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Der Eierdeal

Das internationale Geschäft mit menschlichen Keimzellen blüht. Junge Frauen lassen gegen Geld in ihrem Körper Eizellen heranzüchten - manche riskieren damit ihre Gesundheit. Reproduktionsmedizinische Zentren treten als Zwischenhändler und Dienstleister auf, ihre Kunden sind Paare, die sich mit dem Rohstoff ihren Traum vom eigenen Kind erfüllen wollen. Neuerdings konkurrieren auch Wissenschaftler um die knappen Ressourcen: Sie brauchen frische Eizellen für die Stammzellforschung.

Von Eva Schindele | 01.10.2006
    London, im Juli 2006. Patti Farrant, 62, ist per Kaiserschnitt von einem kleinen Jungen entbunden worden. Vater ist ihr 60 jähriger Ehemann, genetische Mutter eine anonyme Eizellspenderin aus Osteuropa.

    www.eizellspende.de im Mai 2006: Vor ein paar Tagen hatte ich die "Vision", dass es fast ist wie einen Kuchen backen. Man nimmt Eier (haha), Zucker und Mehl und es ist ja egal, ob man die Zutaten im Plus oder bei Kaiser's gekauft hat. Wichtig ist die Energie und Liebe, die man in das Kuchenbacken steckt, um daraus einen schönen Teig zu machen.

    "Ich bin Raluca. Mit 16 Jahren kam ich nach Bukarest, mit 17 habe ich Nicu kennen gelernt, und mit 18 war ich schwanger. Ich habe in einer Matratzenfabrik gearbeitet und musste mein kleines Kind den ganzen Tag alleine zu Hause lassen. Ich suchte einen Ausweg, und da hat eine Bekannte gesagt, du kannst mit der Eizellspende Geld verdienen, ohne zu arbeiten, und so bin ich zu GlobalArt gekommen."

    Junge Frauen lassen gegen Geld in ihrem Körper Eizellen heranzüchten. Manche riskieren damit ihre Gesundheit. Das Geschäft machen Zwischenhändler und Kliniken. Kunden sind Paare, die sich mit dem Rohstoff ihren Traum vom eigenen Kind erfüllen wollen.

    Trist ist es in der winzigen Steinbaracke, in der Raluca mit ihrer kleinen Familie im Schatten riesiger Mietskasernen wohnt. Kein fließend Wasser. Das Licht spendet eine nackte Glühbirne. Die 24 Jährige hat in neun Monaten dreimal ihre Eizellen verkauft - für 100 bis 250 Dollar. Viel Geld - denn der Durchschnittsverdienst einer Arbeiterin liegt in Rumänien bei 100 Dollar und reicht gerade fürs Überleben. Als sie ihre Kollegin Alina zu GlobalART Rumänien mitbrachte, bekam sie zehn Dollar extra. Alina war damals 19 und träumte von einer schönen Hochzeit, mit Musik, Tanz und vielen Gästen.

    "Ich hatte mal wieder über meinen Geldmangel geklagt und da sagte meine Kollegin in der Matratzenfabrik: Du kannst schnell und einfach Geld mit einer Eizellspende verdienen. Sie sagte: "Du verlierst ohnehin jeden Monat das unbefruchtete Ei bei deiner Periode - dann kannst du es auch verkaufen." "

    Was Alina anfangs nicht wusste: Für eine Spende reicht das eine Ei nicht aus, das normalerweise in jedem Monat heranreift. Vielmehr braucht man für eine künstliche Befruchtung mindestens 10 - 15 reife Eizellen. Dafür muss der Körper 14 Tage mit hohen Hormongaben stimuliert werden. Alina unterschreibt in der Klinik eine Einverständniserklärung.

    "Es war nur ein Blatt. Darauf stand, dass ich 250 Dollar erhalte und dass ich mich bei gesundheitlichen Problemen nur an GlobalART wenden dürfte. Sie benutzten medizinische Begriffe, die ich nicht verstand. Ich habe dann die Assistentin gefragt, ob ich hinterher noch eigene Kinder bekommen könnte, und sie sagte: "Ja, garantiert!" "

    Alina verträgt die Homonspritzen schlecht. Ihr Bauch schwillt an und ihr ist schwindlig. Sie will die Behandlung abbrechen. Doch die Ärztin drängt sie durchzuhalten. Nach zwei Wochen werden Alinas Eizellen unter Narkose abgesaugt und im Labor nebenan mit dem aufgetauten Samen ausländischer Männer befruchtet.

    "Nach dem Eingriff haben sie mich gleich geweckt. Drückten mir ein Kuvert mit dem Geld in die Hand, und schickten mich weg. "

    Seit etwa 15 Jahren gehört die Befruchtung mit fremden Eizellen zum Repertoire der Fortpflanzungsmediziner. Die Nachfrage steigt ständig. Doch der Rohstoff ist knapp. Erst wenn die Eizellen mit Samen befruchtet werden, können sie eingefroren, gelagert und transportiert werden. GlobalART belieferte Reproduktionsmediziner in den USA, Israel und Großbritannien.

    Und so funktionierte der Service, zum Beispiel für die Londoner Bridge Klinik: Rumänische Frauen produzierten in Bukarest Eizellen. Der eingefrorene Samen des zukünftigen Vaters ging per Post von London nach Bukarest und befruchtete die Eizellen. Die entstandenen Embryonen schickte GlobalArt nach London zurück, wo sie in die Gebärmutter der Kundinnen eingesetzt wurden. Die entsprechende Import-Lizenz erteilte die britische Zulassungsbehörde HFEA.

    Das EU-Parlament kritisierte den Handel. Die grüne EU-Abgeordnete Hiltrud Breyer.

    "Wir haben als EU-Parlament gesagt, da müssen wir ein klares Signal setzen - das ist ein Verstoß gegen bestehendes EU-Recht - das würde aber auch die europäische Wertegemeinschaft untergraben, wenn Frauen degradiert werden als Rohstofflieferantin insbesondere auch noch Frauen aus armen Ländern wie aus Rumänien. "

    Wir treffen Alina mit ihrem Ehemann in einem Cafe im Zentrum von Bukarest. Sie ist inzwischen verheiratet und hat die Eizellspende bitter bereut. Noch immer leidet sie an den Folgen. Ihre Hände zittern, wenn sie erzählt, was damals - unmittelbar nach der Eizellentnahme - passierte.

    "Ich musste mich ständig übergeben. Mein Bauch war wie ein schmerzender Ballon, und ich konnte kein Wasser mehr lassen. "

    Die Medikamente hatten bei Alina das gefährliche Überstimulationssyndrom - kurz OHSS - ausgelöst, das mit Nierenversagen, Schlaganfällen und Lungenembolien einhergehen kann. Laut Schätzungen der WHO leiden etwa ein Prozent der Frauen, die sich einer Fruchtbarkeitsbehandlung unterziehen, an dieser Erkrankung. Vereinzelt sind Frauen sogar daran gestorben. Bei der operativen Entnahme der Eizellen können Eierstöcke oder Blase verletzt werden und Infektionen die Frauen unfruchtbar machen. Die Langzeitrisiken der Hormonstimulation zum Beispiel für die Entstehung von Eierstock- oder Brustkrebs sind noch nicht eindeutig geklärt.

    "Nach drei Tagen bin ich noch mal in die GlobalART-Klinik gegangen. Dort haben sie mir eine Infusion gegeben, das hat aber nichts genützt. Sie sagten, dass ich in kein anderes Krankenhaus gehen solle. Mir wurde immer elender. Zum Schluss habe ich sogar Blut gespuckt. Mein Freund brachte mich schließlich auf eigene Faust in ein großes städtisches Krankenhaus. Dort sagte die Ärztin: "Noch zwei Tage länger und Ihre Nieren hätten versagt." Ich hätte sterben können. "

    Der Bukarester Rechtsanwalt George Magureanu will für Alina und Raluca eine Entschädigung wegen Körperverletzung erstreiten. Doch bisher fand er keinen Arzt, der den Gesundheitszustand der beiden Frauen für das Gericht begutachtet - die Spezialisten fürchten offensichtlich um den Ruf der Branche. Auch Korruption behindert die Arbeit des jungen Rechtsanwalts. Als die rumänischen Behörden im Frühjahr 2005 auf Druck der EU, die Räume von GlobalART durchsuchten, waren Patientendateien und Laboreinrichtungen verschwunden. An der Tür hing ein Schild: "Vorübergehend geschlossen".

    Außergewöhnliche Preise! Das gesamte Paket - von der Entnahme der Eizellen und deren Befruchtung und Kältekonservierung - bis zum Transport in die USA kostet nur 8000 Dollar.

    Dies ist noch im April 2006 - also ein Jahr nach der Schließung der Bukarester Klinik auf der Homepage von GlobalART USA mit Sitz in Virginia nachzulesen. Ebenso die Bezugsadresse: GlobalART.srl im rumänischen Bukarest.

    Der große Preisvorteil im Vergleich zu sonstigen US-amerikanischen Spenderinnenprogrammen ergibt sich aus den geringeren Kosten für den Lebensunterhalt in Osteuropa.

    "Die GlobalART-Klinik behauptete, generelle medizinische Dienstleistungen anzubieten. Tatsächlich machten sie hauptsächlich Geschäfte mit Eizellen. "

    "Soweit wir wissen, steckt hinter der Gründung von GlobalART Rumänien der israelische Reproduktionsmediziner Ilya Barr. Laut Eintrag im Handelsregister gehört GlobalART aber einem Unternehmen mit Sitz auf den Virgin Islands. Barr ist an ähnlichen Kliniken in anderen ex-kommunistischen Ländern wie Slowenien und Weißrussland beteiligt. "

    "Wir haben eine europäische Richtlinie für Zellen und Gewebe, die ganz klar diesen Handel untersagt... Auch in der europäischen Grundrechtcharta ist dieser Handel ausgeschlossen. "

    Richtlinie zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen.

    Am 1. April 2006 trat die europäische Richtlinie in Kraft, die nun die einzelnen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umwandeln müssen. Sie soll dem Gesundheitsschutz von Spender und Empfänger dienen und betrifft auch den Umgang mit menschlichen Keimzellen.

    ...Programme für die Verwendung ... von Zellen sollten auf den Grundsätzen der freiwilligen und unentgeltlichen Spende, der Anonymität von Spender und Empfänger, der Uneigennützigkeit des Spenders sowie der Solidarität zwischen Spender und Empfänger beruhen.

    In Europa will man - anders als in den USA - keine finanziellen Anreize schaffen. Frauen sollen nicht aus Armut ihre Eizellen verkaufen und so ihre Gesundheit riskieren. Doch ob die EU-Regelung die Kommerzialisierung von Eizellen stoppen kann ist fraglich. Das Geschäft machen ohnehin nicht die Produzentinnen der Eizellen, sondern die Zwischenhändler und Fortpflanzungsmediziner, die diesen Rohstoff benötigen, um ihre medizinischen Leistungen anzubieten.

    www.eizellspende.de im Januar 2006: Ich habe auch bis vor kurzem noch gesagt: "IVF nein Danke!", Eizellspende, um Gottes Willen! Wenn aber dann die Uhr abläuft und dein Kinderwunsch-Arzt dir sachte beibringt, dass deine Eier "alt" sind, dann sieht man Dinge auf einmal ganz schnell in einem anderen Licht.... Leider ist ja in Deutschland die Eizellspende verboten. Was tun?

    Michael Thaele ist Vorsitzender des Bundesverbandes reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands.

    "Es gibt in Deutschland einen großen Bedarf an Eizellspenden, der sich in letzten Jahren entwickelt, weil immer mehr Paare und Frauen bereit sind, so etwas zu machen, wenn sie keine andere Möglichkeit haben, zu einem eigenen Kind zu kommen. ... "

    www.eizellspende.de im Januar 2006. Jetzt müssen wir uns um die passende Klinik im Ausland kümmern. Es ist auch eine Frage des Preises. Was ratet ihr mir: Prag oder Pilsen oder vielleicht Warschau? In Moskau soll es auch nicht so schlecht sein oder vielleicht doch lieber nach Spanien..."

    "Wenn man weiß, dort wird gute Qualität angeboten, bin ich verpflichtet, auf Nachfrage zu sagen: in dem oder dem Zentrum sind auch von den Zahlen, die sie auf internationalen Kongressen darstellen, ist anzunehmen, dass dort eine saubere und qualitativ gute Arbeit abgeliefert wird. "

    Deutsche Reproduktionsmediziner unterstützen mitunter auch die ausländischen Kollegen bei der Behandlung.

    "Was es durchaus gibt, dass diese Patienten dann zu uns kommen, um Reisekosten zu sparen und dann in der Praxis nachfragen, ob wir eine Ultraschalluntersuchung machen können und nachschauen können, ob sich die Gebärmutterschleimhaut aufbaut - das ist ja die Vorbereitung für die Eizellspende. Es ist ja nicht so, als wüssten wir nicht, wie es geht, nur weil es in Deutschland verboten ist. Das wäre ja lächerlich. "

    "Ich bin primär zuständig für die Betreuung der ausländischen Patienten....... Ich führe auch den Transfer durch und die Betreuung eines Aufenthaltes im Rahmen des Eizellspendeverfahrens. ...... "

    Der deutsche Reproduktionsmediziner Peter Hermann führt uns durch das "Instituto Valenciano de Infertilidad" in Alicante. Im großzügigen Eingangsbereich erinnern Bilder an den Wänden an das nahe Mittelmeer, an Sonne und Strandleben. Erst vor kurzem ist das Zentrum an der Costa del Sol als weiterer Ableger der spanischen IVI-Befruchtungskette eröffnet worden - gut erreichbar mit Billigfliegern aus vielen europäischen Großstädten. Die Mehrzahl der Paare kommt wegen einer Eizellspende:

    "Im Jahr 2000 hatten wir noch 30 deutsche Paare, im letzten Jahr 500. Insgesamt wurden in den IVI-Kliniken im Jahr 2004 etwa 1000 ausländische Paare aus ganz Europa, aus der ganzen Welt behandelt. "

    Tendenz weiter steigend. Spanien ist derzeit Nr. 1 in Europa unter den Eizelllieferanten. Doch die preisgünstigere Konkurrenz aus Osteuropa drängt auf den Markt.

    "Wir beobachten natürlich, dass im Internet eine regelrechte Schlammschlacht im Laufe des letzten Jahres begonnen hat. Viele neu entstandene Kliniken in den östlichen Ländern, in Tschechien, in Russland, in der Ukraine werben mit sehr hochgesteckten Zielen um deutsche zahlungskräftige Patienten. "

    Die Vorkommnisse in Rumänien kritisiert der Gynäkologe, der inzwischen zum "Instituto Bernabeu" in Alicante gewechselt ist, harsch. In seiner Klinik würden die Spenderinnen engmaschig kontrolliert und sogar jeder dritte Versuch abgebrochen - entweder, weil sich die Eizellen nicht gut genug entwickeln oder die Spenderin die Medikamente nicht verträgt.

    "Wir haben in Valencia immer zwischen 200 und 300 Spenderinnen gleichzeitig in Stimulation, in Vorbereitung. Dadurch, dass wir so viele Spenderinnen und Empfängerinnen haben, die Möglichkeit die Spenderinnen auf Vorrat - in gewisser Weise - zu stimulieren und sind uns sicher, dass wir zum richtigen Zeitpunkt geeignete Empfängerinnen haben. Das hat viele Vorteile, vor allem für die Spenderin. Würden wir auch nur geringe Beeinträchtigungen der Lebensqualität bei diesen Spenderinnen erzeugen, so würde unser Pool für die Zukunft ganz schnell abschmelzen. "

    US-amerikanische Eizell-Makler zahlen den Frauen durchschnittlich etwa 4 000 Euro pro Lieferung. Elitestudentinnen soll für ihr Erbmaterial sogar schon 40 000 Euro geboten worden sein. In Europa ist dagegen nur eine Aufwandsentschädigung erlaubt. Doch welche Summe ist noch Aufwandsentschädigung oder schon Anreiz? Dies sehen die einzelnen Länder durchaus unterschiedlich. Private Kliniken in Spanien zahlen den Spenderinnen, oft jungen Studentinnen 600 bis 1000 Euro pro erfolgreicher Spende.

    "Eine Spenderin darf drei bis vier Mal pro Jahr spenden, das heißt, sie kann nicht von diesem Honorar, von dieser Aufwandsentschädigung leben, aber sie kann sich zum Beispiel einen Urlaub verdienen, und für eine Studentin ist das immerhin eine Summe, die relevant ist. "

    Du bist jung, und du hast Tausende davon.
    Werde Eizellspenderin.


    In Spanien sind 80 Prozent der 300 Kinderwunschkliniken in privater Hand. Jedes Zentrum mobilisiert seinen eigenen Pool an Spenderinnen, schaltet Anzeigen in Magazinen, im Radio oder im Internet, um junge Frauen anzuwerben - auch Osteuropäerinnen, die in Spanien leben. Sie sind blauäugig und hellhäutig -Attribute, die die Kundschaft aus Großbritannien, Skandinavien oder Deutschland sucht.

    Die liberale Gesetzgebung ermöglichte es, dass sich in Spanien eine riesige Befruchtungsindustrie weitgehend unkontrolliert entwickeln konnte.

    Es gibt weder ein nationales Spendenregister noch eine öffentliche Kontrolle, kritisiert Itziar Alkorta Idiakez, Juraprofessorin im nordspanischen San Sebastian.
    "In Spanien wird die Eizellspende immer mehr zu einem bedeutenden Geschäftszweig. Die Kliniken ziehen Kundschaft von überall her an. In diesem Sinne sind sie Teil der Globalisierung. "

    Zur Kundschaft gehören neben Kinderwunschpaaren inzwischen auch Klonforscher, denn sie brauchen ein frisches Eizellreservoir für ihre Stammzellforschung. Der deutsch-slowenische Wissenschaftler Miodrag Stojkovic wechselte deshalb von dem britischen TOP-Klonzentrum Newcastle ins spanische Valencia. Dem amerikanischen Wissenschaftsmagazin Science sagte Stojkovic:

    Wir wollen uns nicht mehr mit den übrig gelassenen Eizellen herumplagen. Wir werden Eizellen von einer großen spanischen Fruchtbarkeitsklinik mit 3000 Zyklen im Jahr bekommen.

    Erst die Debatte um die Klonforschung hat die ethischen Probleme der Eizellspende zum öffentlichen Thema gemacht. Die Kernfrage: Darf man Frauen die Unannehmlichkeiten und Risiken der stimulierten Eizellproduktion zumuten, um damit Grundlagenforschung zu betreiben? Sollen Frauen aus Nächstenliebe spenden oder müssen sie dafür Geld bekommen, wie es amerikanische Forscher fordern? Gelten all diese Argumente nicht auch für Spenderinnen, die mit ihren Eizellen, Paaren zu einem Kind verhelfen wollen? Und wie soll man zukünftig den steigenden Eizellbedarf überhaupt decken können?

    "Es ist uns immer klarer geworden, dass es ethisch bedenklich ist, Frauen zum Spenden von Eizellen aufzufordern, die keine eigene IVF-Behandlung brauchen. "

    Der Reproduktionsmediziner Kamal Ahuja vom Londoner Cromwell-Hospital ist der Pionier des Egg-Sharings. Eierteilen zu deutsch.

    "Warum sollen sie einer komplizierten OP ausgesetzt werden? Warum sollen sie ohne Not Hormone und Medikamente nehmen, deren Langzeitfolgen wir nicht kennen? "

    Beim Eggsharing gibt eine Kinderwunschpatientin, die für die eigene IVF-Behandlung hormonell vorbereitet wird, einer anderen Frau von ihren reifen Eizellen ab. Dafür bekommt die Eizellgeberin ihre eigene Behandlung umsonst oder wesentlich günstiger. Zum Vergleich: So genannte altruistische Eizellspenderinnen erhalten in Großbritannien nur maximal 250 Pfund, rund 370 Euro Aufwandsentschädigung. Die Hamburger Politologin Ingrid Schneider war bis 2002 Mitglied in der parlamentarischen Enquetekommission "Recht und Ethik in der modernen Medizin":

    "Die Idee, dass Frauen anderen Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind etwas abgeben, hat natürlich etwas von Schwesterlichkeit und weiblicher Solidarität, die ja auch erst mal sympathisch ist. Aber auf der anderen Seite ist es natürlich eine indirekte Kommerzialisierung, weil Frauen das in der Regel in Großbritannien nur machen, um entweder schneller selber auf die Warteliste zu kommen oder eben eine Behandlung bekommen, die sie sich ansonsten gar nicht leisten können. Von daher ist auch dieses "unpaid eggsharing" ein indirektes "paid eggsharing". "

    In Großbritannien stammen inzwischen die meisten Eizellspenden aus dem Eggsharing-Programm. Für viele ist das der Ausweg aus dem Eizellmangel. Auch deutsche Fortpflanzungsmediziner, die seit langem die Zulassung der Eizellspende fordern, halten dies für ein gutes Modell. Laura Witjens sieht dagegen das Eggsharing skeptisch. Sie ist Vorsitzende des britischen "National Gamete Donation Trust", einer Organisation, die sich für die altruistische Sperma- und Eizellspende einsetzt.
    "Wenn du beim Egg Sharing nicht schwanger wirst, musst du damit fertig werden, dass du dein Leben lang kinderlos bleiben wirst - und das ist eine Trauer, die niemals endet und die andere niemals verstehen werden. Doch damit nicht genug. Du musst noch zusätzlich damit fertig werden, dass das Kind einer anderen Frau dein genetisches Material in sich trägt."

    Und vielleicht, wenn es 18 Jahre alt ist, an die Tür klopft und seine genetische Mama kennen lernen will. Denn in Großbritannien ist die Anonymität der Samenspender und Eizellspenderinnen im vorigen Jahr abgeschafft worden. Deshalb teilen Kinderwunschpatientinnen ihre Eizellen lieber mit Stammzellforschern als mit anderen Paaren. Seit neuestem wird dies auch honoriert. Die britische Aufsichtsbehörde HFEA hat dem Stammzell-Zentrum in New Castle genehmigt, Eizellen aus dem bezahlten Egg-Sharing Programm für Forschungszwecke zu verbrauchen - und zwar ohne das Ergebnis einer öffentlichen Anhörung abzuwarten. Dieses Vorgehen trug der Aufsichtsbehörde heftige Kritik ein, zeigt aber unter welchem Druck die Stammzellforscher stehen. Vermutlich verlängert dies die Warteliste für Kinderwunschpaare weiter und noch mehr Britinnen holen sich fremde Eizellen aus Osteuropa oder Spanien und bedenken nicht, dass daraus Kinder heranwachsen, die vielleicht einmal nach ihren Wurzeln fragen.

    "Mir macht es große Sorgen, wenn Kinderwunschpaare ins Ausland gehen. Werden diese Kinder später eine Chance haben, Informationen über ihre Spender zu bekommen. Werden sie sich dem Land des Spenders oder der Spenderin verbunden fühlen? Erben sie vielleicht das landestypische Aussehen und wie wird das nach England passen? "

    Olivia Montuschi vom britischen "Donor Conception Network" berät Eltern von Kindern, die aus Samen- oder Eizellspenden entstanden sind.

    "Ich habe mit zwei Frauen gesprochen, die in Spanien waren. Eigentlich sollten sie und die Spenderinnen aufeinander abgestimmt werden. Doch nun haben die Kinder einen olivfarbenen Teint und sehen insgesamt eher spanisch aus, während ihre Eltern im Aussehen typische Engländer sind. "

    Du bist etwas Besonderes,
    denn du hast die Macht, das Leben anderer Menschen zu verändern,
    denn nur du kannst uns geben, was wir brauchen.
    Jedes Mal, wenn du eine Eizelle spendest, spendest du Glück!


    Diesen Aufruf einer privaten Fruchtbarkeitsklinik sah die Juraprofessorin Itziar Alkorta an einer Pinwand in der baskischen Universität hängen. Sie kennt Studentinnen, die auf dem Campus gezielt angesprochen wurden, ob sie mit der Eizellspende Geld dazu verdienen wollen. Einige hätten sich schon überreden lassen. Sprechen wollen sie darüber nicht. Überhaupt ist das Thema Eizellspende in der spanischen Öffentlichkeit tabuisiert.

    "Die Frauen haben das Gefühl, dass das, was sie getan haben, Folgen haben kann, die sie nicht überblicken. In gewisser Weise sind sie unsicher, ja, man kann sogar sagen, sie schämen sich dafür. Ich würde gerne mit ihnen darüber reden. Aber es ist unmöglich, sie zum Sprechen bringen. "

    "Man möchte das Produkt haben, aber sich der Frau die dahinter steht, entledigen..."

    eizellspende.de im März 2006: Wir sind uns einig, niemandem von der Eizellspende zu erzählen. .... Ob und wann es das Kind erfährt, muss ich irgendwann intuitiv entscheiden....Da unsere Spenderin aus Spanien ist, ... heißt es abwägen, ob man das Kind einer Identitätskrise aussetzen will.

    "4 B Das ist im Grunde die Brutalität der anonymen Eizellspende, dass etwas, was für einen selbst einen ganz besonderen Wert hat, weil es wird das aller wertvollste, eine neues Kind daraus, aber es soll das eigene Kind sein, und es sollen alle Spuren dass es von jemand Drittem stammt, die sollen gewissermaßen getilgt werden."

    "Ich fühle mich betrogen, und mir geht es miserabel. Die Klinik tat so, als würde es sich nicht um ein Kind, sondern nur um beliebiges Gewebe handeln."

    Maria lebt in Nordspanien. Sie will unbedingt anonym bleiben. Immer wieder kämpft sie während unseres Gesprächs mit den Tränen. Vor drei Jahren hat die 29-Jährige ihre Eizellen einer Unbekannten gespendet, damit ihre Schwägerin ihre Wartezeit in einer staatlichen Reproduktionsklinik verkürzen kann. Mit niemandem in der Familie kann sie darüber sprechen.

    "Ich wurde nicht konkret von der Familie gezwungen, aber ich dachte, ich müsste es machen. Ich fühlte mich dazu moralisch verpflichtet. "

    "Als ich meinen Sohn nach der Geburt zum ersten Mal sah, habe ich sofort an die anderen Kinder gedacht, die möglicherweise von mir herumlaufen und die vielleicht meinem Sohn ähneln. Das macht mich sehr traurig. Ich habe mir vorgenommen, meinem Sohn, wenn er älter ist, zu erzählen, dass er möglicherweise noch Halbgeschwister hat."

    Zurück in die kleine Steinbaracke in Bukarest. Die sechsjährige Andrea hüpft auf den Schoß ihrer Mutter und will sie trösten. Doch Raluca möchte, dass sie vor die Tür geht. Ihre Tochter soll nicht mitbekommen, wie schlimm die letzte Eizellentnahme war. "Ein Horrortrip - einfach zu viel", sagt Raluca und weint. Manchmal denkt sie an ihre anderen Kinder, die irgendwo herumlaufen und die es hoffentlich besser haben als sie und ihre Tochter.

    "Es war zu Weihnachten, und ich wollte meinem Kind einen Wintermantel und etwas Kleines schenken. Deshalb bin ich nochmal zu GlobalART gegangen. Aber ich hatte so eine Vorahnung. Ich dachte, ich sterbe bei der Eizellentnahme. Ich hatte schreckliche Angst, ich schrie. Ich betete zu Gott... Ich wollte mein Kind doch wieder sehen und erziehen, auch wenn ich arm bin.
    Ein Mädchen nach dem anderen kam an die Reihe. Dann ich: Arme, Beine, Knöchel wurden am Operationstisch fixiert. Dann wurde ich betäubt und ich merkte nichts mehr. Nach dem Eingriff hatte ich furchtbare Bauchschmerzen und blutete schrecklich - zwei Wochen lang. Bis heute ist mir oft übel und ich fühle mich unruhig. Ich habe immer noch schmerzhafte Knoten in der Brust. Aber ich habe kein Geld, um zum Arzt zu gehen. "