen können.

    Aus biochemischen Untersuchungen sind 13 Gene bekannt, die für den Cholesterinstoffwechsel wichtig sind. Sie sorgen dafür, dass die Substanz in den Blutstrom gelangt, bestimmen das Verhältnis zwischen LDL und HDL-Cholesterin und sind zuständig für die Aufnahme des Fettes in die Zellen, wo es die Zellmembran geschmeidig halten soll. In diesen 13 Genen finden sich in den internationalen Datenbanken gut 100 Stellen, an denen sich das Erbgut der Menschen voneinander unterschiedet. Welche dieser SNPs nun tatsächlich einen Einfluss ausüben, hat das Team um Hans Knoblauch anhand von 250 gesunden Familien untersucht. Die Forscher bestimmten deren Cholesterinwerte, analysierten die SNPs im Erbgut und verfolgten, wie diese von den Eltern an die Kinder weitergegeben wurden. Dabei zeigte sich erstens, dass der Cholesterinspiegel vor allem von der Umwelt, der Ernährung bestimmt wird. Nur rund ein Drittel der Unterschiede im Cholesterinwert geht auf die Gene zurück.

    Und von diesen 30 Prozent der genetischen Variabilität können wir mit Hilfe der SNPs circa zwei Drittel der genetischen Variabilität erklären und wir glauben, dass das eine sehr großer Anteil ist, den wir mit Hilfe diese SNPs erklären können. Es gibt SNPs die haben eine größeren Einfluss als andere SNPs, aber insbesondere glauben wir dass die Kombination von SNPs innerhalb eines Genes eine besonders große Bedeutung für die Variabilität des Cholesterins hat.

    Es gibt bestimmte genetische Konstellationen, die den Cholesterinwert in die Höhe treiben. Eine andere SNPs Ausstattung kann dagegen dafür sorgen, das auch ein Eisbein keinen Einfluss auf die Blutfette hat. Für Grundlagenforscher wie Hans Knoblauch ist es ein großer Fortschritt, die entscheidenden genetischen Faktoren für den Cholesterinwert jetzt dingfest gemacht zu haben. Und auch für den Normalverbraucher können die Befunde mittelfristig wichtig werden, meint Hans Knoblauch.

    Ich glaube, dass Cholesterinwert nicht gleich Cholesterinwert ist sondern, dass zwei Menschen, die durchaus den gleichen zum Beispiel LDL- Cholesterinwert haben, aufgrund ihrer genetischen Konstellation ein unterschiedliches Risiko für die spätere Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben und so, glaube ich, wird man in Zukunft vielleicht aufgrund dieser Daten Patienten finden können, die aufgrund ihrer genetischen Konstellation ein erhöhtes Risiko haben bei gleichem Cholesterinwert.

    Die Ernährungsempfehlungen der Zukunft dürften deshalb viel differenzierter sein. Schon heute raten die Ärzte nicht mehr generell auf Salz zu verzichten. Nur bei einer Minderheit der Patienten nämlich treibt salziges Essen tatsächlich den Blutdruck in die Höhe. Genauso muss ein hoher Cholesterinwert nicht bei jedem die gleichen schädlichen Konsequenzen haben. Mit Hilfe eines Gentests sollten sich die Glücklichen identifizieren lasse, denen selbst eine Riesenportion Eisbein, Sahnetorte und Eierkuchen nur auf den Magen, aber nicht auf die Gesundheit schlägt.