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Der unsichtbare Boom

Die so genannte Nanotechnologie zählt zu den wichtigsten Zukunftstechnologien. Auf 150 Milliarden Dollar schätzen manche Experten derzeit das weltweite Marktvolumen für nanotechnologische Produkte. Schon im Jahre 2010 soll es auf eine Billion Dollar wachsen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat ausgerechnet, dass schon heute in Deutschland 75.000 Arbeitsplätze direkt von der Nanotechnologie abhängen. In den nächsten Jahren wird vor allem die Computer-Hardware von der neuen Technologie profitieren.

Von Heinz-Jörg Graf | 14.08.2005
    "Magforce Nanotechnologies" klingt griffig und dynamisch, irgendwie einem B-Movie aus dem Thriller-Genre entlehnt, in dem eine Firma mit neuen Technologien finstere, menschenfeindliche Komplotte schmiedet. Doch ein B-Movie läuft in der Charité, Berlins traditionsreichem Krankenhaus, nicht und Komplotte werden in der "Magforce Nanotechnologies" schon gar nicht geschmiedet. Was in der Charité erforscht und entwickelt wird und in der "Magforce" in nicht all zu ferner Zukunft vermarktet werden soll, ist ein neues Therapeutikum, eine neue Medizin gegen Krebstumore. Andreas Jordan, Arzt und Forscher an der Charité und Gründer von "Magforce":

    " Es geht bei uns um Nanopartikel. Nanopartikel sind noch viel kleiner als eine Blutzelle und noch viel kleiner als ein Haar, und es ist ein Millionstel Millimeter, das ist Nanometer und so klein sind die Partikel, die wir hier verwenden, und die kriegen eine bestimmte Hülle oder auch mehrere Hüllen, mit denen sie dann in bestimmte Tumorzellen aufgenommen werden, aber nicht in Normalzellen. Und der zweite Teil, das ist ein Gerät, mit dem wir ein ganz bestimmtes magnetisches Feld erzeugen, das 100.000 mal in der Sekunde seine Richtung ändert, und aufgrund dieser Richtungsänderung wird in den kleinen Nanopartikeln Wärme erzeugt und diese Wärme können wir einstellen, zwischen 43, oder auch 70 und 80 Grad. Und das ergibt eine neue Nanokrebstherapie."

    Magforce bedeutet magnetische Kraft. Was so einfach klingt, brauchte jahrelange Entwicklungszeit und die immer wieder gleichen Fragen: Wie kann ein Tumor wirksam so überwärmt werden, dass er abstirbt? Herkömmliche Chemotherapien versagen hier meist, weil sie von außen arbeiten und im Körper die notwendige Wärmetemperatur kaum erreichen. Und: Wie muss ein Medikament beschaffen sein, das zwischen Tumorzellen und Normalzellen unterscheiden kann?

    " Die Unterscheidung zwischen Tumorzelle und Normalzelle geschieht über die intelligente Beschichtung der Nanopartikel, die es uns erlaubt, die Oberfläche dieser Partikel so zu kontrollieren, das tatsächlich diese nur in Tumorzellen aufgenommen werden, aber nicht in Normalzellen. Darauf haben wir natürlich eine Reihe von Patenten und in dem einen ist beschrieben, dass diese Hülle auf bestimmte Tumorzellen abrichtbar ist, wie beim Dressurreiten etwa, werden hier die Hüllen erzeugt und genau auf bestimmte Tumorarten ausgerichtet."

    Das neue Medikament wirkt wie ein Trojanisches Pferd. Die Tumorzelle nimmt nur die Beschichtungshülle wahr, nicht die Eisenoxid-Nanopartikel, die in ihr verborgen sind. Diese Partikel können durch magnetische Felder von außen stimuliert und gesteuert werden. In Berlin wird das Nano-Krebsmedikament zur Zeit in Machbarkeitsstudien getestet. Erste Ergebnisse: In allen Fällen konnte das Tumorwachstum gestoppt werden, bei einem Patienten entwickelte sich der Tumor sogar komplett zurück. Nano - die Wundertechnologie des 21. Jahrhunderts?

    Der Begriff Nanotechnologie leitet sich vom griechischen Wort "nanos" ab. "Nanos" ist der Zwerg und sein Name steht heute für Abmessungen, die unvorstellbar klein sind. Ein Nanometer ist der milliardste Teil eines Meters, 50.000 mal dünner als das menschliche Haar. Nanotechnologie ist nicht neu. Sie ist so alt wie das Leben auf der Erde. Aus Nanos sind wir geworden. Aus kleinsten Bausteinen hat die Evolution über Milliarden von Jahren die Natur und den Menschen geschaffen, hat Atom zu Atom aneinandergefügt und große Strukturen aufgebaut, Strukturen, die wir heute Leben nennen. Neu an der Nanotechnologie ist, dass der Mensch heute nicht nur Einblick ins Reich der Zwerge nehmen kann und verstehen lernt, welche Gesetze dort herrschen, neu ist auch, dass Wissenschaftler angefangen haben, diese Gesetze anzuwenden und zu nutzen. Wolfgang Heckl, Direktor des Deutschen Museums in München und Kristallograph an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

    " Durch die kleine Dimension vergrößert man ungeheuer die Oberfläche. Das ist ja einer der Effekte, die man auch ausnutzen möchte, die Oberflächenvergrößerung dadurch dass man die Partikel kleiner macht, wenn man also ein Kilo Partikel hernimmt und die Partikel sind einen Zentimeter groß oder man nimmt ein Kilo Partikel her und die Partikel sind nur ein Nanometer groß, dann hat man ein Vielfaches, ein Milliardenfaches an Oberflächenvergrößerung geschaffen und damit gleichzeitig eine Reaktivitätssteigerung und das ist etwas, was natürlich gewünscht ist auch, dass diese Partikel reaktiver sind, denn sie sollen ja auch was bewirken, wir stellen ja auch die Partikel her, damit wir damit technologisch etwas tun können."

    Nanopartikel verhalten sich anders als ihre mikrometergroßen Geschwisterteilchen. Das macht sie so wertvoll. Nanos dienen als Katalysatoren. Man nehme Nanos, füge sie Produkten bei und man erhält ganz neue Produkteigenschaften: kratzfeste Autolacke etwa, wasserdichte Regenjacken oder Kloschüsseln, die nie stinken. Nanopartikel sind fast universell einsetzbar und nicht auf ein bestimmtes Produkt beschränkt. Deshalb wird die Nanotechnologie auch als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Es gibt kaum einen Industriezweig, in dem sie keine Rolle spielt. Marco Beckmann, Vorsitzender der Nanostart AG in Frankfurt am Main, einer Beteiligungsgesellschaft, die in Nanofirmen investiert und Finanzinvestoren berät.

    " Grundsätzlich ist es so, dass die Nanotechnologie nicht mit bisherigen Produkten verglichen werden kann, die uns große wirtschaftliche oder gesellschaftliche Veränderungen gebracht haben. Ich spreche da beispielsweise vom Computer, vom Automobil, von der Eisenbahn oder vom Textil, die haben immer an den Kapitalmärkten und auch in der Gesellschaft für gravierende Veränderungen gesorgt. Die Nanotechnologie ist allerdings kein neues Produkt, sondern eine grundlegend neue Herstellungstechnologie."

    " Das bedeutet, mit Nanotechnologie kann man jeden Bereich beeinflussen oder jeder Bereich wird verändert, indem etwas produziert wird. Wenn Sie sich überlegen, dass das Fernziel der Nanotechnologie ist, aus einem gewissen Vorrat an chemischen Bausteinen etwas zu erschaffen, gezielt konstruieren mit den Eigenschaften, die wir gerne hätten, nicht so, wie bisher, dass wir aus groben Rohstoffen immer kleinere Endprodukte formen, sondern von unten nach oben, ähnlich wie es mit dem Legospiel geht, Sachen Stück für Stück aufbauen, konstruieren, auf atomarer-molekularer Ebene, so zeigt es doch, dass mit Nanotechnologie erstmals seit der industriellen Revolution wieder ein Durchbruch, ein wirtschaftlicher, gesellschaftlicher Durchbruch erfolgt, der die Art verändert, wie wir Sachen produzieren können in Zukunft. ".

    Auf 150 Milliarden Dollar schätzt Marco Beckmann derzeit das weltweite Marktvolumen für nanotechnologische Produkte, schon im Jahre 2010 soll es auf eine Billion Dollar wachsen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat ausgerechnet, dass schon heute in Deutschland 75.000 Arbeitsplätze direkt von der Nanotechnologie abhängen. In den nächsten Jahren wird vor allem die Computer-Hardware von der neuen Technologie profitieren. Der klassische Silizium-Computer-Chip nähert sich seiner physikalischen Grenze. Es ist absehbar, wann seine Leistungsfähigkeit nicht weiter gesteigert werden kann. Die Nanotechnologie eröffnet hier neue Perspektiven. Aber auch in der Medizin- und Energietechnik spielt Nano eine große Rolle. Die Entwicklung der Brennstoffzelle zum Beispiel wird durch Nanomaterialien enorm angetrieben. Nano tut auch der Umwelt gut. Schmutzige Abwasser können durch Nanofilter besser und schneller gereinigt werden. Ob in Medizin,

    Elektronik, Feinmechanik oder Chemie: überall werden die Nanozwerge in den nächsten Jahren für kräftige Entwicklungsschübe sorgen. Optimistisch schaut auch Frank Menzel in die Zukunft. Er ist Geschäftsführer des Degussa-Tochterunternehmens "Aerosil & Silanes, einem Nanopartikelhersteller für die Lack-, Kunststoff- und Papierindustrie. Wo sieht er die Nanotechnologie in fünfzehn Jahren?

    " Aus meiner Sicht wird die Nanotechnologie in fünfzehn Jahren nichts mehr sein, was zu diskutieren ist. Die Materialien, die Technologien werden für uns einfach Realität sein, weil sie überall anzutreffen sind. Es gibt heute schon kaum Bereiche, die nicht betroffen sind von der Nanoskaligkeit und Effekten der Nanoskaligkeit. Angesprochen hatte ich schon das Beispiel mit dem Lack. Es gibt andere Beispiele im Bereich der Kosmetik oder auch bei Tabletten, wo Sie solche Materialien einsetzen werden zur Fließfähigkeitsverbesserung bei der Herstellung. Und auch Ihre Oberflächen im Haushaltsbereich, die mit Nanoschichten belegt sein werden, um Ihnen das Abreinigen zu erleichtern und das wird sich weiter fortentwickeln"

    Deutschland nimmt in der Nanoforschung international einen Spitzenplatz ein, die Nanoforscher hierzulande gehören zu den publikationsstärksten weltweit und bei den Patentanmeldungen liegt Deutschland auf Platz zwei, hinter den USA und vor Japan. Über 300 Millionen Euro ließ sich der Bund im letzten Jahr die Nanoforschung kosten. Durch die Gründung von Nano-Kompetenzzentren Ende der 90er Jahre - sie sind auf neun Orte in Deutschland verteilt -, wurde die Nanoforschung intensiviert. Die Kompetenzzentren bündeln vorhandenes Know-how und vernetzen vor allem Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft. Während früher Nano-Aktivitäten von Universitäten, Instituten und Wirtschaft fachbezogen ausgerichtet waren, mit wenig Kontakt und Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Disziplinen und Sphären, wächst Nanoforschung heute immer mehr zu einer interdisziplinär angelegten Veranstaltung zusammen.

    Öffentlich wird in Deutschland die Nanotechnologie erst wenig wahrgenommen. 50 % der Bundesbürger schauen ratlos drein, wenn sie von Nanotechnologie hören. Das liegt vor allem daran, dass, wo Nano drin ist, selten auch Nano draufsteht. Firmen entdecken Nano jedoch langsam als Werbeträger. Fensterreiniger in Drogeriemärkten zum Beispiel locken inzwischen mit der Aufschrift: "Streifenfreier Glanz mit Nano-Protect-Formel". Auch Investoren an der Börse wenden sich dem Nanothema eher zögerlich zu. Marco Beckmann.

    " Man muss sagen, aus Sicht des Anlegers gibt es aus unserer Sicht keinen idealeren Zeitpunkt, um einzusteigen als jetzt. Wir sind in einer Situation, wo sich wirklich im Grunde niemand so richtig für Nanotechnologie interessiert, obwohl wir technologisch absehen können, was da passiert, was da in den nächsten Jahren auf uns zukommt, das bedeutet aus Investorensicht ein idealer Zeitpunkt, ein Investor sollte einsteigen, wenn sich keiner für die Technologie interessiert aus Investorensicht ist es aber in der Tat kein Thema, weil vielleicht auch zuwenig bisher darauf geachtet wurde, wie man denn in diesen Bereichen Geld verdienen kann, es ist ja so, dass Nanotechnologie selbst kein Produkt ist, die Produkte, die mit Nanotechnologie produziert werden, können auch immer anders heißen, müssen nicht unbedingt Nanoprodukt heißen, sondern heißen dann beispielsweise drug delivery system oder ein neuer Computerbaustein zur Herstellung von leistungsfähigeren Computerchips, der muss nicht Nano-Computerbaustein heißen. Das bedeutet, es gibt ein Identifikationsproblem und ein weiterer Faktor ist natürlich, dass viele Investoren sich mit Internet und Biotech in den vergangenen Jahren wirklich die Hände verbrannt, die Finger verbrannt haben und das ist in einer Phase passiert, wo sich Nanotechnologie sehr stark und sehr positiv entwickelt hat."

    Obwohl große Konzerne wie IBM oder Hewlett Packard ein Drittel ihrer langfristigen Forschungsgelder direkt in Nanotechnologie investieren, liegt für Marco Beckmann das Entwicklungspotential für nanobasierte Produkte vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen, die sich in den letzten Jahren als Start-ups, meist aus dem universitären Umfeld, gegründet haben. Über 1.000 gibt es davon inzwischen weltweit, die mit großem Elan dabei sind, schöne neue Produktlandschaften zu schaffen. Doch Nanotechnologie birgt auch Risiken. Nicht gerade die, von denen in der Science-Fiction-Literatur die Rede ist. In Michael Chrichtons Roman "Beute" etwa, in dem sich Nanoroboterschwärme selbständig machen und zu einer mörderischen Bedrohung für den Menschen werden. Das ist für Ann Dowling "Good Fun". Die Maschinenbauprofessorin aus Cambridge, Großbritannien, ist Mitglied der Royal Society und der Royal Academy of Engineering, zwei renommierte Wissenschaftsorganisationen, die weltweit hohes Ansehen genießen. Unter ihrem Vorsitz veröffentlichten die beiden Organisationen im letzten Jahr einen Bericht, in dem Chancen und Risiken der Nanotechnologie untersucht werden. Ann Dowling.

    " Nanotechnologie bietet große Chancen mit vielfältigem Nutzen, schon heute und noch mehr in der Zukunft. Die meisten Technologien, die auf Nanobasis arbeiten, stellen kein neues Risiko für die Gesundheit oder die Umwelt dar. Wir machen uns aber Sorgen über industriell hergestellte Nanopartikel. Dort sollte geforscht und der Gesetzgeber sofort aktiv werden, um mögliche Gefahren von Nanopartikeln einzugrenzen. Wir sind auch für eine öffentliche Debatte über die Richtung, in die sich Nanotechnologie entwickeln sollte."

    Industriell hergestellte Nanopartikel können zu Entzündungen führen, wenn sie inhaliert werden. Deshalb empfiehlt Ann Dowling in ihrem Bericht, die Risikoforschung auf diesem Gebiet zu verstärken, um herauszufinden, wie toxisch diese Partikel sind und welchen Schaden sie in der Umwelt und im menschlichen Körper anrichten können. Wobei nur Nanopartikel gefährlich werden, die in die Atmosphäre austreten können und inhalierbar sind. In der Regel sind Nanopartikel allerdings in irgendeine Form von Matrix eingebunden. Nur: Hüllen sind nicht gleich Hüllen. Einige gelten als sicher, andere als mehr durchlässig. Je nach Verfahren, das man wählt.

    Paul Borm ist Professor an der Fachhochschule Heerlen in den Niederlanden. Er ist einer von etwa zwanzig Fachleuten weltweit, die sich mit der Toxikologie von Nanopartikeln beschäftigen.

    " Wenn man über Partikel redet, sind Nanopartikel auf der Lunge immer sehr viel mehr aktiv als feine Partikel. Das Problem könnte man lösen mit einem Grenzwert. Man senkt den Grenzwert für Nanopartikel auf niedrige Niveaus. Das ist eine Sache. Die zweite Sache aber ist sehr viel wichtiger, dass Nanopartikel Effekte haben, die bisher von Partikeln nicht gesehen geworden sind. Und das sind systemische Effekte, zum Beispiel. Effekte auf Herz-Kreislauf. Also die Effekte sind bisher nicht gesehen geworden, nicht bewertet und nicht in Grenzwerte aufgenommen. Das dritte aber ist vielleicht noch wichtiger, dass die Effekte, die man jetzt von Nanopartikeln in der Epidemiologie sieht, meistens bei Leuten auftauchen, die empfindlich sind, weil sie eine Krankheit haben, das heißt, Leute mit Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauferkrankungen, da haben Sie vielleicht schon 50 Prozent der Bevölkerung, die krank ist, ja. Das sind die empfindlichen Gruppen für die Effekte von Nanopartikeln. Für solche Leute kann man schlecht einen Grenzwert stellen."

    Paul Borm nennt einen weiteren Gefahrenaspekt, über den heute noch gar nicht gesprochen wird.

    " Zum Beispiel bei Coatings, also Oberfläche-Nanomaterial, meistens sind das ultradünne Schichten auf Material, die irgendwo eine Eigenschaft dafür sorgen, zum Beispiel bei Lacken oder auf Fenster, wenn die Schichte irgendwo abgebrochen wird, ganz kleine Nanoteilchen in Umwelt kommt, dann kommen die Partikel frei, kommen in Regen in Boden und Wasser und in diesem Expertisebereich gibt es relativ wenig Forschung. Da ist ein Riesenbedarf an Forschung."

    " Stellen Sie sich mal vor, alle Gebäude in Frankfurt sind mit Fenstern vorgesehen, die alle selbstreinigend sind, die haben alle ultradünne Schicht mit Titandioxyd, drei oder vier Nanometer, das bedeutet, das man die Fenster nicht mehr waschen soll, das ist nicht mehr notwendig, aber dann hat man wie viele tausende Quadratmeter mit Titandioxyd ultradünne Schicht und davon wird natürlich jährlich etwas abgebrochen, das endet im Boden und Wasser. Umwelt ist bisher in Europa bisher ungeforscht. Diese Diskussion läuft in Europa bisher noch nicht."

    Für Ann Dowling ist es wichtig, die Öffentlichkeit über Chancen und Risiken der Nanotechnologie zu informieren. Sie will sie auch mitbestimmen lassen, in welche Richtung sich die neue Technologie entwickeln soll.

    " In Zukunft stellen sich verstärkt ethische Fragen, wenn Wissenschaften wie Biotechnologie, Nanotechnologie und Informationstechnik zusammenwachsen. Wissenschaftler, aber auch die Gesellschaft, sollten dann sehr genau prüfen, welche Folgen das haben könnte. Wir schlagen konkret vor, dass Ethik ein Teil der Ausbildung für Wissenschaftler sein sollte, die sich mit neuen Technologien wie der Nanotechnologie beschäftigen. Erfahrene Wissenschaftler sind meist bereit, sich auch über die Folgen ihrer Forschung Gedanken zu machen. Für jüngere Wissenschaftler gilt das nicht. Deshalb sollten mehr ethische Fragen diskutiert werden. Auf unseren öffentlichen Veranstaltungen zum Thema "Nanotechnologie" haben Wissenschafter nicht über die Köpfe der Leute hinweg geredet, sondern ihre Fragen beantwortet. Nach einem Tag hatten sich die Teilnehmer schon sehr gut in das Nanothema eingearbeitet, wichtige Fragen gestellt und fundierte Vorschläge gemacht, in welche Richtung sich die Nanotechnologie entwickeln sollte."

    In der Nanotechnik-Folgenabschätzung nehmen die Deutschen in Europa keinen Spitzenplatz ein. Hier haben die Amerikaner und Engländer schon mehr unternommen. Im Mai dieses Jahres zum Beispiel hat sich in Großbritannien eine "Nano-Jury" aus zwanzig unabhängigen Laien konstituiert. Die Jury wurde unter anderem vom Verteidigungsministerium, aber auch von Greenpeace einberufen und soll aus Sicht von Normalbürgern Chancen und Risiken der Nanotechnologie bewerten. In ihrem Bericht fordert die Royal Society auch Firmen auf, aktiv zu werden und die Ergebnisse aus Materialprüfungen offen zu legen. Marco Beckmann von der Nanastart AG ist da skeptisch.

    " Das ist sehr problematisch. Wir haben das Problem, dass auf der einen Seite offen gelegt werden muss, wie sehen die Eigenschaften aus. Auf der anderen Seite halten sich Unternehmen natürlich bewusst zurück, weil sie natürlich das geistige Eigentum, was erworben wurde, die neu entwickelten und patentrechtlich vielleicht noch nicht gesicherten Erkenntnisse nicht einfach so preisgeben wollen. Ein wichtiger Ansatz wäre, dass man so schnell wie möglich, internationale Grundsätze und Prinzipien festlegt, dass beispielsweise regional gesehen europäische Unternehmen in den Konflikt geraten, dass sie alles offen legen, aber ein Unternehmen, was außerhalb Europas ist, in den USA oder Asien, dieser Pflicht überhaupt nicht unterliegt und frei forschen und seine Produkte frei weiterentwickeln kann."

    Paul Borm, der Toxikologe aus den Niederlanden, ist optimistischer. Künftig gebe es einen Riesenbedarf, Nanopartikel auf ihre Unbedenklichkeit zu untersuchen und testen. Warum sollten Firmen nicht zusammenarbeiten und Kosten sparen wollen? Der Toxikologe arbeitet zur Zeit an einer Datenbank, die Firmen gemeinsam nutzen können.

    " Die Idee ist, ein Konsortium zu bauen, was Forschung und Industrie verbindet und das Produkte getestet werden von verschiedenen Forschungsinstituten. Wenn aber eine neue Firma sich meldet, mit einem Produkt, was ähnlich ist, könnte das Konsortium sagen, höre mal zu, es gab einen Auftrag von Firma A. Vergleichbares Material, wir fragen mal nach, ob sie die Daten austauschen können. Das hat Vorteile für Schnellentwicklung von Products, die nicht toxic sind."

    Nicht nur dem menschlichen Körper würde das gut tun, auch der Umwelt. In den nächsten Jahren wird ein Riesenmarkt mit nanotechnologischen Produkten entstehen. Auch wenn das Leben einfacher wird mit wohlriechenden Kloschüsseln oder sich selbst reinigenden Fenstern: Man sollte schon wissen, was passieren kann, wenn sie altern oder nach Gebrauch auf dem Müll landen.