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Der Labor-Burger

Auf einer Präsentation in London wurde ein Burger serviert, dessen Frikadelle aus Fleischmuskelzellen gezüchtet wurde. Die niederländischen Forscher, die die Retorten-Bulette ermöglichten, erhoffen sich, den Welthunger eindämmen zu können.

Wissenschaftsjournalist Jochen Steiner im Gespräch mit Ralf Krauter |
    Ralf Krauter: 250.000 Euro für eine Rindfleischbulette – das ist ein stolzer Preis. Und doch sind die Forscher aus den Niederlanden, die die Laborfrikadelle gezüchtet haben, überzeugt, der revolutionäre Fleischklops könnte helfen, die Ernährungsprobleme auf dem Planeten in den Griff zu bekommen. Frage an den Wissenschaftsjournalisten Jochen Steiner, der die Veranstaltung via Internet für uns verfolgt hat und jetzt hier im Studio ist: Wie wurde es denn hergestellt, das kostspielige Hackfleisch, das da heute in London in die Pfanne kam?

    Jochen Steiner: Der Physiologe Professor Mark Post von der Universität Maastricht und seine Mitarbeiter haben einige Stammzellen aus dem Schultermuskel eines lebenden Rindes entnommen und in ein Nährmedium gegeben. Dazu kam noch fetales Kälberserum. Und das hat dazu geführt, dass die Zellen gewachsen sind, sich vermehrt haben. Und so sind aus einigen Stammzellen massenweise Muskelzellen entstanden. Aber so ein paar Zellhaufen sind ja noch lange keine Frikadelle. Die Forscher haben deswegen die Zellen um spezielle kleine Gelsäuren herum angeordnet. Und dort haben sich die Zellen dann zu wenigen Millimeter langen Muskelfasern verbunden. Und von diesen Muskelfasern hat Post 20.000 für seinen Burger benötigt. Hinzu kamen noch Semmelbrösel, Safran, Rote-Bete-Saft für die Fleischähnliche Farbe. Weil das kultivierte Fleisch ist eigentlich eher gelblich-weiß und es hat kein Fett. Also ein ganz schön langwieriges Verfahren. Fünf Jahre hat Post geforscht, allein drei Monate hat es gedauert, diesen einen Burger herzustellen. Das Geld kam übrigens von Sergey Brin, dem Mitbegründer von Google.

    Krauter: Klingt alles noch reichlich kompliziert. Bevor wir über die tatsächliche Relevanz dieser Arbeit sprechen, stellen wir erstmal die Frage nach dem Geschmack. Wie hat er denn abgeschnitten, der Burger, im Geschmackstest?

    Steiner: Das wollten viele wissen. Aber nur zwei Testesser durften probieren. Und hier ist ihr Urteil.


    - O-Töne der Tester -

    Steiner: Also die Textur, das Gefühl im Mund ist schon so ähnlich wie Fleisch, aber der Geschmack ist noch nicht toll. Das sagten heute bei dieser inszenierten Verkostung eine österreichische Ernährungswissenschaftlerin und ein US-amerikanischer Buchautor. Der mittelmäßige Geschmack könnte am fehlenden Fett liegen – das sei im Labor noch schwierig herzustellen, so Post.

    Krauter: Die Mienen der Verkoster sprachen eigentlich auch Bände. Also so wahnsinnig lecker kann das Ganze nicht gewesen sein. Wozu der enorme Aufwand, wenn das Geschmacksergebnis dann doch so mittelprächtig ausfällt?

    Steiner: Die Forscher wollten zeigen, dass so ein Burger aus kultiviertem Fleisch im Prinzip möglich ist. Post will eine Alternative zur Massentierhaltung aufzeigen. Aus einem Rind könnte er theoretisch 100 Millionen Burger machen. Klar ist: Die Weltbevölkerung wird stark anwachsen, die Nachfrage nach Fleisch wird weiter ansteigen – vor allem in Ländern wie China oder Brasilien. Die Tierhaltung setzt ja schon jetzt riesige Mengen an Treibhausgasen frei, vor allem das gefährliche Methan. Außerdem werden enorme Weideflächen benötigt. Und das Laborfleisch würde 80 bis 95 Prozent weniger Treibhausgase freisetzen. Das sagt zumindest eine Studie der Universität Oxford. Und die Zahl der Tiere könnte dadurch natürlich drastisch reduziert werden. Also Tierschutzorganisationen wie PETA zum Beispiel begrüßen das Laborfleisch natürlich.

    Krauter: Es gibt also durchaus gute Argumente für Fleisch aus der Retorte. Aber die Gretchenfrage bleibt ja: Ist es überhaupt realistisch, dass einmal im großen Stil herzustellen? Vor allem müssten die Kosten ja offenbar dramatisch sinken, sonst bleibt es unerschwinglich.

    Steiner: Das stimmt. Das war jetzt erstmal ein erster Versuch, der zeigen sollte: Es ist im Prinzip möglich. Die Herstellungsprozesse müssen optimiert werden, die Anlagen müssen viel größer werden, dadurch sinken die Kosten. Mark Post sagt, die Massenproduktion von kultiviertem Fleisch wird vielleicht in den nächsten 15 bis 20 Jahren möglich werden.

    Krauter: Angekündigt war das Ganze ein bisschen als Revolution in der Ernährungstechnologie. Was ist Ihr Eindruck, Herr Steiner: Ist es das wirklich oder war es eher nur ein PR-Coup von Stammzellenforschern, die auf ein interessantes Projekt aufmerksam machen wollten?

    Steiner: Die Vorteile aus Tierschutz- und Umweltschutzsicht liegen auf der Hand. Ein wichtiger Punkt ist natürlich der Preis. Viele Verbraucher wollen günstige Lebensmittel und können sich dann vielleicht damit abfinden, dass ihr Schnitzel im Labor gewachsen ist und nicht in einem richtigen Rind. Ein britischer Journalist und Restaurantkritiker hat gesagt, in Zukunft, wenn es das dann irgendwann einmal gäbe, wird man sich vielleicht nur noch ein gutes, echtes Stück Fleisch kaufen für einen besonderen Anlass. Sonst reicht auch für den Burger das Laborfleisch. Viele Kritiker sagen, das ist viel zu teuer. Man sollte einfach weniger Fleisch essen. Aber ich denke, für viele ist das keine Alternative. Und deswegen wäre das Laborfleisch für viele Menschen eine Alternative, wenn Geschmack und Preis stimmen.