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"Das ist keine gute Entwicklung"

Internet.- Das bereits weltgrößte Soziale Netzwerk Facebook will weiter wachsen. Nun bietet das Unternehmen um Mark Zuckerberg eine Reihe neuer Funktionen an. Wie bedenklich diese für die Nutzer werden könnten, erklärt Wissenschaftsjournalist Marcus Schuler im Gespräch mit Manfred Kloiber.

24.04.2010
    Manfred Kloiber: Die Entwicklerkonferenz F8 von Facebook in San Francisco sorgte diese Woche für Schlagzeilen. Das größte Soziale Netzwerk der Welt mit mehr als 400 Millionen Nutzern stellte eine Reihe neuer Funktionen vor. Ziel: die weitere Expansion ins Netz. Sprich: Facebook soll wachsen. Marcus Schuler, Sie haben die Konferenz verfolgt. Facebook hat sich Wachstum auf die Fahnen geschrieben. Wie will das Unternehmen das anstellen?

    Marcus Schuler: Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, und sein Entwicklerteam haben eine Reihe von kleinen Mini-Programmen vorgestellt. Das sind nichts anderes als Code-Schnipsel, die man in seine Webseite, beispielsweise in das eigene Blog, einfügen kann. Dieser eingefügte Code zapft Facebook an. Konkret würde das so aussehen: Man ist bei Facebook eingeloggt, dann verlässt man das Angebot und geht zum Beispiel auf die Internetseite von CNN. Automatisch werden dann dort die Artikel und Beiträge angezeigt, die meine Freunde, mit denen ich bei Facebook vernetzt bin, für besonders gut befunden haben.

    Kloiber: Und dann wird es auch einen "Find-ich-gut-Knopf" geben?

    Schuler: Ja, genau. Auf Englisch: "Like-Button". Diesen wird man vermutlich ganz schnell auf ganz vielen Seiten des Internets finden können. Seine Funktion: Mit einem Klick darauf markiert man Texte, Bilder, Videos und meine in Facebook vernetzten Freunde bekommen mitgeteilt, was ich gerade lese und was ich gut finde. Außerdem gibt es diese Funktion nicht nur als Knopf, sondern auch als Box. Sie zeigt mir auf einer normalen Webseite an, welche Inhalte meine Freunde und Bekannten auf dieser Internetseite besonders gut finden.

    Kloiber: Dann wurde von der F8 auch viel vom Open-Graph-Protokoll berichtet – das soll es ja in sich haben.

    Schuler: Man muss kein Prophet sein, um sagen zu können, dass diese Funktionalität Facebook sicherlich noch jede Menge Ärger mit Datenschützern einbringen dürfte. Schon jetzt versteht sich das soziale Netzwerk sehr gut darauf, die Benutzerdaten semantisch auszuwerten. Das heißt: Wer Facebook gestattet, persönliche Informationen zu nutzen, der muss sich nicht wundern, wenn nun dank "Open-Graph-Protokoll" künftig Meinungsäußerungen, Bilder – also persönliche Daten - auf Internetseiten außerhalb von Facebook erscheinen. Genau dafür sorgt nämlich dieses Protokoll.

    Kloiber: Das müssen Sie noch ein bisschen näher erläutern. Was genau bewirkt diese API, also die Programmierschnittstelle von Open Graph?

    Schuler: Wenn ich als Facebook-Mitglied auf andere Internetseiten gehe und dort surfe, können diese Webseiten mir personalisierte Informationen anbieten. Beispiel: Wenn ich besonders gerne Sushi esse, dann erhalte ich Artikel oder Angebote, bei denen es um Sushi geht, zuerst.

    Kloiber: Und dann gibt es noch eine 24-Stunden-Regelung, die aufgehoben werden soll?

    Schuler: Ja, genau. Sie gestattet nämlich externen Partnern von Facebook, also zum Beispiel CNN, Benutzerinformationen von Facebook-Mitgliedern für maximal 24 Stunden zu speichern. Und genau diese Regelung hat man jetzt bei Facebook aufgehoben. Bestimmte Informationen wie Name, Alter, Wohnort, Geschlecht können Partnerseiten von Facebook auf unbestimmte Zeit speichern. Das ist keine gute Entwicklung. Zumal es einem Facebook schwer macht, diesen Informationenfluss nach außen zu externen Webseiten zu stoppen, da nämlich der Abschaltmechanismus schwer zu finden ist.

    Kloiber: In den letzten Tagen wurde ja auch vielfach davon gesprochen und geschrieben, dass Facebook immer mehr zu einem Konkurrenten von Google wird. Wie beurteilen Sie das?

    Schuler: Ja, das ist durchaus der Fall. Google sucht das Netz mithilfe mathematischer Algorithmen nach Internetseiten ab. Facebook dagegen – dessen Ergebnisse basieren nämlich auf Empfehlungen des Freundes- und Bekanntenkreises. Ein bekannter Blogger in den USA, Robert Scoble, hat es so formuliert: Google serviert einem eine kalte Auflistung. Facebook versteht es dagegen sehr gut, Empfehlungen auszusprechen, denen man vertraut, weil sie eben aus meinen Freundes- und Bekanntenkreis kommen.

    Kloiber: Sprich also, Facebook kommt Google auf dem Feld der personalisierten Werbung in die Quere?

    Schuler: Genau. Facebook hat nicht nur persönliche Informationen gespeichert. Es kennt meinen Freundes- und Bekanntenkreis. Und dadurch kann es für Werbekunden viel genauere Zielgruppen bilden als Google dies gegenwärtig kann

    Kloiber: Marcus Schuler mit Informationen über die F8, Entwicklerkonferenz von Facebook in San Francisco. Vielen Dank.