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Der Libor-Skandal und die Deutsche Bank

Im Zuge der Finanzkrise soll der Libor manipuliert worden sein. Zum Schaden von Investoren, privaten Haushalten und Kommunen. Auch die Deutsche Bank ist ins Visier der Ermittlungen geraten. Ein Bankvertreter musste zur Anhörung des Finanzausschusses.

Von Michael Braun | 28.11.2012
    Die Abgeordneten hatten Anshu Jain eingeladen. Der aber hatte abgesagt. Sein Vorgänger als Deutsche-Bank-Chef, Josef Ackermann, hatte – ungewöhnlich genug – wissen lassen, bei solchen Anlässen gehöre der Chef auf die Bühne. Anshu Jain entschied anders, schickte seinen für Rechtsfragen zuständigen Kollegen Stephan Leithner in die Anhörung des Finanzausschusses. Die Ausschussvorsitzende, die FDP-Politikerin Birgit Reinemund, ist damit auch klargekommen:

    "Ich fühle mich sehr gut informiert. Und der Rechtsvorstand war bei allen Prozessen involviert. Es ist ja üblich, dass wir Sachverständige einladen. Und wen ein Vorstandsmitglied ein anderes Vorstandsmitglied für kompetenter hält, hier Auskunft zu geben, dann ist das Gang und Gäbe und nichts Besonderes."

    Dass der Co-Vorstand der Deutschen Bank einen Auftritt vor hiesigen Parlamentariern verpasst habe, stritt sie ab:

    "Da ist eine verpasste Chance für irgendwelche Medienpräsenz, aber nicht für unsere Information hier."

    Zur Anhörung stand, dass auch die Deutsche Bank in London an der Manipulation des wichtigen Libor-Zinssatzes teilgenommen hatte: Es ist der Zins, zu dem sich Banken gegenseitig Geld leihen. In der Finanzkrise sind angeblich niedrigere Zinsen gemeldet worden, als Händler sie in Wirklichkeit verabredet hatten. Das brachte auf dem Terminmarkt Gewinn in Geld: Je mehr, je größer der Zinsabstand zwischen Libor und anderen Zinsen war – dies zu Lasten der Anleger, die auf eine andere Zinskonstellation gewettet hatten.

    Deutschbanker Stephan Leithner vertrat heute vor dem Finanzausschuss die bekannte Linie des Deutsche-Bank-Vorstandes. Ja: Man habe bei Einzelpersonen Fehlverhalten festgestellt. Nein: Das Management sei nicht involviert gewesen. Und Ja: Die Deutsche Bank werde zur umfassenden Aufklärung des Zins-Skandals beitragen.
    Der frühere Risikovorstand der Deutschen Bank, Hugo Bänziger, deutete bei der Anhörung an, dass es über das Fehlverhalten einzelner hinaus doch Defizite gegeben habe: Nicht alle Kontrollen seien so gut gewesen, wie sich die Bank das vorgestellt habe. Bänziger war nicht in den neuen Nach-Ackermann-Vorstand berufen worden. Anshu Jain, damals für das Geschäft in London zuständig, hatte andere Personalvorstellungen.

    Dem Finanzausschuss des Bundestages ist bewusst, dass er mit einer deutschen Gesetzesinitiative internationale Zinssätze nicht "sauber" machen kann, will seine Rolle aber auch nicht kleinreden.

    "Er ist sicher nicht nur interessierter Zuhörer. Er ist Teilnehmer an Absprachen auf internationaler Ebene, also erst einmal auf europäischer Ebene, dann auf internationaler Ebene. Diese Referenzsätze werden ja aus internationalen Indizes zusammengestellt. Das lässt sich ja nicht auf deutsche Gesetzgebung beschränken."

    So die Vorsitzende Birgit Reinemund.

    Bei der Deutschen Bank läuft derzeit eine Sonderprüfung der Finanzaufsicht BaFin. Exekutivdirektor Raimund Röseler sagte vor dem Ausschuss, es gebe Hinweise auf Absprachen zwischen Händlern der beteiligten Banken. Die BaFin habe schon lange den Eindruck gehabt, der Libor funktioniere nicht richtig. An kriminelle Energie habe sie aber nicht gedacht.