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Deutsch-türkisches Verhältnis
Rüstungsexporte werden überprüft

Die Bundesregierung hat angekündigt, ihre Türkei-Politik neu auszurichten - und will Rüstungsexporte dorthin neu bewerten. Der türkische Ministerpräsident Yildirim sprach sich für eine Deeskalation in dem Streit aus.

21.07.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan auf dem G20-Gipfel in Hamburg.
    Aus Deutschland kommt Kritik an der Türkei - auch am Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. (AFP / Odd ANDERSEN)
    Im Rahmen der angekündigten Neuausrichtung der Beziehungen zur Türkei sollen auch Rüstungsausfuhren neu bewertet werden. "Daher kommen derzeit Anträge für Rüstungsexporte auf den Prüfstand", teilte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums mit. Bei den Entscheidungen werde "der aktuellen Lage und besonders der Beachtung der Menschenrechte" ein "besonderes Gewicht" beigemessen, hieß es weiter. "Das gilt auch für die Türkei."
    Der von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) angekündigte Kurswechsel in der deutschen Türkei-Politik umfasse alle Bereiche - "also auch die Rüstungsexportpolitik". Grundsätzlich unterliegen deutsche Rüstungsexporte in das Nato-Partnerland Türkei keinen Beschränkungen. Allerdings kann dennoch "aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten" sein.
    Schäuble vergleicht Türkei mit DDR
    Zuvor hatten deutsche Spitzenpolitiker die Ankara deutlich kritisiert. Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) sagte der "Bild"-Zeitung: "Die Türkei verhaftet inzwischen willkürlich und hält konsularische Mindeststandards nicht ein. Das erinnert mich daran, wie es früher in der DDR war." Wenn es dabei bleibe, müsse man den Bürgern sagen, dass sie auf eigenes Risiko in die Türkei reisten. Auch Bundesjustizminister Maas (SPD) betonte, wer in die Türkei reise, verbringe seinen Urlaub nicht in einem Rechtsstaat.
    Kanzleramtsminister Altmaier erklärte: "Wir werden zu jedem Zeitpunkt prüfen, ob weitere Beschlüsse notwendig sind". Diese würden dann gegebenenfalls öffentlich verkündet werden, sagte er im ZDF-"Morgenmagazin".
    Yildirim will Deeskalation
    Der türkische Ministerpräsident Yildirim sprach sich für eine Deeskalation aus. Es bringe weder Deutschland noch der Türkei etwas, wenn die Beziehungen geschädigt würden, sagte Yildirim in Ankara. Man sehe Deutschland weiter als strategischen Partner in Europa. Größter Konfliktpunkt sei, dass Anhänger der Gülen-Bewegung oder der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Deutschland Unterschlupf fänden. Yildirim wies Meldungen zurück, dass gegen deutsche Unternehmen in der Türkei im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen ermittelt werde.
    Nach übereinstimmenden Medienberichten gibt es eine schwarze Liste deutscher Firmen, die als Terrorunterstützer verdächtigt werden. Darauf stünden mehr als 680 Unternehmen, heißt es unter Berufung auf deutsche Sicherheitskreise. Zuvor war von 68 Firmen und Einzelpersonen die Rede gewesen.
    Wirtschaftsminister: Deutsche Investitionen sicher
    Der Handel mit Deutschland und deutsche Firmen in der Türkei
    Der Konflikt wirkt sich immer stärker auf die wirtschaftlichen Beziehungen, auf den Tourismus und auf den Handel aus. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Michael Fuchs, sagte im Deutschlandfunk , ein schärferer Kurs sei unabdingbar, auch wenn dadurch die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Fuchs sagte, alles in allem sei die deutsche Wirtschaft jedoch nicht abhängig von der Türkei.
    Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag rechnet mit deutlichen Exporteinbußen. Man erwarte unter Einbeziehung der jetzigen Vorkommnisse einen Rückgang der Exporte in die Türkei von zehn Prozent, sagte Volker Treier, der Außenwirtschaftschef des DIHK, im Deutschlandfunk.
    Die türkische Regierung garantiert nach den Worten von Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci für die Sicherheit deutscher Investitionen im Land. Die Krise mit Deutschland sei vorübergehend, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Man müsse sich daher mit Aussagen zurückhalten, die wirtschaftlichen Schaden anrichten könnten.
    Türkei beklagt Einflussnahme
    Porträt Peter Steudtner
    Peter Steudtner ist in der Türkei in Untersuchungshaft. (privat)
    Der Sprecher von Präsident Erdogan, Kalin, hatte der Bundesregierung im Fall des inhaftierten deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner versuchte Einflussnahme auf die türkische Justiz vorgeworfen. Der schwedische Menschenrechtler Ali Gharavi war gemeinsam mit Steudtner verhaftet worden. Die schwedische Redierung geht aber deutlich zurückhaltender als die deutsche vor.
    Erdogan macht den im US-Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs vor einem Jahr verantwortlich. Unter dem von Erdogan ausgerufenen Ausnahmezustand wurden seither Zehntausende angebliche Gülen-Anhänger in Untersuchungshaft gesperrt, zahlreiche Medien geschlossen und mehr als 100.000 Staatsbedienstete entlassen oder suspendiert.
    (nch/hba)