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Denkmal der grauen Busse

Ein aus Beton gegossener grauer Bus steht auf dem Platz neben der Berliner Philharmonie. Er erinnert an die Euthanasie-Opfer im Dritten Reich. Der Bus ist die originalgetreue Wiedergabe eines jener Fahrzeuge, mit dem die Nazis rund 200.000 Männer, Frauen und Kinder in die sogenannten T4-Vergasungsanstalten transportieren. Der Bus ist allerdings noch ein vorläufiges Mahnmal - eine feste Gedenkstätte soll folgen.

Von Margarete Limberg | 18.01.2008
    Eine kaum beachtete Bodenplatte, eine Plastik, die die meisten Passanten für Kunst am Bau halten - so sah bisher auf einem trostlosen Platz neben der Berliner Philharmonie das Gedenken an den Massenmord der Nazis an psychisch Kranken und Behinderten aus. Nun steht dort das in grauen Beton gegossene Abbild eines Busses, die originalgetreue Wiedergabe eines jener Fahrzeuge, die ab dem 18. Januar 1940 in ganz Deutschland Zigtausende in die T4-Vergasungsanstalten transportierten.

    Der graue Bus mit dem Zitat eines der Opfer "Wohin bringt er uns" ist 68 Jahre nach dem Verbrechen allerdings nur der erste Schritt auf dem Weg zu einem zentralen Dokumentations- und Gedenkort, für den eine Bürgerinitiative seit langem kämpft. Zu ihren Unterstützern zählt der Geschäftsführer der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Uwe Neumärker.

    70.000 Männer, Frauen und Kinder wurden ermordet, weil die Nazis sie als "lebensunwerten Ballast" ansahen. Nach dem Standort der Organisationszentrale in der Tiergartenstraße 4 wurde die Aktion T4 genannt. Anders als bei der Ermordung der Juden meldete sich gegen dieses Verbrechen öffentlicher Protest, vor allem von Seiten der Kirchen, namentlich des Bischofs von Münster, Graf von Galen. Im August 1941 ordnete Hitler deshalb das Ende der Geheimaktion an. Das Morden an den Behinderten und Kranken ging indessen auf andere Weise weiter. Man ließ sie verhungern oder führte ihren Tod durch zu hohe Medikamentendosen herbei.

    Insgesamt fielen rund 200.000 Menschen der so genannten "Euthanasie" zum Opfer. Von dieser Mordaktion führte eine direkte Spur zum Holocaust. Mit ihr wurde erstmals der industrielle Massenmord erprobt. Zu den Ermordeten gehörte auch die Tante Sigrid Falkensteins, deren Initiative es ganz wesentlich zu verdanken ist, dass dieses NS-Verbrechen endlich ins Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit geraten ist.

    Sigrid Falkenstein erinnert sich, wie schwierig es war, Politiker für ihr Ziel zu gewinnen. Zunächst bekam sie auf ihre Anfragen hin gar keine Antwort. Eine Ausnahme war Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, ehemaliger Vorsitzender der Stiftung für das Holocaust –Mahnmal. Er erinnerte daran, dass der Bundestag in seinem Beschluss zur Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas ein würdiges Gedenken auch für andere Opfergruppen versprochen hat.

    Der graue Bus direkt neben der Philharmonie ist Teil eines Mahnmals, das bereits existiert - und zwar im Zentrum für Psychiatrie "Die Weißenau" im baden–württembergischen Ravensburg. Diese ehemalige Heilanstalt war ebenfalls Ausgangsort von Todestransporten, und dort versperrt ein Betonbus dauerhaft die alte Pforte. Der zweite ist als bewegliches Mahnmal konzipiert und wird an wechselnden Orten aufgestellt, jetzt also in Berlin.

    Das von Horst Hoheisel und Andreas Knitz geschaffene Kunstwerk ist von einer drastischen, emotional stark berührenden Eindringlichkeit. Die endgültige Gestaltung und Finanzierung des Gedenk– und Erinnerungsortes in Berlin steht noch nicht fest. Zwar bekundete der Berliner Kulturstaatssekretär Andre Schmitz den guten Willen des Senats, aber er versäumte nicht, darauf hinzuweisen, dass dies eine gesamtstaatliche Aufgabe sei, was manche Fragen nach der Konkretisierung des Vorhabens offen lässt.