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Cremona unterm Geigenhimmel

Die berühmtesten Geigenbauer stammen alle aus der lombardischen Stadt Cremona: Neben der Familie Amati auch Giuseppe Guarneri und Antonio Stradivari. Bis heute spielt der Geigenbau in der Stadt eine wichtige Rolle. Es gibt eine jährliche Messe für Streichinstrumente. Und zum 500. Geburtstag von Andrea Amati feiert Cremona in diesem Jahr ihren berühmten Sohn.

Von Henning Klüver | 09.10.2005
    Musik ist mit Geräusch verbunden. Auf einer Messe wie der Mondomusica in Cremona werden an den Ständen die Saiten der Violinen oder Celli geprüft und die Spannung der Bögen kontrolliert. Geigenbauer verhandeln mit Klangholzhändlern, und Violinisten probieren Instrumente aus. Seit vier Jahren wird Anfang Oktober diese Spezialmesse für Streichinstrumente abgehalten, die sich neben der allgemeinen Frankfurter Musikmesse zu einem wichtigen Treffpunkt der Branche entwickelt hat. Über die Bedeutung von Mondomusica und die Rolle des Geigenbauwesens für Cremona sagt Paolo Bodini, der Präsident der Veranstaltungsgesellschaft:

    "Das ist ein ganz wichtiger Sektor, kulturell und wirtschaftlich. Wir zählen rund 120 Werkstätten für Streichinstrumente in der Stadt. Wir haben hier die internationale Geigenbauschule, die Studenten aus der ganzen Welt anzieht. Und es gibt die Messe. Aber daneben spielt auch der Kulturtourismus eine Rolle, der sich in Cremona um den Geigenbau und die Musik dreht. Also das ist ein Sektor, der für uns strategische Bedeutung hat. "

    Der Österreicher Wolfgang Buchinger betreibt seit 20 Jahren eine Geigenbauwerkstatt in Cremona. Er ist nach wie vor von der Internationalität der Schule und auch der Messe begeistert:

    "Also dieses Flair, dass man vom Südamerikaner, Japaner, Koreaner bis Spanier, also aus der ganzen Welt Leute kennen lernt, mit denen man auch arbeitsmäßig Kontakt aufrecht erhält, das hat seine eigene Faszination. "

    In diesem Jahr feiert man auch den 500. Geburtstag des Geigenbauers Andrea Amati, der vermutlich 1505 in Cremona auf die Welt kam und dort 1579 starb. Er gilt als Vater der modernen Violine, auch wenn der Musikwissenschaftler und Violinenbauer Fausto Cacciatori einschränkend sagt:

    "Ich sage immer, dass die Violine viele Väter hat und nicht nur einen. Das Instrument entsteht schließlich nach einer langen Entwicklung von Vorläufern. Doch Andrea Amati hat das große Verdienst, dass er eine Baumethode entwickelt, dass er Regeln festgelegt und vor allem die Form der Violine schafft, die wir noch heute kennen. "

    Andrea Amati begründete eine Geigenbautradition, die seine Kinder und Enkel fortsetzten. Den nächsten Höhepunkt dieser Tradition erlebte Cremona mit Antonio Stradivari, der sein Handwerk Ende des 17. Jahrhunderts von einem Nicola Amati lernte. Was heute den Klang dieser weltberühmten Instrumente ausmacht, erklärt der deutschstämmige Restaurator Bernhard Neumann, der in Kanada geboren wurde und in Cremona lebt:

    "Wenn man diese Geige, die fast 50 Jahre alt ist, spielt, dann hört man den Klang von einem Instrument, das schon so lange gespielt worden ist. Und das Holz ist in dieser Form älter geworden. Bei einer neuen Geige kann man nicht einen direkten Vergleich machen, weil das Holz ist relativ neu und nicht in Schwingungen gewesen wie die alte Geige. "

    Die Geigenbauer von Cremona bewegen sich noch heute fest in der Tradition von Amati und Stradivari. Einer wie Wolfgang Buchinger versucht sich, an den großen Meistern zu orientieren ohne sie zu imitieren. Denn die Herstellung einer Violine, für die der Geigenbauer sechs bis acht Wochen Zeit benötigt, ist jedes Mal ein Abenteuer.

    "Es tauchen laufend Probleme auf, wie man gewisse Sachen am besten löst. Die Arbeit selbst, es soll eine routinierte Arbeit sein, aber ich finde, Routine soll es trotzdem nicht geben beim Geigenbauer. Jedes Instrument ist ein eigenes Erlebnis. "

    Und das gilt auch für den Violinisten, wenn er auf einer Messe wie Mondomusica ein neues Instrument in die Hände nimmt, es ausprobiert - und plötzlich den Lärm um sich herum vergisst.