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Crowdfunding im Sport
Private Tanzstunde für Unterstützer

In der Kultur ist es schon längst gang und gäbe: Private Gelder für eigene Projekte zu sammeln, das so genannte "Crowdfunding". Ein Blick auf die Statistiken zeigt jedoch: Der Sport taucht hier nur auf den hintersten Plätzen auf. Einige Akteure wollen dies nun ändern.

Von Thorsten Poppe | 07.02.2015
    David Zeidler (r) und Stefan Uhlmann. Geld aus dem Netz: Bei Internet-Projekten setzen kreative Köpfe schon länger auf die "Schwarmfinanzierung". Auch Sportclubs wittern jetzt ihre Chance: Statt großer Investoren brin
    "Schwarmfinanzierung" - Auch Sportclubs wittern jetzt ihre Chance: Statt großer Investoren bringen viele Fans gemeinsam das benötigte Geld. (picture-alliance / dpa / Dieter Grundmann / Westend-PR)
    "CSSR-Torwart Michalek drei misslungene Abwehrversuche, und Heinz Flohe mit Drehschuss. So war das 1:0 in der 17. Minute gefallen. Das 1.000 Tor in der deutschen Länderspielgeschichte!"
    Ein Fernsehausschnitt vom Länderspiel Deutschland gegen die Tschechoslowakei aus dem Jahre 1976. Filmemacher Frank Steffan produziert damit zurzeit eine Dokumentation über den früheren Nationalspieler Heinz Flohe vom 1. FC Köln. Obwohl alle nationalen Fußballgrößen von Franz Beckenbauer bis hin zu Wolfgang Niersbach Spalier für ein Interview dazu standen, war das Projekt fast nicht zu realisieren. Denn die TV-Ausschnitte von Länderspielen mit Heinz Flohe waren eigentlich viel zu kostspielig. Die rettende Idee fand Frank Steffan dann im Internet bei einer Crowdfunding-Plattform.
    Dabei wird das benötigte Kapital über eine Vielzahl von Geldgebern über ein Onlineportal eingesammelt: "Wir hatten nicht damit gerechnet, dass es so teuer werden könnte, und waren uns darüber im klaren, dass wir irgendeinen Weg suchen müssen, um das finanzieren zu können. Da kam die Crowdfunding Sache irgendwie als ne Idee mal aufs Tapet. Das Prinzip in dem Fall war ja nicht etwa die, dass man eine Spende wollte, oder dass Leute hergehen, und sagen, ich gebe jetzt ohne Gegenleistung irgendwie Geld. Das war bei dem Projekt nicht der Fall."
    200.000 Euro für BVB-Film
    Dass er diesen und andere Ausschnitte nun doch nutzen kann, verdankt Frank Steffan also privaten Geldgebern. Eigentlich wollte er die Summe in Höhe von 25.000 Euro in nur vier Wochen erlösen, herauskommen sind sogar fast 3.000 Euro mehr. Dabei haben sich mehr als 300 Personen beteiligt.
    Diese Form der Finanzierung wird immer mehr genutzt in Deutschland. Auch in Dortmund ist damit ein Dokumentarfilm entstanden, der sich mit der Gründungsgeschichte des BVB auseinandersetzt. Sage und schreibe über 200.000 Euro sind so zusammengekommen. Ein Vorbild auch für Frank Steffan. Um aber mit diesem Mittel Erfolg zu haben, ist es wichtig, den entsprechenden Gegenwert für die Geldgeber zu schaffen: "Wir sind hingegangen und haben gesagt: Ihr könnt den Film als DVD bei uns vorbestellen, in dem ihr über die Crowdfunding-Plattform das Ding bestellt. Das Gleiche gilt für das Buch, was gleichzeitig erscheint. Dazu kam halt noch andere zusätzliche Leistungen wie Premierenveranstaltung, wo halt die Karte dabei ist und ähnliches, oder das Filmplakat und so Sachen. Es hatte alles einen konkreten Gegenwert."
    Immenser Nachholbedarf im Sport
    Bisher steht diese Einnahmequelle in Deutschland erst am Anfang ihres Weges: 5,50 Mio. Euro wurden 2013 insgesamt an Crowdfunding-Geldern gesammelt. Diese Summe war letztes Jahr schon nach drei Quartalen erreicht, und steigert sich demnach langsam. Der Sport taucht dabei in den Statistiken im Gegensatz zur der Kultur fast gar nicht auf, und besitzt einen immensen Nachholbedarf.
    Grund genug für Marthe-Victoria Lorenz eine eigene Plattform für Sportprojekte im Internet zu gründen. Fairplaid soll es Sportlern ermöglichen, eine bessere finanzielle Ausstattung zu erreichen. Schließlich sei der Sport dafür mit seinen über 25 Millionen Mitgliedern in Vereinen prädestiniert, so die Fairplaid-Gründerin: "Crowdfunding könnte doch für den Sport eigentlich die Lösung sein für das Problem, dass man eben häufig bei Sponsoren durchs Raster fällt. Weil man eben nicht genug Reichweite bieten kann. Bei Google gab es kein Ergebnis bei Crowdfunding Sports, da dachte, da muss ich was machen, das kann doch nicht wahr sein. Weil natürlich auch in Deutschland Crowdfunding zuerst eigentlich in der Kultur und Kreativwirtschaft angekommen ist, bevor das überhaupt beim Sport in der Gedankenwelt vorgekommen ist."
    Ziel ist es insgesamt 10 Mio. Euro darüber zu generieren. Nach etwas mehr als einem halben Jahr sind immerhin schon über 170.000 Euro gesammelt, und damit fast 60 Projekte finanziert worden. So konnte die Deutsche Amputierten-Fußballnationalmannschaft an der WM in Mexiko teilnehmen, weil auf Fairplaid in Rekordzeit über 16.000 Euro zusammen kamen. Diana Hoffmann und Nikola Friedrich generierten damit Geld für ihre WM-Teilnahme in London im so genannten Polesport, einem athletischen Stangentanz. Ohne die vielen Geldgeber wäre dies Nikola Friedrich und ihrer Tanzpartnerin verwehrt geblieben. "Super, also war total tolles Gefühl. Dass man im Prinzip so viele Unterstützer hat, die einen unterstützen, um so an einem tollen Ereignis teilzunehmen. Erstmal so die anderen Athleten dort zu erleben, überhaupt nach London zu fliegen. Man hat unheimlich viele neue Eindrücke mit nach Hause genommen, unheimlich viel gelernt. Auch da vor Ort noch für die Zukunft definitiv."
    Für Unterstützung gibt es Fotos oder eine private Tanzstunde
    Die Sportlerinnen waren auch deshalb so erfolgreich, weil sie die Erfolgsfaktoren des Crowdfunding beachteten, und neben ihrem Engagement auch die entsprechenden Anreize schafften. So gab es für 10 Euro ein Foto der Zwei, für etwas mehr gar eine private Tanzstunde. Wenn dies also schon bei fast völlig unbekannten Sportarten zum Erfolg führt, scheint das Potenzial riesig. Doch weder initiieren die großen Sportverbände das Thema bisher eigenständig, noch sind sie bisher auf Fairplaid-Gründerin Marthe-Victoria Lorenz überhaupt zugekommen:
    "Wir haben bisher noch keinen großartigen Kontakt gehabt. Ich wünsche mir aber natürlich eine Zusammenarbeit, weil die Verbände, und auch der DOSB, das ist der organisierte Sport. Wenn es da eine Zustimmung zu dem Thema gibt, dass es da noch eine weitere Möglichkeit der Förderung gibt, und sie das befürworten, würde mich das sehr freuen."
    Der organisierte Sport in Deutschland behandelt jedenfalls bisher das Thema trotz seines ungeheuren Potenzials mehr als stiefmütterlich.