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Das Schaffen eines bescheidenen Mannes

Das Ensemble "orchester le phénix" zeichnet zusammen mit der Traversflötistin Annie Laflamme die Schaffensphasen von Franz Danzi nach. Die Musiker interpretieren den wenig bekannten Komponisten mit viel Spielfreude, ohne sich dabei in exzentrischen Extremen zu verlieren.

Von Helga Heyder-Späth | 01.05.2013
    Heute stellen wir Ihnen die neueste Einspielung des "orchesters le phénix" vor. Zusammen mit der kanadischen Traversflötistin Annie Laflamme widmet sich das junge Ensemble darin einem in unseren Tagen nur noch wenig bekannten Komponisten der Klassik, nämlich Franz Danzi. Pünktlich zu dessen 250. Geburtstag haben sie kürzere Orchesterwerke und vor allem zwei seiner Flötenkonzerte beim Label Coviello Classics eingespielt. Im Studio begrüßt Sie dazu Helga Heyder-Späth.

    Franz Danzi, Flötenkonzert G-Dur op. 30, 1. Allegro

    Der Name Franz Danzi ist heute nur wenigen Kennern ein Begriff und wird oft in der Schublade der "Kleinmeister" abgelegt. Zu Danzis Lebzeiten war das ganz anders. Carl Maria von Weber schätzte ihn als Freund und Vorbild, der Weimarer Komponist Christian Schreiber hielt ihn sogar für einen der – Zitat – "ersten Componisten unseres Vaterlandes". Am 15. Mai 1763 wurde Danzi in Schwetzingen geboren. Sein Vater, ein Italiener, war Cellist in der Hofkapelle des Pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor in Mannheim. Das Mannheimer Orchester gehörte damals zu den führenden Ensembles und stand für eine musikalische Zeitenwende: Man war dabei, barocken Ballast über Bord zu werfen, und machte sich auf in Richtung Klassik. Die pfälzische Residenz wurde dadurch für viele Musiker zu einem faszinierenden Anziehungspunkt. So lernt der junge Danzi 1777 auch Wolfgang Amadeus Mozart kennen, den er zeitlebens verehren sollte. Bald danach tritt der Fünfzehnjährige als Cellist in die Fußstapfen seines Vaters. Damals beginnt der musikalische Glanz Mannheims allerdings schon etwas zu verblassen: Denn Karl Theodor, der inzwischen auch bayerischer Kurfürst geworden ist, verlegt seine Residenz – und mit ihr einen großen Teil seiner Hofkapelle – nach München.

    Im eben erst gegründeten Mannheimer Nationaltheater werden aber weiterhin vor allem deutsche Singspiele gegeben. Und hier kann sich Danzi schon bald auch als Komponist bewähren. Am 30. Januar 1780 erklingt dort seine Ouvertüre zu dem Schauspiel "Cleopatra". Das "orchester le phénix" hat sie jetzt vom Staub der Archive befreit und wirft so einen Blick auf die ersten kompositorischen Schritte Danzis, denn die Ouvertüre gehört zu den frühesten Werken, die wir von ihm kennen. Deutlich ist darin der Geist des Sturm und Drang zu spüren.

    Franz Danzi, Cleopatra, Ouvertüre

    Im Jahr 2008 haben die beiden Cellisten Christine Meyer und Mathias Kleiböhmer zusammen mit jungen Musikerkollegen das "orchester le phénix" gegründet. Die Heimat des Ensembles, das sich der historischen Aufführungspraxis verschrieben hat, liegt im Schweizer Kanton Graubünden. Inzwischen ist es aber auch mehr und mehr auf internationalen Bühnen unterwegs. Ihren Ensemblenamen haben Meyer und Kleiböhmer von dem französischen Barockkomponisten Michel Corrette entliehen. Der nannte nämlich eines seiner Cellokonzerte nach Phönix, jenem wundersamen Vogel der antiken Mythologie, der sich aus der eigenen Asche immer wieder verjüngt. Er ist ein durchaus treffender Namenspatron für ein Ensemble, das sich der Wiederbelebung zu Unrecht vergessener Musik widmet. Nach Werken von Jean Louis Duport und einer wenig gespielten Masque von Henry Purcell hat das "orchester le phénix" mit seiner dritten CD jetzt also Franz Danzis Instrumentalmusik in den Blick genommen. Dass dabei unter anderem drei Weltersteinspielungen von Schauspiel-Ouvertüren auf dem Programm stehen, ist durchaus schlüssig, denn Danzi war unter anderem ein Mann des Musiktheaters.

    Die eingespielten Werke stammen aus verschiedenen Lebensphasen. Neben der frühen Ouvertüre, die Sie eben gehört haben, finden sich auch reifere Kompositionen, etwa Danzis Ouvertüre zu Friedrich Schillers "Willhelm Tell". Sie entstand 1815, also rund 35 Jahre nach dem Mannheimer Frühwerk. Nach Jahren in München und am königlichen Hoftheater in Stuttgart war Danzi jetzt Hofkapellmeister in Karlsruhe. In dem "Allegro ma non troppo" seiner dreisätzigen Tell-Ouvertüre offenbart er sich nach wie vor als ein Bewunderer Mozarts. Zugleich meint man ein wenig von dem Wiener Schwung der "Mödlinger Tänze" zu spüren, die vier Jahre später entstehen – und vermutlich von Ludwig van Beethoven stammen. Außerdem zeigt sich in dem Satz Danzis Vorliebe für Blech- und Holzbläser, mit denen er seinen Werken besondere Farbigkeit verleiht.

    Franz Danzi, Ouvertüre zu Wilhelm Tell, Allegro man non troppo

    In seiner neuen CD stellt das "orchester le phénix" Franz Danzi als einen vielseitigen Komponisten vor, der im Umfeld der großen Klassiker Haydn, Mozart und Beethoven durchaus bestehen kann. Das Ensemble präsentiert seine Musik mit Spielfreude und Frische, ohne sich in exzentrische Extreme zu verlieren. Die hätten dem Wesen des Komponisten auch kaum entsprochen: Er war ein bescheidener, sensibler und auf Ausgleich bedachter Mensch.

    Musikalisches wie interpretatorisches Highlight der CD-Produktion ist das Flötenkonzert d-Moll op. 31. Es entstand, wie auch das zweite eingespielte Flötenkonzert, 1805, in Danzis letzten Jahren als Vizekapellmeister in München. In seinem Charakter ist es aber wesentlich dramatischer angelegt als das heitere Schwesterwerk, aus dem Sie zu Beginn der Sendung einen Ausschnitt hörten. Vielleicht spiegeln sich gerade im d-Moll-Konzert jene trüben Jahre, die damals hinter Danzi lagen: Nach einigen Erfolgen waren seine Bühnenwerke in München nur noch selten zu hören. Aber vor allem der Tod seiner Frau stürzte Danzi in eine tiefe Schaffenskrise. Aus ihr suchte er sich in den Jahren nach 1800 mit einer Fülle von Instrumentalwerken zu befreien. So bietet das d-Moll-Konzert dem "orcherster le phénix" reichlich Gelegenheit, seine dramatischen Qualitäten unter Beweis zu stellen.

    Zugleich zeigt das Ensemble sich darin als aufmerksamer Begleiter und beredter Gesprächspartner der Solistin Annie Laflamme. Die aus Kanada stammende Traversflötistin hat sich in Europa in den letzten Jahren als Spezialistin für die Musik vom Barock bis zur Romantik einen Namen gemacht. Sie spielt die zwischen Klassik und Frühromantik changierenden Konzerte Danzis mit klarem, sensiblem Ton und elegant fließender Virtuosität. Ein Paradebeispiel dafür ist der Schlusssatz des d-Moll-Konzerts, dessen reizvolles Wechselspiel zwischen tänzerischem Esprit und dramatischer Energie Annie Laflamme und das "orchester le phénix" genussvoll gestalten.

    Franz Danzi, Flötenkonzert d-moll op. 31, 3. Polacca

    Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute die neue CD des "orchesters le phénix" und der Traversflötistin Annie Laflamme vor. Aus Anlass des 250. Geburtstages von Franz Danzi haben sie Flötenkonzerte und Schauspielouvertüren dieses bislang im Schatten von Haydn, Mozart und Beethoven stehenden Klassikers eingespielt. Die CD ist gerade beim Label "Coviello Classics" unter dem Titel "Franz Danzi – Overtures and Flute Concertos" erschienen und im Vertrieb Note 1 erhältlich. Im Studio verabschiedet sich, mit Dank fürs Zuhören, Helga Heyder-Späth.

    Musik
    Franz Danzi
    Ouvertures & Flute Concertos
    Annie Laflamme, Traversflöte
    "orchester le phénix"
    Coviello Classics LC 12403 COV 21305 (CD)