Das Fragment eines mittelalterlichen Brunnens zeigt eine junge Frau - von hinten: Ihre rechte Hand stützt sich auf dem Boden ab. Der kräftige Rücken ist aufgerichtet. Die Frau schaut nach rechts. Ihr linkes Bein ist über das rechte verschränkt: eine elegante Haltung. Bekleidet ist die junge gut gebaute Dame in ein über ihre linke Schulter gebundenes toga-ähnliches Gewand. Ihr Haar fällt leicht wellig in den Nacken. Das Relief wirkt auf den ersten Blick wie das Werk eines spätantiken Meisters aus dem dritten oder vierten Jahrhundert. Doch es wurde viele Jahrhunderte später geschaffen, gegen 1278, in der, so die Kunsthistorikerin Alessandra Vitez, ersten Renaissance der italienischen Kunst:
"Dieses Relief gibt uns Auskunft darüber, dass es im 13. Jahrhundert zu einer Wiedergeburt der Antike in Italien kam. Während in Nordeuropa die Gotik triumphierte, entdeckten italienische Künstler, dass sie von antiken Vorbildern lernen, aus ihnen etwas Neues entwickeln konnten. Das ist das Konzept der Renaissance: ausgehend von Altem Neues schaffen, an die Antike anknüpfen. Das ist eine sehr interessante Sache, die bisher in Form einer Ausstellung noch nicht thematisiert worden ist."
Alessandra Vitez ist Mit-Kuratorin einer Kunstschau in der Burg Castel Sigismondo in Rimini, die nachzuweisen versucht, wie noch vor der allseits bekannten Renaissance im Florenz des 14. und vor allem 15. Jahrhunderts, Italiens Künstler durch die Anschauung der damals noch überall präsenten Antike dem Kunstschaffen eine neue Richtung gaben.
Dieses neue Kunstschaffen fand vor allem bei einem staufischen Kaiser einen begeisterten Ansprechpartner: Friedrich II., Herrscher über Süditalien, favorisierte gezielt jene Künstler, die sich von der Antike inspirieren ließen. Alessandra Vitez:
"Es handelt sich bei Friedrich um keine Ausnahme: in verschiedenen Regionen Italiens dominierten im 13. Jahrhundert Künstler, die sich an antiken Vorbildern ausrichteten. Aber der Stauferkaiser begeisterte wie kein anderer Herrscher seiner Zeit für die Wiedergeburt der Antike. Auf der Baustelle des berühmten Castel del Monte in Apulien arbeitete auch Nicola Pisano, der bedeutendste Künstler jener Zeit in puncto Wiederbelebung klassischer Vorbilder."
Die Ausstellung stellt zahlreiche Meisterwerke der Familie Pisano vor, die das deutlich machen. Von Andrea Pisano beispielsweise stammt ein Marmorrelief, das ursprünglich am Glockenturm des Giotto in Florenz angebracht war: Es zeigt den griechischen Bildhauer Phidias bei der Arbeit. Der sechseckige stufenförmige Rahmen, die Körperhaltung des Bildhauers, die dreidimensionale Darstellung der Möbel - der Realismus in der Darstellung und die Ornamente nehmen die künstlerischen Prinzipien der Florentiner Renaissance deutlich voraus.
Wahrscheinlich von einem Künstler aus Rom und zur Zeit Friedrich II. wurde ein marmorner Zeuskopf für die süditalienische Stadt Capua geschaffen: Der Gesichtsausdruck des antiken Gottes ist ganz klassisch - wie in der hellenistischen und römischen Kunst. Nur die leicht grobe Detaildarstellung von Bart- und Kopfhaar machen deutlich, dass dieser Kopf ein Werk des Mittelalters ist. Die Ausstellung macht deutlich, dass nicht alle Künstler des italienischen 13. Jahrhunderts die Antike auf gleiche Weise rezipierten. Alessandra Vitez:
"Das zeigt erneut, wie aktiv damals die Kunstszene war: alles andere als mittelalterlich festgefahren in einem künstlerischen Kanon, wie es in Nordeuropa der Fall war. Nicola Pisano orientierte sich ganz direkt an klassischen Vorbildern. Arnolfo di Cambio lies sich nicht nur von der römischen Antike beeinflussen, sondern auch von Bildwerken der Etrusker und des frühen Christentums. Giovanni Pisano hingegen ging einen entscheidenden und sehr wichtigen Schritt weiter."
Giovanni Pisano ließ die antiken Vorbilder hinter sich, um eine neue Ausdruckskraft zu schaffen, die selbst im neoklassischen Italien des 13. Jahrhunderts etwas vollkommen Neues darstellte.
In der Ausstellung in Rimini wird das vor allem an der Skulptur der Tänzerin von Giovanni Pisano deutlich, die aus Pisa stammt. In einer fast schon expressionistischen Ausdrucksform stellt der Künstler eine junge und vollbusige Frau dar, die ihren Unterkörper mit einem geschmeidigen Hüftschwung leicht nach vorn schiebt, während ihre linke Hand das einfache Gewand am linken Oberschenkel nach oben zu heben scheint. Die Eleganz hochgotischer französischer Madonnen geht bei diesem Kunstwerk mit den Vorbildern antiker Frauengestalten eine fast schon betörende Fusion ein - die später von den Meistern der Florentiner Renaissance studiert und weiterentwickelt wurde.
"Dieses Relief gibt uns Auskunft darüber, dass es im 13. Jahrhundert zu einer Wiedergeburt der Antike in Italien kam. Während in Nordeuropa die Gotik triumphierte, entdeckten italienische Künstler, dass sie von antiken Vorbildern lernen, aus ihnen etwas Neues entwickeln konnten. Das ist das Konzept der Renaissance: ausgehend von Altem Neues schaffen, an die Antike anknüpfen. Das ist eine sehr interessante Sache, die bisher in Form einer Ausstellung noch nicht thematisiert worden ist."
Alessandra Vitez ist Mit-Kuratorin einer Kunstschau in der Burg Castel Sigismondo in Rimini, die nachzuweisen versucht, wie noch vor der allseits bekannten Renaissance im Florenz des 14. und vor allem 15. Jahrhunderts, Italiens Künstler durch die Anschauung der damals noch überall präsenten Antike dem Kunstschaffen eine neue Richtung gaben.
Dieses neue Kunstschaffen fand vor allem bei einem staufischen Kaiser einen begeisterten Ansprechpartner: Friedrich II., Herrscher über Süditalien, favorisierte gezielt jene Künstler, die sich von der Antike inspirieren ließen. Alessandra Vitez:
"Es handelt sich bei Friedrich um keine Ausnahme: in verschiedenen Regionen Italiens dominierten im 13. Jahrhundert Künstler, die sich an antiken Vorbildern ausrichteten. Aber der Stauferkaiser begeisterte wie kein anderer Herrscher seiner Zeit für die Wiedergeburt der Antike. Auf der Baustelle des berühmten Castel del Monte in Apulien arbeitete auch Nicola Pisano, der bedeutendste Künstler jener Zeit in puncto Wiederbelebung klassischer Vorbilder."
Die Ausstellung stellt zahlreiche Meisterwerke der Familie Pisano vor, die das deutlich machen. Von Andrea Pisano beispielsweise stammt ein Marmorrelief, das ursprünglich am Glockenturm des Giotto in Florenz angebracht war: Es zeigt den griechischen Bildhauer Phidias bei der Arbeit. Der sechseckige stufenförmige Rahmen, die Körperhaltung des Bildhauers, die dreidimensionale Darstellung der Möbel - der Realismus in der Darstellung und die Ornamente nehmen die künstlerischen Prinzipien der Florentiner Renaissance deutlich voraus.
Wahrscheinlich von einem Künstler aus Rom und zur Zeit Friedrich II. wurde ein marmorner Zeuskopf für die süditalienische Stadt Capua geschaffen: Der Gesichtsausdruck des antiken Gottes ist ganz klassisch - wie in der hellenistischen und römischen Kunst. Nur die leicht grobe Detaildarstellung von Bart- und Kopfhaar machen deutlich, dass dieser Kopf ein Werk des Mittelalters ist. Die Ausstellung macht deutlich, dass nicht alle Künstler des italienischen 13. Jahrhunderts die Antike auf gleiche Weise rezipierten. Alessandra Vitez:
"Das zeigt erneut, wie aktiv damals die Kunstszene war: alles andere als mittelalterlich festgefahren in einem künstlerischen Kanon, wie es in Nordeuropa der Fall war. Nicola Pisano orientierte sich ganz direkt an klassischen Vorbildern. Arnolfo di Cambio lies sich nicht nur von der römischen Antike beeinflussen, sondern auch von Bildwerken der Etrusker und des frühen Christentums. Giovanni Pisano hingegen ging einen entscheidenden und sehr wichtigen Schritt weiter."
Giovanni Pisano ließ die antiken Vorbilder hinter sich, um eine neue Ausdruckskraft zu schaffen, die selbst im neoklassischen Italien des 13. Jahrhunderts etwas vollkommen Neues darstellte.
In der Ausstellung in Rimini wird das vor allem an der Skulptur der Tänzerin von Giovanni Pisano deutlich, die aus Pisa stammt. In einer fast schon expressionistischen Ausdrucksform stellt der Künstler eine junge und vollbusige Frau dar, die ihren Unterkörper mit einem geschmeidigen Hüftschwung leicht nach vorn schiebt, während ihre linke Hand das einfache Gewand am linken Oberschenkel nach oben zu heben scheint. Die Eleganz hochgotischer französischer Madonnen geht bei diesem Kunstwerk mit den Vorbildern antiker Frauengestalten eine fast schon betörende Fusion ein - die später von den Meistern der Florentiner Renaissance studiert und weiterentwickelt wurde.