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Das Ende des Zitterns

Physik. - Wissenschaftler, die einzelne Moleküle in einer Flüssigkeit unter dem Mikroskop studieren wollen, haben die Brownsche Molekularbewegung fürchten gelernt. Sie sorgt dafür, dass die Moleküle ständig hin und her zittern. Nun aber haben amerikanische Wissenschaftler dem Zittern ein Ende gemacht.

Von Jan Lublinski | 02.06.2006
    Wenn Wissenschaftler kleine Partikel in wässriger Lösung untersuchen wollen, stoßen sie schnell auf ein sehr grundlegendes Problem: Die Partikel zittern wie wild hin und her, denn sie sind einem ständigen Bombardement winziger Wassermoleküle ausgesetzt. Brownsche Molekularbewegung heißt dieser Effekt, der zur Folge hat, dass sich Partikel in Flüssigkeiten nicht in Ruhe beobachten lassen. In den 90er Jahren kamen immerhin die so genannten "optischen Pinzetten" auf, Laserstrahlen, mit denen man einzelne Partikel unter dem Mikroskop festhalten kann. Die Partikel bleiben im Lichtkegel gefangen, und können unter dem Mikroskop genau studiert werden. Doch will man mit "optischen Pinzetten" einzelne, frei schwimmende Moleküle untersuchen, so stößt diese Technik an ihre Grenzen. Objekte, die kleiner sind als 100 Nanometer, lassen sich nicht mehr mit Lichtstrahlen festhalten.

    "Heute untersucht man Moleküle in der Regel so, dass man einen kleinen Bereich in der Lösung genau beobachtet und wartet, bis ein bestimmtes Molekül vorbei kommt. Es bleibt dann eine Millisekunde dort, wenn überhaupt, und in der Zeit kann man nur einen kurzen Schnappschuss des Moleküls machen. Alternativ dazu kann man die Moleküle auch an einer Oberfläche befestigen, und sie in Ruhe studieren. Nur weiß man dann nicht, ob die Moleküle sich genau so verhalten, wie wenn sie noch frei schwimmen würden."

    Adam Cohen von der Stanford Universität in Kalifornien hat eine Lösung für dieses Problem gefunden, und wenn er sie in Vorträgen präsentiert, so geht ein Raunen durch das Fachpublikum: Er zeigt einen Film, in dem ein wenige Nanometer großes Molekül sich in einem wilden Tanz im Wasser bewegt. Kaum aber drückt er auf einen besonderen Knopf an seinem Mikroskop, bleibt dieses Molekül stehen, als wäre es plötzlich eingefroren. Cohen hält das Molekül fest, indem er über Elektroden elektrische Spannungen in die Flüssigkeit gibt, in der das Molekül schwimmt. Eine Kamera registriert die Bewegung des Moleküls. Sobald es sich in eine bestimmte Richtung bewegen will, ziehen die Elektroden es zurück - über das elektrische Feld, das sie erzeugen. Anti-Brownsche-Falle nennt Cohen seine bahnbrechende Erfindung. Mit seinen elektrischen Feldern kann er Moleküle nicht nur festhalten, sondern auch gezielt fernsteuern. Cohen:

    "Die ganze Welt der Proteine und Biomoleküle, die wir innerhalb der Zelle finden, eröffnet sich uns neu. Denn wir haben sie bislang noch nicht im Detail studieren können. Wir können die Moleküle jetzt einfangen und gleichzeitig Untersuchungen an ihnen machen, um ihre Funktion besser zu verstehen."

    Über Zellbiologische Anwendungen hinaus kann sich Cohen auch vorstellen, seine Technik für die Nanotechnologie nutzbar zu machen. Sein Ziel ist es, die Teilchenfalle gezielt für den Molekültransport in den Nanofabriken der Zukunft einzusetzen. Auf jeden Fall ist jetzt schon abzusehen, dass Cohens Anti-Brownsche-Teilchenfalle ein wichtiges neues Werkzeug in biophysikalischen Labors werden wird.