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Der Sound der Tiefsee
US-Meeresforscher machen Tonaufnahmen im Marianengraben

US-Forscher haben mit einem Unterwassermikrofon drei Wochen lang die tiefste Stelle des pazifischen Ozeans belauscht. Eine Erkenntnis: Wo es absolut dunkel ist, ist es nicht absolut still.

Von Lucian Haas | 31.03.2016
    Unter Wasser bricht das Sonnenlicht in der See
    Wie hört sich die Tiefsee an? (imago/CHROMORANGE)
    So klingt es, wenn ein Wal kurz vor dem Rumpeln eines Erdbebens der Stärke 5 im Pazifischen Ozean einen Ruf absetzt. Diese Aufnahme ist nicht nur wegen der zeitlichen Nähe beider Ereignisse außergewöhnlich. Sie entstand an der tiefsten Stelle des pazifischen Ozeans. Der Ort "Challenger Deep" im Marianengraben liegt fast elf Kilometer unter dem Meeresspiegel. Und genau dort hatten Forscher der US-Klima- und Meeresforschungsbehörde NOAA im vergangenen Jahr ein Unterwassermikrophon installiert. 22 Tage lang nahm das Hydrophon ununterbrochen alle Geräusche auf, die bis in diese Wassertiefen vordrangen. Bob Dziak leitet das Programm zur akustischen Meeresforschung der NOAA:
    "Ich hatte sehr stille Aufnahmen erwartet. Meistens war es auch still. Aber es gab auch eine erstaunlich hohe Erdbebenaktivität. Der Marianengraben ist eine seismisch aktive Zone. Aber ich war schon überrascht, dass wir alle paar Stunden Erdbebengeräusche hören konnten."
    In dem Programm geht es eigentlich weniger darum, Erdbeben zu belauschen. Hauptziel ist es, die akustische Umwelt der Ozeane zu erfassen, und wie sich die Geräuschkulisse in den Weltmeeren vor allem durch den Einfluss des Menschen verändert.
    "Der Geräuschpegel im Ozean steigt seit den 1960er-Jahren stetig an, hauptsächlich durch den Aufschwung des Welthandels über Containerschiffe. Die Aufnahmen im Marianengraben dienen uns als Basis, um in Zukunft vergleichen zu können, wie sich Dinge verändern."
    Der Marianengraben ist dafür besonders interessant. Weil die Schlucht am Meeresgrund so tief und eng ist, wirkt sie wie ein Filter. In den Graben dringt nur Schall, dessen Quelle sich wie bei einem Richtmikrofon direkt vor beziehungsweise über der schmalen Öffnung befindet. Da Schallwellen in Wasser über große Distanzen getragen werden, konnte das Hydrophon in 11 Kilometer Wassertiefe Antriebsgeräusche einzelner Schiffe erfassen.
    Auch die Rufe von Meeressäugern drangen bis in den Marianengraben hinunter. Die Forscher konnten sogar zwischen verschiedenen Arten unterscheiden. Zum Beispiel die Rufe von Zahnwalen.
    Technisch betraten die Forscher mit der Installation eines Hydrophons in solch großen Wassertiefen Neuland. Denn die Geräte mussten einem immensen Wasserdruck standhalten. Bob Dziak vergleicht die akustische Tiefseeforschung mit der Raumfahrt:
    "Ein Astrophysiker schickt seine Raumsonde los, um als autonomer Roboter Bilder von Asteroiden oder von Pluto zu machen und die Informationen zurückzuschicken. Wir haben ein autonomes ozeanographisches System entwickelt, das bis zur tiefsten Stelle des Ozeans vordringt und dort Messungen macht. So können wir Orte erforschen, die normalerweise unerreichbar wären."
    In Zukunft will Bob Dziak auch noch andere schwer zugängliche Orte der Weltmeere akustisch erkunden und überwachen. Es geht darum, deren Klangwelten abzubilden.
    "Mich interessiert der tiefe Arktische Ozean. Ich würde gerne ein Hydrophon unter dem arktischen Eisschild installieren, um dort jetzt die Hintergrundgeräusche zu erfassen. Wenn das Eis in Zukunft schmilzt, werden mehr Schiffe über die Polrouten fahren. Dann werden auch die Geräuschkulisse und andere menschliche Einflüsse auf das Ökosystem zunehmen."