Dienstag, 07. Mai 2024

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"Da greift man automatisch öfter mal zu einer Pizza"

Nach einer Umfrage der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD sind 13,6 Prozent der Deutschen fettleibig. Den Grund dafür sieht der "Wellfood"-Experte Ulrich Overdiek im Zeitmangel. Die Welt sei hektischer geworden und man habe sehr viel Stress. Die Wege zur Arbeit seien oft sehr lang, so dass man gezwungen sei, außer Haus zu essen. Dabei fiele die Wahl oft auf Fastfood, erklärte Overdiek.

Moderation: Jürgen Liminski | 26.10.2007
    Jürgen Liminski: Gesundheit gilt als hohes Gut nicht nur in Deutschland. Prävention wird groß geschrieben. In seinem Buch "Lebenslust" schreibt der Psychotherapeut Manfred Lütz, man lebe heute fast nur noch präventiv, um dann gesund zu sterben. Aber viele Menschen halten sich nicht an diesen Rat. Sie leben nicht gesund. Sie ernähren sich falsch. Dickleibigkeit wird zum Problem auch für die Krankenkassen. Der zuständige Minister Horst Seehofer hat im Mai diesen Jahres eine Regierungserklärung sogar abgegeben unter dem Motto "fitt statt fett". Aber viele Menschen haben auch wenig Zeit. Die Fastfood-Ketten blühen nicht umsonst, um nicht zu sagen werden auch immer fetter. Gesunde Ernährung und Fastfood, passt das zusammen? - Ein Fastfood-Unternehmer aus Köln, ein Experte für gesunde Ernährung, der mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zusammenarbeitet, hat sich diesem Thema verschrieben und sitzt nun hier im Studio. Er heißt Ulrich Overdiek und ist der Erfinder von "Vivamangiare" Wellfood. Zunächst mal guten Morgen Herr Overdiek.

    Ulrich Overdiek: Guten Morgen!

    Liminski: Herr Overdiek, was haben Sie denn heute gefrühstückt?

    Overdiek: Ich habe heute ein Vollkornbrötchen mit Fruchtaufstrich und einen Joghurt mit frischen Früchten gefrühstückt.

    Liminski: Das hört sich gesund an. Entspricht das auch den Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung?

    Overdiek: Das entspricht voll den Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

    Liminski: Die Deutschen sind die dicksten Europäer, Herr Overdiek. Nach einer Umfrage der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD sind 13,6 Prozent der Deutschen adipös, also fettleibig. Die Krankenkassen rechnen daher mit wachsenden Gesundheitskosten. Man schätzt, dass bis zu einem Fünftel aller Gesundheitsausgaben in Industrieländern auf Adipositas zurückzuführen sind. Dieses Phänomen hat auch mit den veränderten Ernährungsgewohnheiten der Menschen zu tun. Wie erklären Sie sich das?

    Overdiek: Ich denke der Hauptgrund für die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten ist heute ein hohes Maß an Zeitmangel. Die Welt ist hektischer geworden. Alle haben mehr Stress. Wir haben weniger Zeit. Die Wege zur Arbeit sind oft sehr lang. Man ist quasi gezwungen, heute außer Haus zu essen. Da greift man automatisch öfter mal zu einer Pizza, zu einem Döner oder auch zu einem Big Mac. Ich denke das ist der Hauptgrund, warum sich auch die Ernährungsgewohnheiten so verändert haben.

    Liminski: Man will schnell, gesund, möglichst preisgünstig essen. Warum ist das ungesund?

    Overdiek: Man hat selbst keine Möglichkeit mehr, ein gutes Essen zuzubereiten, also einen Salat zu putzen, Gemüse zu waschen. Das hat ja alles auch mit Zeit und Aufwand zu tun. Da ist es natürlich viel einfacher, zu Convenience-Produkten zu greifen, die oft viel Zucker haben, die oft versteckte Fette haben. Limonaden sind gesüßt. Gerade auch bei Kindern greift man nicht mehr zum Mineralwasser, sondern die meisten trinken gesüßte, gezuckerte Limonaden. Wenn man sieht, dass sogar eine Bionade, die eigentlich als Biogetränk immer in den Vordergrund gestellt wird, noch Zucker hat, dann muss man sich fragen, wie man als Otto Normalverbraucher überhaupt noch an gesunde Lebensmittel kommen soll.

    Liminski: Ihr Trend, der sozusagen dagegenhalten soll, heißt Wellfood und war auf der Messe neulich zu beobachten, ist aber sonst bis jetzt eigentlich nur auf Biobauern, Ökoläden beschränkt, in Supermärkten kaum vertreten. "Vivamangiare" bietet als erster "Wellfood to go" als Fastfood an. Hat das ganze, fragt man sich natürlich, auch etwas Geschmack?

    Overdiek: Das hat sogar sehr viel Geschmack. Wir arbeiten ja mit sehr frischen Lebensmitteln, mit naturbelassenen Zutaten. Wir verzichten auf Geschmacksverstärker, weil ein gutes Stück Fisch oder ein gutes Stück Fleisch oder auch frisches Obst natürlich schmecken und wirklich sehr lecker sind, viel mehr Geschmack haben als manche Geschmacksverstärker. Ich denke dahin muss man auch wieder zurück. Wir haben wahrscheinlich verlernt, die naturreinen Dinge wirklich zu genießen, eben weil wir so ein bisschen versaut worden sind in den letzten Jahren.

    Liminski: Aber worin unterscheidet sich dann sozusagen Wellfood von einem normalen Restaurant-Essen?

    Overdiek: Wellfood verzichtet auf viel Salz, verzichtet auf zu viel Zucker, arbeitet mit vielen Kräutern, mit verschiedenen anderen Gewürzen, die naturbelassen sind, und erzielt so aber auch die gleichen Effekte.

    Liminski: Ein saftiges Steak, eine zarte Entenbrust, eine feine Leberpastete, dazu ein exquisiter Bordeaux, sind das alles nur noch Träume für den gesundheitsbewussten Bürger, wenn er zu Ihnen geht?

    Overdiek: Nein. Das sind alles Dinge, die sie essen dürfen. Das sind auch alles Dinge, die im Rahmen der zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung erlaubt sind. Ein saftiges Steak ist sehr fettarm. Was sie vermeiden sollten ist dazu die dicke, mit Mehl angeschwitzte Soße zu nehmen oder ähnliche Dinge. Ein exquisiter Bordeaux ist ganz hervorragend für die Gesundheit, wenn man nicht zu viel davon trinkt. Das ist das Schöne an Wellfood. Man muss nur darauf achten, dass man gute Dinge nicht mit schlechten vermischt.

    Liminski: Das Auge isst mit, sagt man, meint damit das Ambiente, die Essenskultur. Das bleibt aber doch bei "Wellfood to go" auf der Strecke?

    Overdiek: Das muss es nicht. Wir haben bei unseren Stores darauf geachtet, dass wir ein sehr gehobenes Ambiente haben mit großen Eichentischen, mit schönen Lampen. Wellfood ist ja ein Essen, das alle Sinne anspricht, das man auch in Ruhe genießen soll. Deswegen bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, unser Essen einmal mit nach Hause zu nehmen, es in Ruhe dort zu genießen, oder auch im Büro sich die Zeit zu nehmen, es zu genießen.

    Liminski: Aber das ist ja schon das Stichwort "in Ruhe genießen". Wir haben ja eben festgestellt, die neuen Ernährungsgewohnheiten werden von der Hektik des Alltags sozusagen überschattet. Die Ruhe ist ja nicht da?

    Overdiek: Die Ruhe ist deswegen da, weil man bei uns das Essen ganz schnell kriegt. Es ist gutes Essen vorbereitet. Ich habe keine Wartezeiten im Restaurant. Ich habe keine Wartezeiten bei der Abholung meines Essens, sondern ich kann die Zeit, die ich dann übrig habe, weil ich eben nicht gewartet habe, in Ruhe fürs Essen verwenden.

    Liminski: Wie sollen sich denn die gesundheitsbewussten Bürger noch im Dschungel der Diätempfehlungen, die man ja überall findet, zurechtfinden? Nicht jeder hat die Zeit dazu, ganze Bücher zu lesen. Auch bei Ihnen sind ja wahrscheinlich wissenschaftliche Erkenntnisse mit eingeflossen in Ihre Erfindung, in Ihre Idee. Muss man da viel wissen, um aufzupassen?

    Overdiek: Nein. Viel wissen muss man eigentlich nicht. Man sollte darauf achten, dass man sehr ausgewogen isst, dass man vollwertig isst. Vollwertig heißt, lieber mal zu einer Vollkornnudel greifen, oder wenn man eine normale Nudel macht sie al dente kochen, zu einem Vollkornbrot greifen, nicht zu viele offensichtliche Fette verwenden. Wenn Fette, dann gute pflanzliche Öle wie ein Olivenöl oder ein Rapsöl. Das ganze ist keine Wissenschaft, sondern wenn man sich so ein bisschen damit beschäftigt, hat man den Dreh eigentlich ganz schnell raus.

    Liminski: Den Deutschen ist im Gegensatz zu Franzosen etwa das gesunde Essen nicht so viel Geld wert. Haben Sie denn Vergleichsmöglichkeiten mit dem Ausland? Haben Sie sich dort schon mal umgeschaut?

    Overdiek: Wir waren natürlich im Ausland, auch im Vorfeld der Eröffnung unseres ersten Stores. Wir haben uns die Fastfood-Landschaft und überhaupt die Restaurant- und Essenslandschaft in verschiedenen Ländern angeschaut. Ich selbst war gerade letzte Woche wieder in Frankreich für vier Tage, konnte wieder sehen, dass Franzosen ja einen ganz tollen Hang zur Ernährung und zu Lebensmitteln haben, einfach liebevoller damit umgehen als wir Deutschen. Das ganze versuchen wir so ein bisschen bei "Vivamangiare" auch aufzugreifen. Von daher gibt es bei uns in Deutschland noch viel zu tun, aber ich denke wir sind da auch auf einem ganz guten Weg.

    Liminski: Gesund und trotzdem schnell essen. Das war der Ernährungsexperte Ulrich Overdiek, Erfinder von "Vivamangiare" Wellfood. Besten Dank für das Gespräch, Herr Overdiek.