Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Dateitausch ganz legal

Mit Shaw Fennings Idee für die MP3-Tauschbörse "Napster" fing alles an. Inzwischen übertreffen dezentrale Peer-to-Peer-Netzwerke kommerzielle Internetplattformen weit an Leistung. Jetzt will auch die Filmbranche die Filesharing-Technologie für den Vertrieb nutzen.

Von Thomas Reintjes | 15.04.2006
    "Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich hatte auch ein bisschen Sorge, als ich zum Beispiel das erste Mal mit einem Musiklabel gesprochen habe, dass die mich gleich rausschmeißen, wenn ich da mit Peer-to-Peer-Technologie (P2P) ankomme. Aber das Gegenteil war der Fall. Es ist so gewesen, dass die sehr erfreut darüber waren, dass wir den technischen Beweis angetreten haben, dass man in einem P2P-Netz sehr wohl kontrollieren kann, ob autorisierter Content geshared wird und unautorisierter eben nicht."

    Kurt Smit spricht von seiner Plattform GNAB, die er bei der Bertelsmann-Tochter arvato entwickelt hat. GNAB ist die Technik hinter dem Dienst in2movies, über den seit dieser Woche legal Filme aus dem Internet geladen werden können. Und zwar nicht nur vom zentralen Server, sondern auch von anderen Benutzern - Filesharing also. Für den Anbieter in2movies bedeutet das erhebliche Einsparungen bei der Infrastruktur, erklärt Kurt Smit:

    "In den siebziger Jahren ist man davon ausgegangen, man braucht riesige Rechner, so genannte Mainframes, und sehr unintelligente Terminals, mit denen man interagiert mit diesen Mainframes. Danach wurden diese Terminals schon intelligenter und wurden dann Clients genannt. Die konsequente Weiterentwicklung ist die so genannte Grid-Technologie, also Peer-to-Peer-Technologie, wo man im Prinzip die Ressourcen, die es draußen gibt, innerhalb des Netzes nutzt."

    Schließlich lastet kaum jemand seinen DSL-Anschluss voll aus und kaum ein Rechner ist so beschäftigt, dass er nicht noch ein paar Dateihäppchen versenden kann. Auch wenn die Upload-Geschwindigkeit normaler DSL-Anschlüsse mager ist, geht der Download beim Empfänger schnell - dank des Filesharing-Prinzips: Eine Datei wird in viele Teile aufgeteilt, die dann gleichzeitig von verschiedenen Sendern abgerufen werden. Dafür, dass die Nutzer ihre Rechner im Netz zur Verfügung stellen, werden sie bei vielen Filesharing-Programmen belohnt. Auch bei in2movies kann man Bonuspunkte sammeln und gegen Filmdownloads eintauschen. Dafür soll das Netz verlässlicher sein als der Download von einem einzelnen Server. Wenn alle gleichzeitig den neuen Harry-Potter-Film herunterladen wollen, kann ein Server schon mal zusammenbrechen.

    Peer-to-Peer-Netze dagegen haben hier ihre große Stärke. Aus diesem Grund werden auch Spieleupdates, beispielsweise für das beliebte World of Warcraft per Peer-to-peer verteilt. Doch zwischen einem kostenlosen Spielepatch und einem Film in DVD-Qualität gibt es einen großen Unterschied: die Rechte. In2movies setzt dabei auf das umstrittene digitale Rechtemanagement DRM. Und das heißt dann in der Praxis: Abspielen des Films auf dem Computer erlaubt, DVD brennen verboten. Durch dieses restriktive Verfahren wird nicht nur die Verbreitung eingeschränkt, sondern vor allem auch die Nutzung. Einen anderen Weg geht deshalb Fraunhofer-Forscher Martin Schmucker mit dem Musiktausch-Programm Confuoco:

    "Für jede Datei, die ausgetauscht werden soll, wird ein digitaler Fingerabdruck berechnet. Dieser digitale Fingerabdruck ist vergleichbar mit der Melodie von einem Lied und kennzeichnet jedes einzelne Musikstück. Um einen Inhalt auszutauschen, wird von einer externen Instanz geprüft, ob dieser Inhalt getauscht werden darf. Dazu wird der digitale Fingerabdruck genutzt."

    Auf dem Zentralrechner gibt es also eine Liste, in der für jede Datei steht, ob sie getauscht werden darf oder nicht. Wer eine neue Datei in das System einfügt, kann die Rechte entsprechend vergeben - übernimmt dann aber auch die Verantwortung dafür. Dass die Dateien auch weiterhin illegal auf anderen Wegen weiterverbreitet werden könnten, nimmt Martin Schmucker in Kauf.

    "Es wird wahrscheinlich eine Entwicklung geben in Richtung legale Filesysteme zum einen, und eventuell auch in Richtung illegalen Dateiaustausch, der nicht kontrolliert werden kann. Und deswegen ist es sinnvoll, auch eine legale Basis zu schaffen, die Inhalte anbietet, die für den Nutzer attraktiv sind, in einem System, das für den Nutzer attraktiv ist."

    Eine vielfältige Community also, die Inhalte von jedem annimmt und verbreitet, aber gleichzeitig eine gewisse Kontrolle erlaubt. Schließlich ist bei Confuoco nicht ausgeschlossen, dass die Nutzer für die Inhalte bezahlen oder Inhalte mit DRM geschützt werden. Im Gegensatz zu in2movies ist Confuoco noch ein Forschungsprojekt. Die Filmplattform in2movies indes ist zwar schon als Betaversion verfügbar, aber wohl keine echte Alternative zu den illegalen Netzen. Filesharing hin, DVD-Qualität her, am Ende wird für viele Nutzer aber etwas anderes entscheidend sein: in2movies bietet seine Videos zeitgleich mit dem DVD-Verkaufsstart an. Wer sich Filme aus dem Netz lädt, tut dies aber meist schon, während sie noch im Kino laufen.