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Das Spiel mit der DNA

Medizin.- Längst ist eine Genanalyse Standard, bevor Ärzte bestimmte Behandlungsentscheidungen treffen, etwa in der Krebstherapie. Doch dabei stellt sich die Frage: Was taugen eigentlich diese Daten und wie zuverlässig sind sie? Darüber haben Experten vor kurzem in Tutzing diskutiert.

Von Hellmuth Nordwig | 15.05.2012
    Was die Ergebnisse der Gendiagnostik wirklich taugen, zeigen sogenannte Ringversuche. Dabei werden biologische Proben von einer zentralen Stelle an viele Labors verschickt. Die sollen dann die Abfolge der Erbgutbausteine in bestimmten Genen analysieren. Anschließend erfahren die Labors, ob ihr Ergebnis gestimmt hat. In Deutschland organisiert Dr. Parviz Ahmad-Nejad vom Universitätsklinikum Mannheim solche Ringversuche.

    "Dabei haben wir eine durchschnittliche Fehlerrate bei den teilnehmenden Laboratorien von momentan 1,61 Prozent. Was bedeutet, dass jeder 60. Genotyp, der in diesen Laboratorien bestimmt wird, fehlerhaft ist."

    Wenn es um schwerwiegende Behandlungsentscheidungen geht, sollte man sich also schon bei diesen herkömmlichen Tests keinesfalls auf ein einziges Ergebnis verlassen. Völlig offen ist die Qualität einer neuen Methode, der sogenannten DNA-Sequenzierung der nächsten Generation. Die Forscher in den Genlabors versprechen sich viel davon. Zum Beispiel Dr. Hanns-Georg Klein, ärztlicher Leiter des Zentrums für Humangenetik und Laboratoriumsmedizin in Martinsried.

    "Wir stehen hier vor einem enormen technologischen Wandel. Die Geräte, die wir bisher hergenommen haben und die auch für die Analyse des Humangenoms verwendet wurden, laufen aus und werden ersetzt durch Geräte, die einen tausend- oder sogar zehntausendfach höheren Durchsatz haben. Wir können damit wesentlich mehr Gene und ganze Genome untersuchen. Das wird jetzt in absehbarer Zeit innerhalb eines Tages möglich sein und auch zu einem Preis von wahrscheinlich unter 1000 Euro. Welche Implikationen das für die Diagnostik hat, können wir heute noch nicht im Einzelnen absehen."

    Bei der klassischen Genanalyse lesen die Forscher möglichst große, zusammen hängende Erbgutabschnitte ab. Die wesentliche Neuerung bei der DNA-Sequenzierung der nächsten Generation besteht darin, dass das gesamte Genom in kleine Bruchstücke zerschnitten wird. Die werden sehr schnell analysiert und anschließend als Gesamtergebnis wie bei einem Puzzlespiel zusammengesetzt. Auf der Basis dieser neuen Methode werden bereits heute Behandlungsentscheidungen getroffen. Zum Beispiel beim Einsatz neuer Medikamente gegen Brustkrebs.

    "Ja, das wird bereits gemacht. Und die Möglichkeit, die ich jetzt habe, ist zu detektieren: Wenn sich bereits Resistenzen entwickeln in dem Tumor gegen das Medikament – der Tumor entwickelt sich ja, er baut ständig neue Mutationen ein – dann kann ich die sehr frühzeitig entdecken, viel frühzeitiger als bisher, und damit rechtzeitiger das Medikament wechseln."

    Viel mehr Daten aus dem Erbgut in deutlich kürzerer Zeit – da stellt sich erst recht die Frage nach der Qualität. Allerdings kaum für die Herstellerfirmen der sogenannten Sequenziergeräte zur DNA-Analyse. Vier von ihnen waren in der vergangenen Woche auf einer Fachtagung vertreten – Konzepte zur Qualitätssicherung hatte keines der Unternehmen anzubieten.

    "Wir haben jetzt sechs, sieben Sequenziermethoden der nächsten Generation auf dem Markt, die alle Vor- und Nachteile haben und alle ganz unterschiedliche Methoden verwenden. Momentan ist es so, dass jedes Labor selbstständig die Validierung durchführen muss. Bei uns ist es so, dass wir die Validierung mit der herkömmlichen Methode durchführen und dadurch eine interne Überprüfung haben",

    sagt Hanns-Georg Klein über die Behelfslösung in seinem Labor. Derzeit überlegen die Experten noch, wie Ringversuche zur Qualitätssicherung am besten gestaltet werden könnten. Erst wenn die stattgefunden haben, werden sie wissen, was die Genanalysen der nächsten Generation wirklich taugen.